RZ-Kommentar: Jörg Hilpert zum Rettungspaket für Zypern

Die Kleinsparer auf Zypern bleiben von der geplanten Zwangsabgabe verschont – das ist eine gute Nachricht. Wären die ursprünglichen Pläne weiterverfolgt worden, hätte dies das Vertrauen der Geldanleger weit über die Insel hinaus schwer erschüttert. Umso mehr stellt sich allerdings die Frage, wieso die EU erst so viel Unsicherheit erzeugt hat.

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Von vornherein hätte sich die Grenze von 100 000 Euro als magische Marke angeboten: Bis zu diesem Betrag sind Spareinlagen in der EU geschützt, und es war ein schwerer Fehler, Zweifel daran zu wecken oder zuzulassen. Auch in einer Notlage dürfen staatliche Eingriffe nicht so weit gehen, dies infrage zu stellen.

Eine andere Frage ist: Ist jemand, der 100 000 Euro auf dem Konto hat, tatsächlich reich? Aus deutscher Sicht werden wohl viele mit Nein antworten. Insofern bleibt die Zwangsabgabe ein gefährlicher Präzedenzfall, der den Euro- Rettern noch lange nachhängen wird. Egal, ob nun im Wesentlichen die russischen Schwarzgeldbesitzer getroffen werden oder doch fleißige Zyprioten, die über viele Jahre gespart haben: Es ist eine Enteignung. Der Schutz des Eigentums aber ist in demokratischen Staaten nicht nur eine Floskel, sondern ein elementares Grundrecht.

Rundum positiv erscheint dagegen, dass die Bank Laiki abgewickelt wird. Das klingt merkwürdig, denn natürlich werden auch darunter Aktionäre und Anleger leiden – doch es geht um das Signal: Banken werden nicht (mehr) um jeden Preis gerettet, zum ersten Mal wagen die EU-Staaten im Zuge der Krise einen harten Einschnitt.

Auch dieser Präzedenzfall könnte das weitere Vorgehen der Euro-Retter prägen. Richtig ist zudem, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Härte gezeigt hat. Erst ihr Ultimatum, den zypriotischen Banken den Geldhahn zuzudrehen, erzeugte den nötigen Druck am Verhandlungstisch. Zwar stellt sich die Frage, ob die EZB damit noch stärker zum politischen Akteur ohne direkte demokratische Legitimation wird.

Wichtiger ist aber, dass die Notenbanker deutlich demonstriert haben: Wir stehen nicht beliebig für Rettungsorgien zur Verfügung, sondern nur dann, wenn es auch zu harten Einschnitten in den Krisenländern kommt.

Unter dem Strich bleibt jedoch der Eindruck: Eine funktionierende Rettungsroutine – so lautet das Wort des Jahres 2012 – haben die EU-Staaten immer noch nicht entwickelt. Stattdessen herrscht einmal mehr der Eindruck vor, dass zu spät reagiert wurde, unausgegorene Vorschläge dann aber wiederum zu früh auf den Tisch kamen, sodass sich insgesamt ein chaotisches Bild ergibt.

Vertrauen schafft auch dies nicht. Das einzig Positive an diesem zögerlichen Verhalten ist, dass Rettungspakete nach wie vor nicht einfach durchgewinkt werden, sondern Fall für Fall hart umkämpft sind. Die Grundsatzfrage allerdings spricht schon längst niemand mehr an: Ist es zu rechtfertigen, Länder herauszupauken, die sich selbst verzockt haben? Dabei stellt sie sich im Fall des wirtschaftlich leichtgewichtigen Zypern mit besonderer Schärfe.

Am Grundproblem hat sich auch nichts geändert. Wie die anderen angeschlagenen Euro-Länder steht Zypern trotz der „Rettung“ vor großen Herausforderungen: Das alte Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr, diese Erkenntnis ist gereift. Doch das neue Geschäftsmodell muss erst noch gefunden werden. Und die Bevölkerung muss die Vertrauensbrüche der vergangenen Tage verdauen – auch das wird dauern.

E-Mail: joerg.hilpert@rhein-zeitung.net