Netzwerke – die Maschinerie hinter den YouTube-Stars

YouTube als Karrieresprungbrett? Die YouTube-Generation will nicht TV- sondern Internetstar werden. Foto: CC BY 2.0 / jonsson
YouTube als Karrieresprungbrett? Die YouTube-Generation will nicht TV- sondern Internetstar werden. Foto: CC BY 2.0 / jonsson

Jeder kann auf YouTube eigene Clips hochladen. Somit kann jeder auf YouTube berühmt werden – theoretisch. Verwackelte Amateuraufnahmen und schlecht ausgeleuchtete Kinderzimmerkonzerte machen noch keinen Internet-Star. Die berühmtesten YouTuber haben Profi-Hilfe: durch „Netzwerke“ im Hintergrund.

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„Broadcast Yourself!“ lautet der Wahlspruch von YouTube. Frei übersetzt bedeutet das: „Sende dich selbst!“ Jeder kann im Internet Film- und Fernsehmacher spielen, so die Idee. Es reichen eine Videokamera und ein Nutzerkonto, schon kann die Welt den selbstgemachten Clip sehen.

Seit einiger Zeit lässt sich allerdings eine Entwicklung beobachten: Die meistgeklickten Videos auf YouTube sind keine verwackelten Handyaufnahmen mehr, sondern HD-Videos. Es wird professionell gedreht und geschnitten, mit Musik unterlegt, synchronisiert, mit Vorspann, Abspann, Slow Motion, Stop Motion und, und, und.

Eine zügig voranschreitende Professionalisierung ist zu spüren. Verantwortlich dafür sind unter anderem Netzwerke.

Netzwerke zum Geldverdienen

In der Onlinevideo-Branche sind Netzwerke ein Zusammenschluss von YouTube-Kanälen unter einem Vermarktungs- und Verwaltungsdach. Solche Netzwerke sind hilfreich für YouTube-Künstler, die mehrere tausend Abonnenten haben und mit Werbeanzeigen Geld verdienen wollen. Ähnlich wie Fernsehsender oder Filmstudios bündeln Netzwerke unterschiedliche Inhalte, etwa Comedy, Musik oder Gaming.

Die Zusammenarbeit zwischen YouTube-Künstlern und Netzwerken funktioniert nach dem Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“.

Das Netzwerk leistet Produktionshilfe, entdeckt Talente, vermarktet zielgruppengerecht und berät in Sachen Lizenzen und Rechte. Mit dieser Unterstützung kann ein YouTube-Künstler im besten Fall seine Reichweite steigern und damit (mehr) Geld verdienen. Im Gegenzug gibt der Künstler einen Teil seiner Werbeeinnahmen an das Netzwerk ab.

„Die Ansprüche der Zuschauer sind gestiegen“, sagt Moritz Meyer, Pressesprecher von Mediakraft, einem der größten Netzwerke Deutschlands. „Die Abonnenten wollen ja professionell gemachte Videos sehen, am besten sogar täglich. Das kann man nur mit Unterstützung eines Netzwerks schaffen.“, sagt Meyer, und ergänzt: „Im schlecht ausgeleuchteten Kinderzimmer vor der Webcam sitzen und Playback singen – wenn man Glück hat, kann man damit einen viralen Hit landen. Von einem viralen Hit kann man aber nicht leben.“

Mit laienhaften Homevideos hat das nichts mehr zu tun

Das Unternehmen Mediakraft gehört mit mehr als 500 Kanälen zu den größten Netzwerken in Deutschland und erreicht insgesamt 12 Millionen Zuschauer. Das Zugpferd des Netzwerks ist das Comedy-Trio Y-Titty, der am häufigsten abonnierte deutsche YouTube-Kanal. Mit laienhaften Homevideos hat das Phänomen Y-Titty nichts mehr zu tun. „Sie sind eine richtige Unterhaltungsmarke, die mehr Reichweite hat als die „Heute Show“ beim ZDF. Auf diesem Niveau ist das Videomachen ein Fulltime-Job, der nicht endet, wenn das Video hochgeladen ist“, sagt Meyer.

Doch was ist der nächste große YouTube-Trend, nach dem Netzwerke fahnden? Moritz Meyer kann eine Tendenz erkennen: „Comedy, wie sie Y-Titty machen, läuft auf YouTube weiterhin sehr gut. Doch auch bei Infotainment-Formaten steigen die Views.“ Infotainment, das ist die Mischung aus Information und Entertainment: die Kunst, unterhaltsam Wissen zu vermitteln. Und „Views“, das sind die Aufrufe: jene Zahlen, die besagen, wie häufig ein Video gesehen wurde.

Auch das Fernsehen hat das Potenzial von YouTube und andere Videoportalen entdeckt: die Mediengruppe ProSiebenSat.1 gründete erst vor einigen Monaten ein eigenes Netzwerk – und warb gleich zwei große YouTube-Stars bei den Etablierten ab.

Aus Freizeitspaß wird hartes Geschäft

Kritiker sagen, Netzwerke seien Schuld daran, dass der ursprüngliche Charme von YouTube verloren gehe: der demokratische Aspekt, dass jeder die Möglichkeit hat, mit handgemachten Videos berühmt zu werden – so laienhaft sie auch sein mögen. Der Vorwurf: Netzwerke machen den ursprünglichen Freizeitspaß YouTube zum harten Geschäft. Das Menschliche, Fehlbare, Unperfekte werde unsichtbar, stattdessen seien die Videos auf Hochglanz poliert und würden sich von Film- und Fernsehproduktionen nicht mehr unterscheiden. Wo bleibt „Sende dich selbst“?

Meyer entgegnet darauf: „Berühmt werden ist nicht zwangläufig leichter, nur weil es Plattformen wie YouTube gibt. Online-Video ist eine Kunstform.“

Ohne Kontakte, professionelle Unterstützung und Vernetzung bleibt eben so manche Kunst brotlos – so talentiert der Künstler auch sein mag.

Von unserer Mitarbeiterin Anna Aridzanjan