Schritt, für Schritt, für Schritt: Fortschritte an der Unglücksstelle

Innenminister Karl Peter Bruch warnt derweil vor Katastrophentourismus - der Mo der Rhein-Zeitung, Moritz Meyer (Foto rechts), gehört nicht dazu.
Innenminister Karl Peter Bruch warnt derweil vor Katastrophentourismus - der Mo der Rhein-Zeitung, Moritz Meyer (Foto rechts), gehört nicht dazu. Foto: Jens Weber

Dutzende Schiffe fahren am Freitag rheinaufwärts am gekenterten Tanker „Waldhof“ vorbei. Am Wochenende sollen hier zwei Schwimmkräne und ein Kranponton ihre Position im Fluss einnehmen. Es sind erste Schritte der wochenlangen Bergungsarbeiten.

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St. Goarshausen – Vorsichtig bahnt sich die mit Containern beladene „Aarburg“ rheinaufwärts ihren Weg – vorbei am Wrack des gekenterten Säuretankschiffs. Dicht darauf folgen die „Ferox“ und die „RP Rheinfelden“. Wie an der Schnur gezogen fährt Schiff um Schiff an der Unglücksstelle nahe der Loreley vorbei – bis zu 60 Frachter und Tanker sollten das Wrack bis Freitagabend passieren.

An der Loreley wachsen die Kräne aus dem Wasser: Bis Samstag soll die Bergung der „Waldhof“ vorbereitet sein

Jens Weber

Ihre Namen lassen Gewaltiges erwarten: Die Kräne „Atlas“ und „Grizzly“ sind in St. Goarshausen eingetroffen.

Jens Weber

Sie sollen bei der Bergung des mit rund 2400 Tonnen Schwefelsäure an Bord gekenterten Tankschiffs „Waldhof“ aus dem Rhein helfen.

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Nach Informationen unserer Zeitung wollen die Experten offenbar bereits am Samstag mit den Vorarbeiten beginnen.

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Die niederländische Spezialfirma Mammoet, die die TMS „Waldhof“ bergen soll, hat 2001 auch das russische Atom-U-Boot „Kursk“ aus der Tiefe gehoben, das nach Torpedoexplosionen mit 118 Mann Besatzung in der Barentsee gesunken war.

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Die Einsatzleitung erwartet zwei weitere Kräne für Samstag, spätestens Sonntag an der Unglücksstelle.

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Mit dem Spezialgerät will Mammoet das auf der Seite liegende Schiff zunächst weiter sichern und dann heben.

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Gleichzeitig soll die gefährliche Ladung gelöscht werden, um den entstehenden Auftrieb zu nutzen. Erst wenn es gar nicht anders geht, wird die Schwefelsäure in den Rhein abgelassen.

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Diese Variante gilt aber als letzte Möglichkeit. Das Bergungskonzept soll am Freitag Nachmittag vorliegen. Dann wird es unter anderem vom Bundesamt für Materialprüfung bewertet und freigegeben.

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Am Donnerstag konnten weitere 21 Binnenschiffe das Wrack passieren. Die Polizei erstellt ein Konzept zur Verkehrsregelung an der Loreley. Unter Umständen werden beide Bundesstraßen am Rhein vorübergehend gesperrt. Die Rheinsperrung macht zunehmend auch der Wirtschaft zu schaffen. So führt sie bei der BASF in Ludwigshafen zu Engpässen bei der Versorgung mit Rohstoffen. In einzelnen Bereichen musste sogar die Produktion vorübergehend gedrosselt werden.(wak)

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Innenminister Karl Peter Bruch warnt derweil vor Katastrophentourismus – der Mo der Rhein-Zeitung, Moritz Meyer (Foto rechts), gehört nicht dazu.

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Die Rheinsperrung macht zunehmend auch der Wirtschaft zu schaffen.

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So führt sie bei der BASF in Ludwigshafen zu Engpässen bei der Versorgung mit Rohstoffen.

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In einzelnen Bereichen musste sogar die Produktion vorübergehend gedrosselt werden.

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Bis Samstag soll die Bergung der „Waldhof“ vorbereitet sein

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Bis Samstag soll die Bergung der „Waldhof“ vorbereitet sein

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Eile ist geboten, denn an diesem Samstag sollen die Kräne der Bergungsfirma in Position gebracht werden, damit der auf der Seite liegende Havarist mit weiteren Drahtseilen gesichert werden kann. Niemand weiß, ob dann noch Schiffe fahren können. Die Dauer der Bergung wird auf drei Wochen geschätzt.

Es geht nur rheinaufwärts – Passage in Fließrichtung wäre zu gefährlich

„Wir sind bestrebt, so viele möglich durchzulassen“, sagt Bundesverkehrsstaatssekretär Klaus-Dieter Scheurle (CSU) bei einem Besuch. Nach einem ersten Test am Mittwoch waren schon am Donnerstag rund 20 Schiffe gefahren. Allerdings nicht in Fließrichtung – es wird befürchtet, dass sich das Wrack wegen der Strömung losreißen könnte. Über 300 Schiffe warten laut Bundesverkehrsministerium noch auf die Weiterfahrt, den wirtschaftlichen Schaden wagt keiner zu bemessen.

Scheuerle: „Furchtbares Unglück in einer wohl ziemlich einmaligen Dimension“

Scheurle spricht an der Unglücksstelle von einem „furchtbaren Unglück in einer wohl ziemlich einmaligen Dimension“. Das Tankschiff „Waldhof“ war in der Vorwoche mit rund 2400 Tonnen Schwefelsäure an Bord aus ungeklärter Ursache gekentert. Zwei Besatzungsmitglieder wurden gerettet, zwei Bootsleute gelten seither vermisst.

Drahtseile unter Schiff durchführen kann bis zu drei Tage dauern

Der Havarist ist mittlerweile an zwei im Flussbett verankerten Pontons befestigt, er bewegt sich wegen der starken Strömung jedoch leicht. Und direkt am Schiff hat sich eine tiefe Mulde gebildet. Das Tankschiff soll nun zusätzlich gesichert werden, um ein Abpumpen der Schwefelsäure zu ermöglichen. Dafür soll damit begonnen werden, zwei Drahtseile unter dem Schiff durchzuziehen. Nach Angaben der Einsatzleitung kann allein dieser Schritt drei Tage dauern. Starke Strömung und wechselnde Wasserstände erschweren die Situation.

Beck-Sprecher: „Die Sicherung des Schiffs hat Priorität“

„Die Sicherung des Schiffs hat Priorität“, sagt ein Sprecher der Staatskanzlei. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wollte sich später am Freitag persönlich vor Ort ein Bild der Lage verschaffen. Die niederländische Bergungsfirma Mammoet, die 2001 auch das russische Atom-U-Boot „Kursk“ aus der Barentssee barg, sollte zudem intern ihr Bergungskonzept vorstellen. Einen Zeitplan wagt allerdings keiner zu nennen. „Es ist ein dynamischer Prozess“, sagt der Leiter des Binger Wasser- und Schifffahrtsamtes, Martin Mauermann. Scheurle ergänzt: „Wir müssen hier jeden Tag hinzulernen – in vielerlei Hinsicht.“

Schwefelsäure vor Abpumpen auf Konsistenz prüfen

Nach der Sicherung soll eine Probe der Schwefelsäure genommen werden, um ihre Temperatur und Konsistenz zu prüfen. „Wir wollen vermeiden, dass Schwefelsäure in den Rhein gelangt. Priorität hat das Abpumpen“, sagt Scheurle mit Blick auf ein etwaiges Ablassen der Chemikalie in den Rhein. Die Säure gilt als schwach wassergefährdend, beim Mischen mit Wasser entstehen jedoch hohe Temperaturen.

„Es könnten Seile reißen und auf die Straße schnellen“

Am Wochenende sollte sicherheitshalber ein „Aktionsraum“ an der Unglücksstelle abgesperrt werden – davon betroffen seien zeitweilig auch die Bundesstraße 42 und die daneben liegende Bahnstrecke. „Es könnten Seile reißen und auf die Straße schnellen“, hieß es bei der Polizei.

Am Donnerstag waren die ersten beiden Kräne auf dem Wasserweg in St. Goarshausen eingetroffen. Ihre Namen: „Atlas“ und „Grizzly“. Ein weiterer wurde noch bis zum Samstag erwartet. „Es ist ein langer Prozess, wo am Ende das Heben des Schiffes steht“, sagt der Landrat des Rhein-Lahn-Kreises und Einsatzleiter, Günter Kern (SPD). Mauermann sagt: „Es geht Schritt, für Schritt, für Schritt.“

Tobias Goerke, dpa