Forscherin im Interview: Warum es uns schwerfällt, Games ernst zu nehmen

Computerspiele gelten vielen als unnötiger Zeitvertreib, aber auf keinen Fall als Kunst. Denise Gühnemann, von Haus aus Literaturwissenschaftlerin, sieht das anders. Sie forscht zum Thema Medienwelten und sagt: Unser überhöhter Kunstbegriff steht uns im Weg.

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Frau Gühnemann, direkte Frage: Sind Games Kunst?

Wenn Sie die Frage so stellen, muss man erst mal Nein sagen. Nicht per se, aber sie können Kunst sein. Im ersten Moment sind sie Design, weil sie eine Funktion haben. Es gibt ein Produkt, das eine Funktion hat. In dem Moment, in dem sich die Games dessen entledigen, können sie Kunst werden. Der Kunstbegriff ist problematisch und wird auch schon mal überhöht. Bei Kunst, die einem nicht gefällt, wird oft bezweifelt, ob das überhaupt Kunst ist.

Welchen Kunstbegriff sollte man sinnvoll zugrunde legen?

Wenn man wie bei Musik davon ausgeht, dass es ein schöpferischer Akt ist, dass bestimmte Techniken angewendet werden, dann ist der Kunstbegriff auch besser handelbar. Games sind ein kreativer Prozess, die Gamesbranche verortet sich auch als Teil der Kreativwirtschaft. Viele Gamedesigner haben auch ein künstlerisches Selbstverständnis.

Anderen Nationen fällt der Schritt, Computerspiele als Kunst zu akzeptieren, leichter. Warum?

Ich denke, viele sehen nur das Business. Je mehr etwas diesen Charakter hat, desto weniger ist es für uns als Kunst begreifbar. Bei Megakonzernen wie Ubisoft oder EA geht es um Kommerz. Die werben groß und sind sichtbar. Wenn man häufiger sähe, dass es viele Games gibt, die sich weniger als Produkt verstehen, dann könnte man das eher annehmen. Das hängt auch davon ab, wie sich die Games nach außen hin präsentieren.

Wie kommen wir aus dieser Mühle?

Es gibt schon gute Ansätze. Kleine Firmen tun sich zusammen und präsentieren sich auf Messen wie der Gamescom. Der deutsche Kulturrat spricht sehr positiv über die Gamerszene.

Der Deutsche Kulturrat hat Computerspiele 2008 als Kulturgut anerkannt. Warum erst 2008?

Das ist eine schwierige Frage. Ich frage mich, ob das nicht auch mit einem Effizienzgedanken zusammenhängt. Spielen soll ja immer dieses Zeitvertrödeln sein. Damit haben Leute ein Problem. Und es gibt komische Debatten darüber, wie man Zeit sinnvoll nutzt. Müßiggang gibt doch Raum, Ideen zu entwickeln.

Auf welchen Ebenen kann sich Kunst im Spiel zeigen?

Ach, da gibt es viel. Bei „Resident Evil“ hat der Kunsthistoriker Thomas Hensel eine tolle Bild-Abbild-Metapher gefunden. Das ist sehr versteckt im Spiel. Auch können sich Spiele der Elemente, die sie zum Spiel machen, zum Beispiel eines Ziels, entledigen und sich reflektieren oder auch die vierte Wand durchbrechen. Das ist spannend und auf jeden Fall Kunst.

Das Interview führte Marta Fröhlich