Florence/Winchester

Zerrissenes Land sehnt sich nach Versöhnung

Eigentlich will Charles Jeffcoat gar nicht über Politik sprechen. Doch als der Professor an der Francis-Marion-Universität in Florence (South Carolina) gefragt wird, ob er ein Konservativer sei, da bricht er sein Schweigen: „All diese Begriffe sind so vergiftet.“

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Florence/Winchester. Eigentlich will Charles Jeffcoat gar nicht über Politik sprechen. Doch als der Professor an der Francis-Marion-Universität in Florence (South Carolina) gefragt wird, ob er ein Konservativer sei, da bricht er sein Schweigen: „All diese Begriffe sind so vergiftet.“ Der 42-Jährige, der heute Mitt Romney seine Stimme geben wird, fühlt sich durch die starke politische Polarisierung zwischen Republikanern und Demokraten in die Ecke gedrängt.

„Ja, ich bin sehr beeindruckt von der Tea Party. Sie symbolisiert für mich das, woraus dieses Land aufgebaut wurde. Es ist eine Graswurzelrevolution.“ Doch deshalb sieht sich Jeffcoat nicht am rechten Rand. Anders als viele andere Amerikaner hat er die Welt bereist, ist oft in Deutschland, weil er dort Verwandte hat. Wer mit ihm spricht, der bekommt den Eindruck eines weltoffenen und liberalen Menschen. „Ich schätze die Occupy-Wallstreet-Bewegung. Ich mag die Energie, die diese Menschen haben.“ Doch tatsächlich trennen die kapitalismuskritische Bewegung und den Romney-Anhänger Welten: „Du musst nur hart arbeiten, dann kannst du in diesem Land alles werden“, betet Jeffcoat die Grundphilosophie Romneys, aber auch vieler Amerikaner wieder.

Die vielen illegalen Einwanderer in den USA bereiten ihm Sorgen. Dass Präsident Barack Obama ihnen jetzt die Staatsbürgerschaft geben will, hält er für falsch: „Diese Menschen haben schon einmal das Gesetz gebrochen. Wer sagt mir, dass sie es nicht wieder tun werden?“ Im gleichen Atemzug betont er, dass er für religiöse und ethnische Vielfalt ist und dass er daher auch nichts gegen einen Mormonen als Präsidenten hat.

Wenn Jeffcoat über die USA spricht, fällt oft das Wort „Gemeinschaft“. Er glaubt, dass in seinem Land zunehmend das Bewusstsein verloren geht, „dass die Menschen sich um den anderen sorgen“. Es ist die Grundangst der schwindenden weißen Mittelschicht, die oft tief religiös verankert ist. Jeffcoat wird Romney wählen. Doch eigentlich wünscht er sich, wie in Deutschland zwischen mehreren Kandidaten wählen zu können.

Als Karen Kennedy Schultz vor fünf Jahren als Senatorin für den 27. Wahldistrikt in Virginia antrat, da glaubten viele nicht, dass sie eine Demokratin ist. „Ich galt als eine Frau des Glaubens, war sehr aktiv in der Gemeinschaft und habe mit Kindern gearbeitet“, sagt die Professorin von der Shendendoah-Universität in Winchester. Hinzu kam ihre Biografie: Sie stammt aus dem tief republikanischen Texas, wuchs in Washington D.C. als Tochter eines Öl-Lobbyisten auf. So verwundert es nicht, dass sich im Landkreis Loudoun, einem der bei dieser Präsidentschaftswahl umkämpftesten Stimmbezirke, die Republikaner für sie einsetzten. Doch es half nichts: Am Ende verlor sie mit 600 Stimmen gegen Jill Vogel, eine streng konservative Republikanerin, die Abtreibung strikt ablehnt.

Bis heute sitzt der Stachel dieser Niederlage bei der Demokratin tief. Sie hat die Polarisierung in ihrem Land satt – wie immer mehr Amerikaner. Das verbindet sie mit Charles Jeffcoat. Doch zugleich sind ihre Weltanschauungen so fundamental verschieden. Kennedy Schultz ist eine liberale Obama-Anhängerin, setzt sich für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern ein und für Abtreibung. Ist die von der großen Politik vorangetriebene Polarisierung also nicht auch Teil der Realität in den USA? Karen Kennedy Schultz sagt: „Als ich in Washington aufwuchs, haben Republikaner und Demokraten noch zusammengearbeitet. Es war eine bessere Zeit.“

Von unserem Redakteur Christian Kunst