Entscheidung für Leib und Leben: Mendigs Bürgermeister verteidigt den Abbruch von Rock am Ring

Es ist noch einiges Abzutragen: Nach dem Abbruch von Rock am Ring tobt der Streit um die Verhältnismäßigkeit.
Es ist noch einiges Abzutragen: Nach dem Abbruch von Rock am Ring tobt der Streit um die Verhältnismäßigkeit. Foto: Kevin Rühle

Sicherheit geht vor! Im Gespräch mit unserer Zeitung verteidigt Jörg Lempertz, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Mendig, den Abbruch von Rock am Ring. Gleichzeitig fordert er andere Entscheidungsstrukturen.

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Herr Lempertz, hat es zu lange gedauert, bis Rock am Ring abgebrochen wurde?

Das hat überhaupt nicht lange gedauert. Wir hatten Samstag um 13.45 Uhr die Besprechung mit Sicherheitsbehörden, Innenminister und Veranstalter. Dabei haben wir wegen der Wetterwarnungen festgelegt, dass der Konzertbereich vorerst nicht freigegeben wird. Gleichzeitig hatten wir angekündigt, dass voraussichtlich keine Genehmigung für Sonntag erteilt wird.

Und warum ging es dann am Samstag noch einmal weiter? Um Zeit zu gewinnen, die Abreise zu organisieren?

Zum einen muss man die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren, zum anderen müssen die Sicherheitsexperten sagen, was die richtige Vorgehensweise ist. Das ist alles mit eingeflossen. Und aufgrund der Wetterdaten war eine Wiedereröffnung für das Abendprogramm gefahrlos möglich.

Wie hart wurde hinter den Kulissen gestritten?

In Sachen Unterbrechung am Samstag lief alles mit allen Beteiligten weitestgehend einvernehmlich.

Und in Sachen Abbruch? Standen Sie nicht zwischen den Fronten von Veranstalter und Innenminister?

Der Weg ist anders. Nach der Sicherheitskonzeption hat der Veranstalter erstverantwortlich zu entscheiden, wie bei Unwetterlagen vorgegangen wird, unter Einbeziehung des Krisenstabes.

Aber der wollte nicht abbrechen.

Die erste Entscheidung liegt beim Festivalleiter, sofern keine behördliche Anordnung erfolgt. Liegt eine Gefahrenlage vor und der Festivalleiter zieht keine Konsequenz daraus, muss die Behörde Anordnungen treffen. Davon haben wir nachts Gebrauch gemacht. Die Wetterprognose für Sonntag, die uns am Samstag gegen 23.45 Uhr erreichte war: Unwetter mit Gewitter, Sturmböen, Hagel und Starkregen. Wir sind mit der Info zum Veranstalter und haben ihn aufgefordert, die Veranstaltung nach dem Spielbetrieb des Samstagabends zu beenden und das Veranstaltungsgelände bis Sonntag, 12 Uhr geordnet, zu leeren.

Ist die VG die richtige Ebene, solche Extremsituationen zu händeln?

Wir haben super leistungsfähige Mitarbeiter und sehr kurze Entscheidungswege – deswegen können wir einen solchen Kraftakt mit viel Herzblut und Sachverstand stemmen. Aber: Grundsätzlich hat der Innenminister recht. Es kann nicht sein, dass die Schlussentscheidung über einen Abbruch bei der örtlichen Verwaltungsebene liegt. Da muss eine andere gesetzliche Regelung mit einer anderen Letztverantwortlichkeit her.

Was wäre die richtige Ebene?

In meinen Augen wäre dafür die fachlich geeignete Behörde das Innenministerium, dem auch die Sicherheitskräfte weisungsgebunden unterstehen. Dort kann sicher hervorragend und schnell reagiert werden, da die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu deren Tagesgeschäft gehört. In diesem Jahr haben wir es alleine anordnen und vollziehen müssen.

Lieberberg übt nun scharfe Kritik an den Behörden und bekennt sich nicht mehr klar zum Standort Mendig.

Ich habe die Aufgabe, wenn andere nicht handeln, die dafür primär zuständig sind, und auch sonst niemand eingreift, den Schutz sicherzustellen und Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Ich stehe zu 100 Prozent zu der Entscheidung, die wir treffen mussten. Wenn ich die Schwere der Verantwortung mit meinem Team alleine schultern muss, ist in Gefahrenlagen immer der Sicherheit der Vorrang zu geben.

Habe Sie Sorge, dass das letzte Rock am Ring in Mendig war?

Das ist eine Entscheidung des Veranstalters. Wenn er das von unserem Verhalten in der Sicherheitsfrage abhängig macht, dann muss er einen Veranstaltungsort finden, der in der Situation anders reagiert. Ich weiß nicht, ob es den gibt.

Sie haben damals gekämpft, um Rock am Ring nach Mendig zu holen. Würden Sie das wieder tun?

Ja – unbedingt.

Können Sie Menschen in der Region verstehen, die sich fragen, was sie davon haben – wirtschaftlich?

Im Bereich der Gäste- und Übernachtungszahlen haben wir enorme Steigerungen, in der ganzen Region. Es gibt viele Aufträge für Firmen in der VG, von Schreiner bis zu Landwirten, von Caterern bis zu Planungsbüros. Der Marketingwert ist für unschätzbar groß. Unsere touristische Vermarktungsfähigkeit wird enorm gesteigert.

Können Sie als Promoter von Rock am Ring in Mendig bei solchen Lagen noch unbefangen entscheiden?

Absolut! Das hat der Samstagabend bewiesen, als wir den Abbruch angeordnet haben. Das haben wir konsequent durchgezogen.

Das Gespräch führten Peter Burger und Markus Kuhlen