Mainz

Wohnungsnot in Mainz: Reich verdrängt Arm

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Die Einkommensschere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander – auch in Mainz. Doch der Wohnungsmarkt ist auf diese Anforderung nicht vorbereitet.

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Mainz – Die Einkommensschere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander – auch in Mainz.

Doch der Wohnungsmarkt ist auf diese Anforderung nicht vorbereitet: Zu diesem Schluss kommt das Forschungsinstitut Empirica in einer aktuellen Analyse. Demnach fehlen in Mainz sowohl Luxuswohnungen für gut Betuchte als auch günstige oder Sozialwohnungen für Großfamilien und Kleinrentner.

Der Wohnungsmangel verschäft die sozialen Gegensätze in der Stadt, warnen die Forscher. Beispielsweise interessieren sich gut verdienende Paare und Familien für große Stadtwohnungen von 100 Quadratmeter aufwärts, sie können sie sich auch leisten. Von diesem Wohnungstyp gibt es jedoch zu wenige. Großfamilien mit wenig Geld brauchen auch dringend vier oder fünf Zimmer, suchen aber oft vergeblich.

„Verdrängungsprozesse nehmen zu“, folgern die Forscher. „Es besteht die Gefahr, dass ganze Quartiere zu Aufsteiger- oder Absteigerquartieren werden“, weil untere Einkommen durch teure Sanierungen aus immer teurer werdenden Quartieren verdrängt werden. Das zeige eine Analyse der Umzüge: „In so genannten Aufwertungsquartieren werden Familien und vor allem Alleinerziehende verdrängt. Sie müssen an den Stadtrand oder ins Umland abwandern. “

Aufsteiger und Absteiger

Aufsteigerquartiere sind nach dem Empirica-Befund beispielsweise der Volkspark oder das Schlossviertel, wo derzeit in der Diether-von-Isenburg-Straße ein weiterer hochwertiger Wohnkomplex entsteht. Zu den Absteigerquartiere zählen das Industrieviertel im Norden der Stadt, der Taubertsberg-Bezirk mit der Hang-Bebauung an der Mombacher Straße (das sogenannte Klein-Paris) sowie das „Berliner Viertel“ in der Oberstadt.

Auf- und Absteigerquartiere liegen mitunter nah beieinander. Etwa in Gonsenheim, wo die Hochhaussiedlung Elsa-Brändström-Straße an das Villenviertel Kapellenstraße angrenzt. In Lerchenberg herrscht ein soziales und Einkommensgefälle zwischen den Einfamilienhaus-Quartieren im Norden und Süden und der Wohnblocksiedlung Gustav-Mahler-Straße mit ihrem relativ raschem Mieterwechsel und einem überdurchschnittlichen Anteil an Zuwandererfamilien.

Damit nicht genug. Die Forscher, die kürzlich die neue Sozialraumanalyse für Mainz vorgelegt haben, sehen eine Verschärfung durch den demografischen Wandel, der immer mehr alte Menschen mit wenig Geld allein zurücklässt. Arme Senioren und Großfamilien mit wenig Geld „werden es immer schwerer haben als andere, eine angemessene Wohnung zu finden“.

Wo und wie können in Mainz überhaupt noch günstige Wohnungen entstehen? Die Hoffnungen des Sozialdezernenten Kurt Merkator (SPD) ruhen auf der zusätzlichen Bebauung in der Martin-Luther-King-Siedlung, was bei heutigen Bewohnern auf Kritik stößt. Die Wohnbau könnte dort „50 Wohnungen bauen, dafür Fördermittel erhalten, die Sozialmieten aber in ganz anderen Stadtvierteln realisieren“, so Merkator. Dank einer Gesetzesänderung sei dies seit Jahresbeginn möglich. Sollte indes im MLK-Park erneut umgeplant werden müssen, verzögere sich das Projekt wieder um ein Jahr.

Merkator fände es auch hilfreich, wenn es wieder eine Wohnungsbörse gäbe. Sie könnte etwa allein lebende Senioren bei der Teilung zu groß gewordener Wohnungen beraten. Oder Senioren in kleine Wohnungen im vertrauten Umfeld vermitteln, damit größere Wohnungen frei werden. Die städtische Wohnungsbörse wurde 2008 aus Kostengründen abgeschafft. Eine Neuauflage wäre nur mit Hilfe eines einem freien Trägers möglich.

Kasernengelände als Zukunftsmusik

Für Wohnbau-Geschäftsführer Thomas Will ist der soziale Wohnungsbau bei weitem nicht das einzige Instrument, den Mangel an günstigen Wohnungen zu entschärfen. „Nicht jeder Sozialwohnberechtigte braucht eine sozial geförderte Wohnung.“ Über den Grundstückspreis ließen sich Investitions- und Mietkosten deutlich senken. „Wenn die Stadt im Zuge der Konversion große Quartiere in die Hand bekommt, könnte man per Satzung regeln, dass die Wohnbau bestimmte Grundstücke kostengünstig erhält. Dann können wir günstiger vermieten.“ Will denkt dabei an die beiden großen Kasernengelände in der Oberstadt. Für die zehn Hektar umfassende Gfz-Kaserne an der Freiligrathstraße mit 250 Wohneinheiten liegen die Pläne seit 2003 in der Schublade. Doch ihre Umsetzung ist wieder in weite Ferne gerückt, seit der Bund die Freigabe auf frühestens 2019 verschoben hat. Für die mit 12,7 Hektar noch größere Kurmainzkaserne, wo 320 Wohnungen entstehen könnten, ist noch gar kein Freigabezeitpunkt bekannt.

Die Forscher warnen nicht nur vor einem Mangel im günstigen Segment. Durch den demografischen Wandel würden auf lange Sicht auch Wohnungen leer stehen. „Dann werden nur noch Wohnungen bewohnt, die den Ansprüchen der Nachfrager am besten gerecht werden.“ Bauherren sollten also auf Qualität setzen, Häuser und Wohnungen auf die Bedürfnisse von Familien zuschneiden und mit Blick auf das Altern der Bevölkerung Wert auf Barrierefreiheit legen. Claudia Renner