3-D-Drucker: Was sie können, was sie sollen

Ein Mensch aus dem Drucker: In Science-Fiction-Serien wie „Westworld“ ist das bereits gespenstisch-faszinierende Realität. Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins) hat so seine eigene Welt erschaffen. Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas will kein zweiter Ford werden. „Den Menschen aus dem Drucker werden wir beide Gott sei Dank nicht mehr erleben“, sagt der leitende Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Unimedizin Mainz im Interview mit unserer Zeitung. Doch Gewebe und Organteile aus dem Drucker hält der Leiter des zweiten 3-D-Kongresses in Mainz an diesem Wochenende für realistisch. Warum die Technik gut für Patienten ist, erklärt er im Interview:

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

In der US-Serie „Westworld“ werden menschenähnliche Roboter von riesigen 3-D-Druckern erschaffen. Ist das nur Fiktion, oder ist die Medizin mit der 3-D-Technik auf dem Weg in solch eine Welt?

Was die künstliche Intelligenz angeht, wage ich keine Prognose. Aber wir hoffen bei den Organen schon, dass wir auf diesem Weg sind. Das ist aber so hoch komplex, dass wir davon noch weit entfernt sind. Wir wären schon froh, wenn wir kleine Gewebeteile drucken und Menschen einsetzen könnten.

Werden wir gedruckte Menschen erleben? Vielleicht in 20 Jahren?

Den Menschen aus dem Drucker werden wir beide Gott sei Dank nicht mehr erleben. Anders ist es bei regenerierter Haut, Knochen, Knorpel oder Teilen der Leber. Das halte ich in den nächsten 20 Jahren für denkbar. Die ersten Ansätze von Haut oder Gefäßen aus dem 3-D-Drucker werden bereits an Tieren getestet. Es wäre ein großer Durchbruch, wenn die ersten gedruckten Gewebeteile oder Organe im Menschen bleiben. Das könnten gedruckte Gefäße, Luftröhrenteile oder Organelemente sein.

Wo wird die 3-D-Technik in der Medizin schon eingesetzt?

Die ersten Ansätze sind, dass man die Datensätze aus der Computertomografie nutzt, um sich ein Modell des Körperteils eines Patienten drucken zu lassen. Damit weiß er genau, was auf ihn bei der Operation zukommt. Man kann dem Patienten anhand des Modells erklären, was man tut. Der nächste Schritt ist, dass man den 3-D-Drucker nutzt, um Informationen für die OP zu verwenden. Stichwort Kniegelenkprothese: Die wird individuell angefertigt. Und es gibt eine Schablone zum Sägen, damit die Prothese später auch passt.

Und der nächste Schritt?

Wir wollen natürlich irgendwann Gewebe drucken, das im Körper bleibt. Gesehen habe ich das schon bei Schilddrüsengewebe. Eine Maus wurde bestrahlt, um das Schilddrüsengewebe zu zerstören. Dann haben Forscher die Architektur des Gewebes am 3-D-Drucker nachgeahmt. Es wurden Zellen angezüchtet und wieder eingesetzt. Und tatsächlich funktionierten die Zellen danach wieder als Schilddrüsengewebe. Es gibt also Ansätze für biologisch aktives Gewebe.

Auf welche Probleme stoßen Sie, um so auch beim Menschen etwas Lebendiges entstehen zu lassen?

Die Materialien sind noch nicht so, dass der Körper auch weiß, was er damit anfangen soll. Beispiel Knochen: Dort verwenden wir Materialien wie Titan, die weit entfernt sind von biologischer Aktivität. Bei den Bioprinting-Ansätzen druckt man aber schon tatsächlich Zellen hinzu, die es dem Körper etwas leichter machen, das zu tun, was man erwartet. Doch Materialforscher und Chirurgen müssen noch enger zusammenarbeiten.

Was erwarten Sie denn von den Materialwissenschaftlern?

Wir Chirurgen möchten etwas haben, das nähbar oder schraubbar ist. Und wir brauchen etwas, das der Körper umbauen kann. Er soll erkennen: Aha, daraus soll ich Knochen bauen. Und das Material muss auch Lasten tragen können. Der Dermatologe hingegen braucht eher großflächige Strukturen, die er als Hautersatz verwenden kann und die helfen, dass Gewebe nach einer OP narbenlos abheilt. Und dann gibt es das ganz große Gebiet der Gefäße: Wenn jemand nach einem Herzinfarkt eine Bypass-OP bekommt, werden derzeit noch Gefäße aus dem Bein genommen. Denkbar wäre, gedruckte Gefäße zu verwenden. In diesem Bereich befinden wir uns schon relativ nah an der Anwendung. Das geht bis hin zu Gewebekulturen etwa für die Leber. Doch bis man diese in einen Menschen transplantieren kann, wird noch Zeit vergehen.

Was ist das Schwierigste auf dem Weg zum Lebendigen?

Das ist die Vaskularisation, also die Gefäßneubildung in einem Gewebe. Will heißen: Wenn man gedrucktes Gewebe in den Körper einbaut, dann muss dieser es erschließen und mit Gefäßen versorgen. Doch dies gelingt meist noch nicht. Der 3-D-Drucker bietet aber die Möglichkeit, für ein Gewebe auch eine Gefäßarchitektur zu drucken, sodass der Körper es direkt versorgen kann. Aber bislang ist es noch niemandem gelungen, ein komplexes Organ zu drucken.

Gibt es dagegen auch Vorbehalte?

Im Moment ist das Thema sehr positiv besetzt. Das größte Problem ist, unter welchen Bedingungen man gedrucktes Material in den Menschen bringen darf. Es gibt eine neue Medizinprodukteverordnung, die sehr strenge Maßstäbe für die Qualitätssicherung setzt. Das ist eine Folge des Skandals um Brustimplantate in Frankreich. Das macht es für kleine Firmen im 3-D-Bereich aber auch relativ schwer, etwas Innovatives auf den Markt zu bringen.

Ist es aber nicht auch ethisch zu klären, wann gedruckte Organe eingesetzt werden?

Ja. Es ist dringend nötig, ethische und soziale Standards zu definieren. Solange diese Standards nicht definiert sind, blockiert dies auch Innovation, weil die rechtliche Lage unklar ist. Deutschland könnte deshalb von Ländern wie China abgehängt werden. Dort gibt es ein enormes Innovationspotenzial, aber sehr geringe Hürden, um eine medizinische Studie zu unternehmen. Die Anforderungen dafür sind enorm hoch in Deutschland.

Wie reagieren Patienten auf die 3-D-Technik?

Positiv, weil der Patient endlich versteht, was wir während einer Operation machen. Der riesige Gewinn für mich als Chirurg ist, dass der Patient ein Stück weit die Hoheit über seine OP zurückbekommt. Er begreift besser, wie wir vorgehen und wo es Probleme geben kann. Die Operation wird im wahrsten Sinn des Wortes greifbar. Er kann ein Modell des Körperteils, das operiert werden soll, anfassen. Medizin wird so begreiflich.

Nimmt das Patienten Angst?

Ja. Sie verstehen eher, was wir tun oder warum ein Teil der Operation Risiken birgt. Für uns ist ein aufgeklärter Patient immer das Beste. Er kann besser mitarbeiten, und er kann den Wert einer Operation eher einschätzen. Und das Anfassen eines Organs hat auch etwas Emotionales: Patienten bekommen ein anderes Verhältnis zu ihrem Körper. Wer seinen Körper besser begreift, fühlt sich weniger hilflos.

Das Gespräch führte Christian Kunst

So funktioniert der 3-D-Druck in der Medizin

Beim 3-D-Druck spritzt ein Gerät mittels Düsen flüssige Materialien nach Vorgabe des Computers auf ein Modell, das unter dem Druckkopf langsam in alle drei Dimensionen wächst. Bei der Anwendung in der Medizin werden Werkstoffe wie Titan, Kunststoff oder Keramik mithilfe von Lasern oder Infrarotlicht Schicht für Schicht verschmolzen. Da die Schichten nur Hundertstelmillimeter dick sind, ist das Verfahren äußerst präzise.

Auch komplizierte Wabenstrukturen sind möglich, die durch Bohren oder Spritzen nicht herstellbar wären. Der Bauplan ist individuell – und wird etwa nach einem Scan aus dem Computertomografen entworfen. „Die Anwendungen sind unglaublich vielfältig, auch in der Medizin“, sagt Dr. Matthias Schwabe, Leiter der Forschung an der Mainzer Uniklinik. Ersatzteile für Hörgeräte, Prothesen, ja sogar die ersten Zahnprothesen seien bereits bei Menschen im Einsatz. Irgendwann in naher Zukunft werde so ein 3-D-Drucker „in jeder Zahnarztpraxis stehen“, glaubt Schwabe.

Der Leiter des internationalen 3-D-Druck-Kongresses in Mainz, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, sieht für die neue Technik in den kommenden Jahren einen gewaltigen Markt. Der Weltmarkt für 3-D-Anlagen und zugehörige Dienstleistungen hatte 2016 nach Angaben des in der Branche beachteten „Wohlers Report“ ein Volumen von 6 Milliarden Dollar (5,4 Milliarden Euro) – Tendenz stark steigend. ck

Meistgelesene Artikel