Verflossenes Vertrauen: Schaden Diesel-Updates dem Auto?

Eine junge Familie erlebt mit ihrem Auto im Urlaub einen Schadensfall und misstraut seitdem der neuen Software in ihrem Audi – Auch Experten sind sich nicht sicher
Eine junge Familie erlebt mit ihrem Auto im Urlaub einen Schadensfall und misstraut seitdem der neuen Software in ihrem Audi – Auch Experten sind sich nicht sicher Foto: nexusseven - sto

Die Updates für Dieselautos sollten keine Auswirkungen auf die Motorleistung, den Verbrauch oder die Lebensdauer der Autos haben – so versicherten es die Autobauer, zuletzt beim Dieselgipfel. Aber was heißt das schon? Der Auto Club Europa betont, dass die Hersteller keine explizite Garantie gegeben haben, dass negative Folgen eines Updates ausbleiben. Und dann sind da Berichte von Autofahrern, die ganz andere Erfahrungen mit ihren Updates machen. Eines vornweg: Bewiesen scheint bislang nichts zu sein. Und alle, die was von Autos verstehen, reden in vorsichtigen Sätzen. Das Thema ist heikel, die Erkenntnisse über die Auswirkungen der Updates bislang eher vage. Eine Annäherung:

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Bereits auf dem Weg ins Urlaubsziel merkten Sonja Krissel und ihr Lebensgefährte, dass mit ihrem Audi etwas nicht stimmt. „Im Bereich zwischen 80 und 100 km/h stockte das Auto, es war, als wäre da ein Leistungsloch“, beschreibt die 33-Jährige die ersten Symptome. Die Familie wollte nach Kempten im Allgäu – fast 500 Kilometer von Koblenz entfernt. „Es wurde auf der Fahrt immer schlimmer. Am Ende waren wir froh, überhaupt angekommen zu sein“, erzählt Sonja Krissel. Abends fuhr die Familie noch in ein Restaurant. Dann wurde ihr der Leistungsabfall bei ihrem Audi A4 derart unheimlich, dass sie den ADAC zur Hilfe rief. „Der Mann vom ADAC fragte direkt, ob wir ein Software-Update wegen des Dieselskandals bekommen haben“, erzählt Krissel. Tatsächlich war die junge Familie bereits im Mai 2016 in der Werkstatt, wo das Auto während einer Routineinspektion die neue Software bekam. „Der ADAC-Mann vermutete auf Anhieb, dass das Abgasrückführventil kaputt ist, und so war es dann auch“, sagt Krissel.

Die Sache mit dem Abgasrückführventil ist knifflig, das wird schnell klar, wenn man jemanden fragt, der sich damit auskennt. Wolfgang Gaida ist so jemand, er ist Fahrzeugtechniker beim ADAC Mittelrhein in Koblenz. Bevor Gaida auf den Dieselskandal zu sprechen kommt, ist es ihm wichtig zu betonen, dass ein Abgasrückführventil ohnehin gern mal kaputtgeht – schon immer, bei Benzinern wie bei Dieseln, unabhängig vom Hersteller, meistens, sagt Gaida, wenn die Autos 80.000 bis 100.000 Kilometer Laufleistung hinter sich haben. „Autos, mit denen oft nur kurze Strecken gefahren werden, sind schneller betroffen als solche, mit denen vorwiegend lange Strecken gefahren werden“, sagt der Experte. Das ist das eine. Das andere ist, dass beim ADAC Mittelrhein laut Gaida durchaus immer wieder Mitglieder anrufen, die nach einem Update über einen höheren Kraftstoffverbrauch klagen oder über weniger Motorleistung und besorgt fragen, ob ihr Auto jetzt schneller kaputtgeht. Nur: bewiesen ist auch damit noch nichts. Diese Feststellung ist auch dem ADAC Mittelrhein wichtig.

Laut Gaida leitet das Abgasrückführventil Abgase noch einmal in den Verbrennungsraum im Motor, damit dort die Stickoxide weiter reduziert werden können. Dabei werden aber auch Stoffe verfestigt, wie der Fahrzeugtechniker erklärt. Diese Ablagerungen sind es, die dem Abgasrückführventil nicht guttun, es mit der Zeit sogar verstopfen – wie beim Audi von Sonja Krissel. Unklar ist aber, ob durch das Update für das Auto von Sonja Krissel nur der Teil ersetzt wurde, mit dem VW bei den Abgaswerten geschummelt hat oder ob es weitere Veränderungen beinhaltete – etwa, um die Abgaswerte weiter zu senken.

Jörn Getzlaff, Professor für Antriebstechnik und Fahrzeugkonzepte an der Westsächsischen Hochschule Zwickau, geht davon aus, dass „zur Erreichung niedriger Stickoxidemissionen die Abgasrückführrate erhöht wird“, schreibt der frühere Professor für Verbrennungsmotoren auf eine Anfrag unserer Zeitung. Allerdings betont auch dieser Experte, dass daraus nicht automatisch auf eine höhere „Versottungs- oder Ausfallwahrscheinlichkeit der abgasführenden Bauteile“ geschlossen werden kann. Denn nicht nur die Menge des Abgases, sondern auch dessen Zusammensetzung spielen eine Rolle: „Zu nennen sind hier der Wasser- und der Ölanteil im Abgas, die entscheidend von der Betriebsweise (Kurzstreckenbetrieb) und dem Verschleißzustand des Motors abhängen.“ Es kann also theoretisch auch sein, dass der Audi von Sonja Krissel auch ohne Update kaputtgegangen wäre.

Prof. Getzlaff sieht die massenhaften Updates im Zug des Dieselskandals trotzdem kritisch, weil Autos unterschiedlicher Modellserien, Alter und Gebrauchszuständen mit dem gleichen Update versorgt werden. Laut Prof. Getzlaff entwickelt ein Autohersteller Antriebe und deren Software normalerweise in einem jahrelangen Prozess. Anschließend würden die in einer Serie auftretenden Probleme analysiert und das Auto später fortlaufend verbessert. „Nun erhalten die Fahrzeuge vollkommen unabhängig davon, ob sie schon acht Jahre alt sind und 250.000 Kilometer im Handwerkereinsatz hinter sich haben, das gleiche Update wie ein vergleichsweise junges, gepflegtes Fahrzeug, welches nur gelegentlich zu materialschonenden Urlaubsfahrten eingesetzt wird.“ Der Zwickauer Professor geht aber davon aus, dass der VW-Konzern die Auswirkungen der Updates und die Statistiken zu Ausfällen von Bauteilen genau beobachten wird.

Sonja Krissels Audi musste im Urlaub in ein Audi-Zentrum, um repariert zu werden. Immerhin: Die Kosten übernahm Audi auf Kulanz. Geärgert hat sich Krissel aber trotzdem, denn die Familie musste drei Tage lang ohne Auto auskommen, und einen Leihwagen gab es von Audi nicht. Ihren Diesel will die Familie nun verkaufen. „Wir hatten Angst, auf der Autobahn mit dem Auto liegen zu bleiben. Mit einem einjährigen Kind ist das nicht lustig“, sagt die junge Mutter. Dafür nimmt sie auch in Kauf, dass sie für ihr Auto jetzt vielleicht weniger Geld bekommt, als sie vor dem Dieselskandal bekommen hätte. „Wir können seit dem Vorfall nicht mehr mit Ruhe fahren. Ständig hört man auf den Motor und macht sich Gedanken“, erklärt Krissel. Das nächste Auto, steht für sie und ihren Partner fest, wird ein Benziner.

Stefan Hantzschmann