Rheinland-Pfalz/Brüssel

Rheinland-pfälzische Abgeordnete: Erschüttert, aber nicht überrascht

Erst der Anschlag von Islamisten auf die Lebensfreude in Paris, jetzt die Anschläge auf die Mobilität der westlichen Welt in Brüssel: Da kann auch die rheinland-pfälzischen Europa-Abgeordneten zuweilen ein mulmiges Gefühl beschleichen, wenn vor dem Parlament das belgische Militär patrouilliert. Einschüchtern lassen wollen sie sich von Terroristen aber nicht.

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Von unserer Chefreporterin Ursula Samary

„Wir wissen ja schon lange, dass ein Anschlag drohen kann“, sagt die SPD-Abgeordnete Jutta Steinruck (Ludwigshafen), die auf dem Weg in eine Ausschusssitzung zur Beschäftigungspolitik von einer Eilmeldung alarmiert worden ist und seit ihrer Ankunft erst einmal für Stunden im Brüsseler Parlament festsitzt. „Keiner soll das Haus verlassen, auch wenn alle Sitzungen abgesagt sind. Aber hier sind wir im Moment auch am sichersten“, sagt die Sozialdemokratin. Das Gebäude ist mit Sicherheitsglas und Eingangsschleusen bestmöglich geschützt. Nur, wie sie heute nach Ludwigshafen kommen soll, ist Steinruck noch unklar. Aber es gebe ja auch Mietwagen, meint sie gelassen. Wenn auch weder sie noch andere Abgeordnete „sich so auf die Arbeit konzentrieren könnten wie sonst“, ist sie doch selbst überrascht, „wie ruhig wir alle sind, auch wenn dies keine Alltagssituation ist“. EU-Institutionen gelten seit eineinhalb Jahren als mögliches Terrorziel. „Aber soll ich deshalb meine Arbeit aufgeben?“ Das kommt für die 53-Jährige überhaupt nicht infrage. Auch sie will sich dem Terror nicht beugen.

Norbert Neuser
Norbert Neuser
Foto: ©www.susieknoll

Trotz der starken Präsenz der Soldaten vor dem Parlament ist dem Bopparder Abgeordneten Norbert Neuser (SPD) nicht erst seit den Anschlägen „realistischerweise“ bewusst, „dass die Präsenz mehr der Beruhigung der Bevölkerung dient“, aber niemanden völlig schützen kann. Dafür gebe es einfach zu viele Gelegenheiten für Fanatiker, unschuldige Menschen mit in den Tod zu reißen oder zu verwunden. Das bestätigt sich auf grausame Weise auch am schwer bewachten Brüsseler Flughafen, wo aus Angst vor Autobomben bereits die Kurzzeitparkplätze sicherheitshalber abgeschafft wurden und sich drinnen dennoch ein Anschlag ereignen konnte.

Neuser wie auch sein von der Mosel stammender Kollege Werner Langen (CDU) wissen angesichts der anhaltenden dritten Terrorwarnstufe seit Wochen, dass sie in einer gefährdeten Stadt Politik machen. Da ihre Ausschüsse nicht tagen sollten, erreichen wir sie in den Osterferien. Langen kritisiert sofort scharf „die Schwäche der belgischen Polizei“ und ihre mangelnde Bereitschaft zur internationale Zusammenarbeit. Dies wird – ebenso wie die unklaren Zuständigkeiten der Polizei in Belgien – auch in rheinland-pfälzischen Sicherheitskreisen immer wieder beklagt. Da am Freitag in Molenbeek zwar Salah Abdeslam gefasst worden war, der seit den Anschlägen in Paris als Mittäter gesucht wurde, aber nicht seine Komplizen, die Attentate in Brüssel geplant haben sollen, kommt der neue Terror für Langen nicht ganz überraschend.

Überhaupt mahnt er mehr internationale Vernetzung und Datenaustausch nicht nur im Kampf gegen den Terror an. „Das Flugdatenabkommen mit den USA und Kanada beispielsweise wird seit drei Jahren im Parlament blockiert“, ärgert sich Christdemokrat Langen. Er rechnet damit, dass das Parlament auch nach Ostern in Brüssel noch „massiv gelähmt sein wird“. Dabei hat es, wie Neuser schildert, schon länger seine Sicherheitsmechanismen hochgefahren. Wer das Gebäude betreten will, „wird bereits vor dem Eintritt kontrolliert“. Dies soll demnächst baulich auch am Straßburger Parlamentssitz möglich sein.

Der Sozialdemokrat rechnet nach dem Anschlag auf den Brüsseler Flughafen Zaventem in Deutschland mit der Debatte über die Frage, ob Passagiere und ihr Gepäck künftig bereits vor dem Flughafen kontrolliert werden müssen und nicht erst nach dem Check-in hinter dem Schalter. Aber ist das auch vor Bahnhöfen, vor jeder U- oder S-Bahn in einer freien Welt möglich? Für Politiker wie Bürger stellen sich mit der wachsenden Terrorgefahr neue Fragen. Man müsse sich an mehr Kontrollen gewöhnen, aber auch an den Gedanken, dass bei jeder Großveranstaltung oder Urlaubsreise eine Gefahr drohen kann, meint Neuser. Aber er „will einen kühlen Kopf bewahren“, am Dienstag auch wieder ab Brüssel fliegen, wenn dies möglich ist.