Ruanda: Muss Mainz auf Distanz zu Kagame gehen?

Paul Kagame herrscht seit Jahren unumschränkt in Ruanda. Jetzt gerät der Präsident wegen angeblichen Verstrickungen in den blutigen Konflikt im Ostkongo ins Zwielicht.
Paul Kagame herrscht seit Jahren unumschränkt in Ruanda. Jetzt gerät der Präsident wegen angeblichen Verstrickungen in den blutigen Konflikt im Ostkongo ins Zwielicht. Foto: dpa

Rheinland-Pfalz- Der ruandische Staatspräsident Paul Kagame gerät ins Zwielicht. Trotz harter Dementis der Regierung in Kigali halten es unabhängige Experten für wahrscheinlich, dass das rheinland-pfälzische Partnerland tief in die Kämpfe im Ostkongo verstrickt ist. Ein UN-Expertenbericht hatte jüngst nachgewiesen, dass M23-Rebellen im Ostkongo aus Ruanda heraus unterstützt werden.

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Diese Milizen sollen nicht nur brutal gegen die Zivilbevölkerung vorgehen, sondern auch Kindersoldaten zwangsrekrutieren. Die M23-Kämpfer werden von dem Ex-General Bosco Ntaganda geführt, der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gesucht wird – unter anderem wegen Massenvergewaltigung. Ruanda streitet freilich hartnäckig jede Verwicklung in das blutige Chaos im Ostkongo ab.

Doch die westlichen Regierungen scheinen kaum geneigt, dem Regime in Kigali zu glauben. Mehrere Länder haben ihre Entwicklungshilfe gestrichen oder eingefroren, darunter auch die USA, Ruandas wichtigster Verbündeter. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) setzte kürzlich die deutsche Budgethilfe in Höhe von 21 Millionen Euro bis 2015 aus. Bevor die Vorwürfe nicht „lückenlos aufgeklärt sind“, will Berlin die Gelder nicht freigeben, sagte der Minister. „Das gilt immer noch“, erklärte eine Sprecherin gegenüber unserer Zeitung. Der Bund verlangt Aufklärung. Regierungschef Kagame bezeichnete die Kürzungen westlicher Hilfe als bedeutungslos. Außenministerin Louise Mushikiwabo bedauerte „hastige Entscheidungen, die auf schwachen Beweisen basieren“.

UNO hat sorgfältig gearbeitet

Das wiederum sehen zahlreiche Experten anders. Sie weisen darauf hin, dass die UNO alle Vorfälle akribisch untersucht – und nur die beweisbaren Fälle berücksichtigt. Offenbar haben M23-Rebellen übereinstimmend ausgesagt, dass sie in Ruanda rekrutiert wurden. Von dort sollen sie auch mit Waffen beliefert worden sein. „Der Sachverhalt ist ganz eindeutig“, verdeutlichte Afrika-Spezialistin Ilona Auer-Frege im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie arbeitet als Koordinatorin beim Ökumenischen Netz Zentralafrika (ÖNZ), einem Zusammenschluss kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen. Sie selbst hat mit UN-Ermittlern gesprochen. Ihr gefestigter Eindruck: „Die ehemaligen M23-Kämpfer haben stichhaltig erklärt, dass ihre Einheiten logistisch und personell von Ruanda unterstützt wurden.“ Fachleute wie Auer-Frege glauben, dass Kigali derzeit vorsichtiger agiert, die Geheimoperationen dennoch weiterlaufen. Unvorstellbar, dass im faktischen Ein-Parteien-Staat Ruanda höchste Stellen nichts davon wissen, zumal es im Ostkongo um ein Milliardengeschäft geht. Das riesige Nachbarland Ruandas verfügt über unendliche Reichtümer an Bodenschätzen. Im Osten locken üppige Vorkommen des Erzes Coltan, das für Handys, Computer und Spielkonsolen gebraucht wird.

Ruanda wird schon lange verdächtigt, sich unter allerlei Deckmäntelchen ein großes Stück dieses Geschäfts unter den Nagel zu reißen. In den ersten Jahren nach dem Völkermord an den Tutsis 1994 stand vielleicht der Kampf gegen die verhassten Hutu-Milizen im Vordergrund, die sich in den Kivu-Regionen erneut zusammenrotteten. Aber mehr und mehr setzten sich wohl andere Motive durch. Das überbevölkerte, bitterarme, aber hochgerüstete Ruanda sah und sieht im Kongo offenbar die Lösung vieler Probleme. Zumal der kongolesische Präsident Joseph Kabila schwach ist und den fernen Osten von der Hauptstadt Kinshasa aus kaum kontrolliert. Von jeher haben hier Milizen das Sagen. Ein Machtvakuum, das Ruanda Perspektiven bietet. Mit Rücksicht auf die internationale Öffentlichkeit kann nur verdeckt agiert werden. Ex-Geheimdienstmann Kagame dürfte über das nötige Knowhow verfügen. Offiziell mischt sich Ruanda in die kongolesischen Verhältnisse nicht ein. Aber was bedeutet in Afrika schon offiziell?

Die 30 Jahre alte Graswurzelpartnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda steckt in der Zwickmühle. Die vielen Projekte, die von rheinland-pfälzischen Schulen, Vereinen und Kommunen getragen werden, sind ohne die Unterstützung der ruandischen Behörden kaum umsetzbar. Daher pflegt die Landesregierung einen guten Draht nach ganz oben.

Innenministerium diplomatisch

Das Innenministerium hat die ruandische Botschaft zugleich um eine Stellungnahme gebeten und ist mit Fachleuten im Gespräch. Der Grünen-Abgeordnete Nils Wiechmann bat jetzt in einer Anfrage um Aufklärung. Mit Blick auf eine Expertise des Ökumenischen Netzes antwortet das Ministerium diplomatisch: „Es werden deutliche Hinweise, jedoch keine justiziablen Beweise für eine Verwicklung Ruandas in den Konflikt im Ostkongo geschildert.“ Ansonsten will man sich mit dem Bund beraten.

Dennoch stellt sich die Frage, ob die Landesregierung nicht dringend über eine veränderte Ausrichtung der Partnerschaft nachdenken muss – durchaus bevor „justiziable Beweise“ dafür vorliegen, ob Kagame und seine Mitstreiter Blut an den Händen haben. Experten raten der Regierung in Mainz, hartnäckiger als bisher auf klare Antworten zu drängen und zugleich auf Distanz zur ruandischen Regierung zu gehen. Wenn das mit offenem Visier geschieht, dürfte es der Graswurzelpartnerschaft kaum ernsthaft schaden.
Von unserem Redakteur Dietmar Brück