Berlin

Parteien sind sich einig: Bundestag nur alle fünf Jahre wählen

Von Gregor Mayntz
Sollte der Bundestag nur alle fünf Jahre gewählt werden statt alle vier Jahre? Viele Politiker wollen das und argumentieren, dass so mehr Zeit für Sacharbeit bliebe. 
Sollte der Bundestag nur alle fünf Jahre gewählt werden statt alle vier Jahre? Viele Politiker wollen das und argumentieren, dass so mehr Zeit für Sacharbeit bliebe.  Foto: dpa

Sämtliche Parteien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im nächsten Bundestag sitzen werden, wollen die Wahlperiode von vier auf fünf Jahre verlängern. Wenn dafür eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zustande kommt, könnte dann ab 2021 nur noch alle fünf Jahre gewählt werden.

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Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer erläuterte: Vor der Wahl nehme der Wahlkampf eine ganze Menge Zeit in Anspruch, und nach der Wahl gingen Monate mit Koalitionsverhandlungen ins Land. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte vorgerechnet, dass jeder Bundestag nach Abzug von Startphase und Wahlkampf für die faktische Arbeit nur zweieinhalb Jahre Zeit habe.

„Mindestens seit Beginn dieser Wahlperiode und fast schon nach Art einer tibetanischen Gebetsmühle habe ich eine entsprechende Verfassungsänderung öffentlich vertreten – und zwar ohne Koppelung an andere Forderungen“, sagte Lammert (CDU) im Gespräch mit unserer Zeitung. Fast alle Bundesländer hätten eine fünfjährige Legislaturperiode, auch das Europaparlament. „Insofern ist es naheliegend, auch im Bund eine maßvolle Verlängerung der Legislaturperiode ins Auge zu fassen, die den vor und nach Wahlkämpfen verfügbaren Gestaltungszeitraum angemessen erweitert.“ SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verwies auf die Komplexität vieler Gesetzesvorhaben, der der Bundestag mit mehr Zeit besser gerecht werden könnte.

Neben CDU, CSU, SPD, Linken und Grünen äußerten sich auch FDP- und AfD-Politiker zustimmend. Allerdings wollen die Linken und die Grünen eine Amtszeitverlängerung nur mittragen, wenn das Minus an Bürgerbeteiligung durch Wahlen durch vermehrte Mitwirkungsrechte für Bürger in der laufenden Legislaturperiode ausgeglichen wird. Deshalb sollten zugleich Elemente direkter Demokratie eingeführt werden.

Die Bremer Bürger stimmen am Tag der Bundestagswahl in einem Volksentscheid über eine Verlängerung der Wahlperiode für die Bremische Bürgerschaft ab. Die Fraktionen der Hansestadt hatten sich mit großer Mehrheit für eine Verlängerung der Wahlperiode ausgesprochen, zugleich aber entschieden, darüber nicht selbst zu entscheiden, sondern dem Volk das letzte Wort darüber zu lassen. Bedingung für einen erfolgreichen Volksentscheid ist eine Beteiligung von mindestens 50 Prozent der Stimmberechtigten. Votieren diese mit Mehrheit für eine längere Wahlperiode, würde die neue Variante bereits ab der turnusgemäßen Wahl des Landesparlamentes im Jahr 2019 gelten.

Das Bremer Landesparlament ist derzeit das einzige, das nur vier Jahre lang tagt, alle anderen Landtage haben eine fünfjährige Mandatszeit. Der Bundespräsident wird ebenfalls von der Bundesversammlung für jeweils fünf Jahre gewählt. Eine Reihe von Staaten kennt sogar sechsjährige Legislaturperioden.

Ursprünglich waren in der Bundesrepublik vierjährige Legislaturperioden üblich. Lediglich im Saarland gingen die Parlamente ab 1955 und in Nordrhein-Westfalen ab 1970 nach jeder Wahl für fünf Jahre an den Start. Nach der Wiedervereinigung sah aber ein Bundesland nach dem anderen vor allem die Vorteile einer längeren Wahlzeit. Hamburg war 2015 das vorletzte Bundesland, das auf fünf Jahre umschwenkte.

Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat befasste sich nach der Wiedervereinigung auch mit der Frage, ob die Legislaturperiode verlängert werden sollte. Sie entschied sich 1993, diese Idee nicht auf die Vorschlagsliste zu setzen.

Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz

Nina Kugler zu längeren Wahlperioden: Ein völlig falsches Signal

Der Vorschlag ist nicht neu. Schon 2009 schlug der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, vor, den Bundestag nur noch alle fünf Jahre wählen zu lassen. 2015 dann wollte auch der bisherige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Wahlperiode des Parlaments verlängern. Nun sind sich allem Anschein nach alle im Parlament vertretenen Fraktionen einig: Fünf Jahre Bundestag sind effektiver als vier.

Das mag stimmen. Und ja: Mit Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen gehen schnell einige Monate für echte politische Arbeit verloren. Auch richtig ist, dass alle deutschen Landesparlamente außer der Bremische Bürgerschaft auf fünf anstatt vier Jahre gewählt werden.

Aber repräsentative Demokratie bedeutet eben auch Vertrauen. Und genau das haben viele Bürger in den vergangenen Jahren in die Politik verloren. Sie fühlen sich „von denen da oben“ übergangen, manche sogar betrogen. Sie wünschen sich, dass ihre Stimmen wieder gehört werden – und nicht wenige wählen deshalb die AfD. Es wäre ein völlig falsches Signal, dass der Wähler nun noch seltener sagen darf, dass in seinen Augen falsche Entscheidungen getroffen wurden.

Ein Signal, bei dem auch die Botschaft mitschwingt: Lieber Wähler, danke für das Kreuzchen – aber jetzt lasst uns bitte die nächsten fünf Jahre wieder in Ruhe.

E-Mail: nina.kugler@rhein-zeitung.net

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