Frankfurt/Main

Sicherheit an Flughäfen: Komplette Kontrollen schwer vorstellbar

Können Einlasskontrollen an 
Flughäfen Attentate verhindern?
Können Einlasskontrollen an Flughäfen Attentate verhindern? Foto: dpa

Die Anschläge von Brüssel werfen erneut Fragen zur Sicherheit im Luftverkehr und speziell an den Flughäfen auf. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden die Kontrollen von Passagieren und Gepäck zwar enorm verschärft, sie richteten sich aber meist auf den Schutz des Flugbetriebs. Die Terroristen von Brüssel haben vor den Sicherheitsschleusen zugeschlagen, in der mit vielen Menschen gefüllten Terminalhalle ihre todbringenden Sprengsätze gezündet. Sie mussten dafür keine Sicherheitskontrolle passieren.

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Von Agatha Mazur und Christian Ebner

Sollten nach den Attentaten die für den Flugbetrieb verschärften Kontrollen nach vorn verschoben werden? Luftverkehrsberater Gerald Wissel glaubt, dass die Entwicklung in diese Richtung gehen wird. Damit sei allerdings eine Vielzahl von Problemen verbunden, die vom fehlenden Platz bis zur völlig ungeklärten Finanzierung reichten. Allein am Frankfurter Flughafen sind täglich im Schnitt 170.000 Passagiere, 80.000 Mitarbeiter und eine ungezählte Schar von Besuchern unterwegs. Komplette Einlasskontrollen scheinen bisher schwer vorstellbar.

Einlasskontrollen sind umstritten

Die sind laut Volker Zintel auch gar nicht sinnvoll. Der 69-Jährige war jahrelang Leiter der Luftsicherheit beim Frankfurter Flughafen und von 2006 bis 2010 Chef der Konzernsicherheit der Fraport AG. Zintel hält diese Debatte für eine „Phantomdiskussion“. Er ist der Meinung, dass die europäischen Flughäfen ein „gut funktionierendes Sicherheitssystem haben – ab der Sicherheitskontrolle“. Aber es gebe nun einmal immer eine Schnittstelle zwischen der Sicherheitskontrolle und dem öffentlichen Bereich. Selbst wenn man diese Kontrolle vorzieht, beginnt der öffentliche Bereich irgendwo. „Dann stellt sich der potenzielle Attentäter in Zukunft einfach vor das Terminal“, sagt Zintel.

Ähnlich sieht es auch der deutsche Flughafenverband ADV und warnt vor voreiligen Schlüssen. Die Landseite der Flughäfen gehöre wie Bahnhöfe oder U-Bahn-Stationen zur sicherheitskritischen Infrastruktur und lasse sich ähnlich schwer schützen, sagt Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Eine Vorverlagerung der Sicherheitskontrollen hält er für technisch und baulich unmöglich, weil bei den meisten Flughäfen schon allein der erforderliche Raum dafür fehle. „Wir können die Flughäfen in Europa nicht in einen Zustand versetzen wie in Tel Aviv, wo jeder Besucher schon vor Betreten der Gebäude kontrolliert wird.“

Den Vergleich mit dem israelischen Flughafen, an dem es sehr strenge Kontrollen gibt, hält der Ex-Sicherheitschef des Frankfurter Flughafens, Volker Zintel, sowieso für nicht geeignet, da in der israelischen Hauptstadt viel weniger Passagiere abgefertigt werden als hierzulande.

Was Sicherheitskontrollen an Bahnhöfen betrifft, die wie in Frankfurt direkt neben dem Flughafen liegen, ist Zintel ebenfalls skeptisch. Anders als beispielsweise beim Eurostar ließe sich das Verkehrssystem nicht hermetisch abschotten. Solche Kontrollen, wie sie bei den Zügen, die unter dem Ärmelkanal fahren, durchgeführt werden, sind „nicht übertragbar auf den gesamten Bahnverkehr“. Den Körperscannern, wie sie seit vergangenem Jahr am Frankfurter Flughafen eingesetzt werden, misst der 69-Jährige hingegen eine hohe Bedeutung bei: Denn diese Scanner spüren sowohl Schusswaffen wie auch Sprengstoff auf. Trotz des enormen Kostenfaktors ist sich Zintel sicher: „Das ist die Zukunft.“

Im Flugbetrieb hat sich die Sicherheitssituation seit den Al-Kaida-Anschlägen von New York und Washington zumindest in Europa, den USA und einigen anderen Staaten enorm verbessert. Davon sind die Flugsicherheitsexperten Volker Zintel und Gerald Wissel überzeugt. „Man weiß zwar nicht genau, was verhindert worden ist. Aber ich gehe schon davon aus, dass die Maßnahmen eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter haben“, sagt Luftverkehrsberater Wissel. Trotz der für viele Passagiere nervigen Personenkontrollen sieht er aber noch Lücken im System, etwa bei der Kontrolle der Fracht oder der Infrastruktur zur Bordverpflegung.

Intensive Videoüberwachung

Die Erfolge beim Schutz des Luftverkehrs können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Polizei im öffentlich zugänglichen Raum der Flughäfen weiterhin vor allem auf ihre Beobachtungsgabe angewiesen ist. Das geschieht ganz klassisch über Streifen, aber natürlich auch über Videoüberwachung. Hier kommen Techniken des „Social Profiling“ zum Zuge, also der Versuch, auch mithilfe von Computerprogrammen und einer guten Beobachtungsgabe verhaltensauffällige Menschen herauszufiltern.

Der in den USA tätige Sicherheitsexperte Rafi Sela aus Israel hält diesen Ansatz für vielversprechend. 80 Prozent der Menschen könnten mit technischen Hilfsmitteln zuverlässig als harmlos erkannt werden, erklärte er in einem Interview nach dem Bombenanschlag auf ein russisches Passagierflugzeug im Sinai 2015. Weitere 10 Prozent könnten mit ein paar Fragen abgeklärt werden, wie das am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv bereits geschehe. Ein Terrorist könne sein Verhalten nicht verstecken. Profiling oder „Behaviour recognition“, also das Beobachten auffälligen Verhaltens der Passagiere, ist nach Worten des Ex-Fraport-Sicherheitschefs Volker Zintel „nicht geeignet, jeden potenziellen Täter zu erkennen“. Darüber hinaus sei man bei solchen Maßnahmen schnell beim Thema Diskriminierung.