Kommentar: Die SPD versinkt in Merkels GroKo-Sumpf

Von Manfred Ruch
Manfred Ruch, stellvertretender Chefredakteur der Rhein-Zeitung
Foto: Jens Weber
Manfred Ruch, stellvertretender Chefredakteur der Rhein-Zeitung Foto: Jens Weber

Einstellig! In diesem einen kleinen Wort steckt das ganze Drama, das die SPD in Bayern am Sonntag erlebt hat. Auch wenn es die Genossen dort traditionell schwer haben und auch wenn die fleißige Spitzenkandidatin vielleicht nicht zupackend genug wirkte: Diese unfassbaren 9,7 Prozent sind kein „sehr schlechtes Ergebnis“, wie die Bundesvorsitzende Andrea Nahles kommentierte. Sie sind ein Fanal.

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Der Albtraum der SPD, dass die Partei nach mehr als 150 Jahren wechsel- und wirkungsvoller Geschichte tatsächlich irgendwann verschwinden könnte, wird plötzlich zur realen Bedrohung. Die SPD schaut in den Abgrund – und sie ist selbst schuld.

Seit Jahren kämpft die Bundespartei um ihr Profil. Vorsitzenden auf Vorsitzenden hat sie verschlissen und sich nie die Zeit genommen, ihren Kompass für die Zukunft neu auszurichten. GroKo folgte auf GroKo, obwohl viele in der Partei spürten (und bei vielen Landtagswahlen schmerzvoll erlebten), dass dieser Kurs in den Abgrund führte. Weil Kanzlerin Merkel ihrem Koalitionspartner keine Luft zum Atmen ließ. SPD-Themen wurden von ihr abgeräumt – oder die Genossen wurden mal wieder in die Pflicht genommen. Eine Profilierung gelang der SPD auf diese Weise nicht mehr. Im Gegenteil: Ihre durchaus vorhandenen Erfolge verschwanden im Merkel’schen Sumpf, der noch jeden ihrer Koalitionspartner zu verschlingen drohte. Die Politik der SPD wurde einfach nicht mehr wahrgenommen.

Der schmerzliche Absturz der SPD mit ihrem unglücklich agierenden Kanzlerkandidaten Martin Schulz bei der Bundestagswahl 2017 war der endgültige Beweis dafür, dass die Sozialdemokratie einen Befreiungsschlag braucht, um wieder auf die Füße zu kommen. Zu Recht erklärte Schulz die GroKo für abgewählt. Doch was machte die Parteiführung? Sie ließ sich mithilfe des Bundespräsidenten doch wieder von dieser richtigen Erkenntnis abbringen und stieg aus Angst vor Neuwahlen wieder ins GroKo-Boot. Dazu kam diesmal aber noch, dass die CSU und in personam ihr Vorsitzender und Bundesinnenminister Horst Seehofer mit härtesten Bandagen um Stimmen für die bayerische Landtagswahl kämpfte – und mit seinem Dauerfeuer in Sachen Asyl auch den Ruf der GroKo ruinierte. Auch das badete die SPD mit aus. Der Rest ist bekannt.

Jetzt liegt er da, der gewaltige Scherbenhaufen. Wie SPD-Chefin Nahles noch das Kunststück hinbekommen will, die Erneuerung der Partei in der GroKo zu meistern, ist völlig schleierhaft. Und wenn auch noch die hessische Landtagswahl am 28. Oktober desaströs verläuft, wird es eng für die Frau aus der Eifel. Doch das Problem ist: Wer soll es denn machen? Die Wähler vermissen nicht nur ein Profil bei der SPD, sondern auch die Köpfe, die für Aufbruch, Zuversicht und Hoffnung stehen.

E-Mail: manfred.ruch@rhein-zeitung.net