Deutschlands jüngster Sternekoch: Entscheidend ist aufm Teller

Blick in Philipp Steins Küche: Gäste des Favorite Restaurants in Mainz können dem Spitzenkoch und seiner Crew bei der Arbeit zusehen.
Blick in Philipp Steins Küche: Gäste des Favorite Restaurants in Mainz können dem Spitzenkoch und seiner Crew bei der Arbeit zusehen. Foto: frei

So jung wie Philipp Stein hat sich in Deutschland noch keiner einen Michelinstern erkocht. Zu Kopf gestiegen ist dem heimatverbundenen Mainzer das nicht. Liegt vielleicht auch daran, dass in der Spitzenküche eher Marathon – als Superstarqualitäten gefragt sind.

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Gekonnt dahingetupft: In Philipp Steins Herbstgemälde bildet Selleriecreme ein fluffiges Bett für zwei Hirschmedaillons. Erbsensprossen und der eingelegte Kürbis hellen als Farbkleckse die Stimmung auf.

Nicole Mieding

Süße Verführung: Zum Kaffee wird diese essbare Landschaft gereicht.

Nicole Mieding

Eingelegte Köstlichkeiten, in Gläschen portioniert. Lecker.

Nicole Mieding

Gute Vorbereitung sichert am Abend das Überleben.

Nicole Mieding

Küchenfertig: Kasserolen mit verschiedenen Soßen.

Nicole Mieding

Nur auf Bestellung: gefüllte Gans.

Nicole Mieding

Gemächlich köchelt ein Fond vor sich hin – die Basis für jede gute Soße.

Nicole Mieding

Petersilienblätter zur Garnitur – mit einem Tropfen Öl in der Mikrowelle frittiert.

Nicole Mieding

Philipp Stein beim Anrichten...

Nicole Mieding

...seines rosa gebratenen Hirschfilets auf Selleriecreme, eingelegtem Kürbis, Steinpilzen und einer winterlichen Gewürzjus.

Nicole Mieding

Von unserer Redakteurin Nicole Mieding

Philipp Steins Platz ist die hinterste Ecke. Fischposten, gleich neben dem Pass, der aussieht wie eine zu kurz geratene Autobahnauffahrt. „Hier ist alles ziemlich eng“, sagt Stein entschuldigend und zuckt mit den Schultern. Begrenzter Raum hält ihn jedenfalls nicht ab, sich in seiner Küche kreativ auszuleben. Zudem gibt's gerade Platz, die meisten Mitarbeiter machen Mittagspause. Was unter Profis heißt, dass ein Kochkollege die Bestände in den gekühlten Edelstahlschubladen prüft, die Patissière an einer essbaren Landschaft aus Moos, Steinen und Petit Fours, die als süße Überraschung zum Kaffee gereicht wird, letzte Hand anlegt.

Ein Spüler sammelt Töpfe und Pfannen ein, damit der Service am Abend geräuschlos ablaufen kann. Kommentarlos bringt jemand eine mit Zwiebeln, Orangen und Beifuß gefüllte Gans aus dem Keller, die für den Abend bestellt ist und gleich in den Ofen muss. „Die ist schlecht gerupft“, moniert der Küchenchef, holt eine Pinzette und zupft einen übersehenen Kiel aus dem nackten Federvieh. Küchenchef sein heißt, dass es am Abend zuvor spät war und man tags drauf trotzdem kein Detail übersieht.

Fünf Köche und ein Auszubildender

Philipp Stein ist seit zwei Jahren „Chef de Cuisine“ des Favorite Parkhotels in Mainz und arbeitet dort mit fünf Köchen und einem Auszubildenden auf Spitzenniveau. Schon im Antrittsjahr hat der „Guide Michelin“ den damals 24-Jährigen mit einem Stern ausgezeichnet. Seitdem heißt er in der Presse nur „Deutschlands jüngster Sternekoch“. Wenn Stein das liest, lächelt er kurz und arbeitet weiter.

Auch im November, dem Monat, in dem es traditionell Sterne vom Gastronomiehimmel regnet. Weil mit Martinsgans- und Weihnachtsessen der hektische Jahresendspurt ansteht. Da hilft es, wenn das eigene Bett nur zwei Kilometer weiter steht. Meist ist es leer, genau wie der heimische Kühlschrank. „Da liegt nur ein bisschen Käse drin, der hält“, sagt Stein. Arbeiten in der gehobenen Gastronomie ist wie ein Marathon, der nie zu Ende geht.

Das Gastgebertum liegt dem sympathisch bodenständigen Mainzer in den Genen. „Stein's Traube“ im Stadtteil Finthen gibt es schon seit 110 Jahren. Seit Generationen zählte sie zum landwirtschaftlichen Mischbetrieb der Familie, Opa Reinhold hat sich schließlich auf die Rolle des Gastwirts konzentriert. Vater Peter gelang es, die Kneipe zum Restaurant hochzukochen. An seinem Herd wurde Stein junior groß – und kam nie auf eine andere Idee als die, Koch zu werden. Irgendwann will er zurück nach Hause, „die Tradition weiterführen“.

Eigenes Süppchen rühren

Zum Glück denkt der Vater noch nicht daran, den heiß geliebten Kochlöffel abzulegen. Da bleibt dem Sohn Zeit, sein eigenes Süppchen zu rühren und sich weiter auf der Erfolgsspur zu etablieren. Die Zeichen dafür stehen gut: Kritikerbewertungen, Gästezahlen, Umsatz – überall geht's nach oben. Stillstand ist Rückschritt, findet Stein, der sich auch mit Lust um den Gästenachwuchs bemüht. Fünfmal im Jahr gibt's ein Rundum-sorglos-Paket für kulinarisch Interessierte zum Fixpreis von 77 Euro: vier Gänge, Getränke und Küchenparty sind inklusive („Favorite Young Line“, nächster Termin am 27. November).

Für Menschen ohne Schwellenangst steht am 2. November die Trüffelgala mit dem befreundeten Spitzenkoch Jörg Sackmann an. Dafür haben Stein und Sachmann sich ein sechsgängiges Menü mit Trüffeln ausgedacht. Bloß im Dessert steckt nichts vom teuren Knollenpilz. „Könnte man natürlich machen“, sagt Stein. „Ist aber Unsinn.“ Genauso wie zu viel Exotik oder Chichi auf dem Teller, findet er: „Im Prinzip kannst du ein gutes Gericht auch mit dem großen Löffel durchrühren, und das Ergebnis schmeckt.“

Philipp Stein
Philipp Stein
Foto: frei


Zur Person: Philipp Stein

Beruf: Koch

Küchenstil: klassisch-geradlinig ohne viel Schnickschnack

Lieblingsessen: gern Rustikales wie Schnitzel oder Roulade

Hobbys: Essen gehen


Adresse:

Favorite Parkhotel Mainz,

Karl-Weiser Str. 1,

55131 Mainz,

Tel. 06131/801 50,

Fax 801 54 20

E-Mail: gastronomie@favorite-mainz.de


Öffnungszeiten:

Mittwoch bis Samstag 12–14.30 Uhr und 19–21.30 Uhr,

Sonntag 12–14.30 Uhr und 18–21.30 Uhr

Internet:

www.favorite-mainz.de


Stationen:

Ausbildung im Atrium Hotel Mainz

„Maus im Mollers“ im Staatstheater Mainz

„Ente“ im Nassauer Hof Wiesbaden

„Dieter Müller Restaurant“ an Bord der „MS Europa“

Waldhotel Sonnora in Dreis

seit 2013 Küchenchef im Favorite Restaurant Mainz


Auszeichnungen:

1 Stern im „Guide Michelin“,

16 Punkte im „Gault Millau“,

Aufsteiger des Jahres 2014 und 3 Fs im „Feinschmecker“