Alzey/Mainz

Wie stichhaltig sind die beiden Geständnisse?

Spurensicherung am Tatort.
Spurensicherung am Tatort. Foto: Jürgen Mahnke

Zwei Geständnisse hat die 1. Mainzer Strafkammer im Alzeyer Totschlagsprozess. Wie stichhaltig die Aussagen sind, muss aber nun das Landgericht ergründen. Es gibt einige Ungereimtheiten.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Alzey/Mainz – Zwei Geständnisse hat die 1. Mainzer Strafkammer im Alzeyer Totschlagsprozess. Doch wie stichhaltig sind die Aussagen der beiden Angeklagten?

Dies zu ergründen, ist laut dem Vorsitzenden Richter Hans E. Lorenz nun die Aufgabe des Landgerichts. Keine leichte Aufgabe, denn Ungereimtheiten gibt es einige.

Da sind vor allem die Befunde des Rechtsmediziners Thomas Riepert. Er zählte gestern 16 Stichverletzungen im Oberkörper und im Hals des Opfers auf, mindestens eine war 20 Zentimeter tief. Gleich mehrere waren tödlich: Einer ging durchs Herz, andere durchdrangen Drosselvene und Halsschlagader. Doch damit nicht genug: Fünf sogenannte „halbscharfe“ Verletzungen, die mit einem Schraubenzieher zugefügt worden sein könnten, hat der Mediziner im Mundbereich gefunden. Dazu kommen schließlich noch 13 oberflächliche Verletzungen im Gesicht.

Die tiefen Verletzungen und die oberflächlichen lassen sich zwar noch mit der Aussage des 31 Jahre alten Angeklagten in Einklang bringen. Er hatte ausgesagt, dass er sein Opfer mit einem großen Messer angegriffen habe und dass er, nachdem die Klinge abgebrochen sei, nur noch mit dem Griff auf das Opfer eingeschlagen habe. Doch woher kommen die „halbscharfen“ dreieckigen Wunden im Mund? Der Angeklagte hatte behauptet, nur ein Messer benutzt zu haben. Zu einer Messerklinge passen aber die „halbscharfen“ Verletzungen nicht. Und es gibt noch weitere Probleme: Der beidhändige Angeklagte will nur mit der rechten Hand zugestochen haben. Dagegen spreche aber die Anordnung der Wunden auf der rechten Körperhälfte des Opfers: „Das Verletzungsbild passt besser zu einem Linkshänder.“

Weiterhin hatte der ältere der beiden Angeklagten – wie bereits berichtet – ausgesagt, dass er von seinem Bruder telefonisch um Hilfe gebeten wurde, weil der später Erstochene ihn bedrohe. Daraufhin will der 31-Jährige in der Nacht des 9. Augusts 2011 mit einer „Handvoll Messer“ in die Wilhelmstraße geeilt sein. Dort will er sein Opfer in einem harten Kampf getötet haben. Bei einer medizinischen Untersuchung konnten jedoch keine Kampfspuren an den Körpern der beiden Angeklagten ausgemacht werden.

Da eine Wunde im Rücken des Opfers ist, ist es zumindest denkbar, dass das Opfer zuerst von hinten angegriffen wurde. Dann wäre es wohl zu keinem richtigen Kampf mehr gekommen. Nur drei Stiche scheinen laut Riepert in einem Gerangel versetzt worden sein. Die Wunden im Hals und am Kopf wurden dagegen erst zugefügt, als das Opfer bereits wehrlos am Boden lag. Denkbar ist auch, dass der jüngere der beiden Brüder, der nach der Tat gehumpelt haben soll, zugestochen hat, und dass ihn sein großer Bruder schützen will. Beweise gibt es allerdings nicht. Aufklärung könnte vielleicht die Tatwaffe geben. Doch die ist noch nicht gefunden. Ein Grillplatz in Framersheim, wo die Waffe versteckt sein soll, soll nun „umgegraben“ werden. Heiko Beckert