Kämpfe: Und schon wieder brennen Barrikaden

Prorussische Demonstranten verbrennen Reifen in der Nähe der ostukrainischen Stadt Slawjansk, um die Spezialkräfte der ukrainischen Polizei auf Distanz zu halten. Bilder, die an die schweren Zusammenstöße vor wenigen Wochen in der Hauptstadt Kiew erinnern.
Prorussische Demonstranten verbrennen Reifen in der Nähe der ostukrainischen Stadt Slawjansk, um die Spezialkräfte der ukrainischen Polizei auf Distanz zu halten. Bilder, die an die schweren Zusammenstöße vor wenigen Wochen in der Hauptstadt Kiew erinnern. Foto: dpa

Donezk/Slawjansk. In der Ostukraine eskaliert die Gewalt. Bewaffnete prorussische Separatisten haben in mehreren Städten in der Region Donezk öffentliche Gebäude besetzt.

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Von unserer Korrespondentin Doris Heimann

Die Regierung in Kiew versucht, die Situation durch einen Anti-Terror-Einsatz wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Bei den Kämpfen in der Stadt Slawjansk gab es Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Für die US-Regierung und die Nato gibt es keinen Zweifel: Die Separatisten erhalten massive Unterstützung von Russland.

Die Unruhen erfassten am Wochenende das Gebiet um Donezk, aber auch die Großstadt Charkow. Zu den schlimmsten Auseinandersetzungen kam es in Slawjansk. Bewaffnete prorussische Kräfte hatten das Polizeipräsidium und die Geheimdienstzentrale gestürmt und sich dort verbarrikadiert. Mit Straßensperren blockierten die Aktivisten die Zufahrt zu der 100 000-Einwohner-Stadt, die 60 Kilometer von Donezk entfernt liegt.

Das Innenministerium in Kiew schickte Einsatzkräfte, um den Widerstand der Separatisten mit Gewalt zu brechen. „Es gab Tote und Verletzte auf beiden Seiten“, schrieb der ukrainische Innenminister Arsen Awakow auf Facebook. Unter den Toten sei mindestens ein Offizier des Geheimdienstes SBU. Fünf weitere Uniformierte seien verletzt worden.

Am Abend war die Lage unübersichtlich. Offenbar gelang es den Sicherheitskräften nicht, die prorussischen Separatisten zurückzudrängen. Ein Reporter des kremlkritischen russischen Senders „Echo Moskwy“ nannte den Einsatz eine „verwischte Niederlage“. Das russische Staatsfernsehen behauptete, die prorussischen Aktivisten hätten ihre Stellungen ohne Verluste verteidigen können.

Die ukrainischen Sicherheitskräfte seien unter dem Schutz gepanzerter Fahrzeuge abgezogen. Die Separatisten bereiten sich aber auf einen Sturm vor, da auf einem Militärflughafen in der Nähe der Stadt Nachschub für die Truppen des Innenministeriums eingetroffen sei.

Aufnahmen aus der Stadt zeigten ein zweigeteiltes Bild. Die bewaffneten Separatisten, die am Sonnabend die öffentlichen Gebäude gestürmt hatten, waren auffallend professionell und auffallend einheitlich ausgerüstet. Viele von ihnen hatten Sturmgewehre vom Typ AK-103, die von russischen Spezialkräften verwendet werden. Ferner trugen sie Handschuhe, die mit Sand für den Nahkampf gepolstert sind, einheitliche Kampfwesten, Knieschoner und neue Kampfanzüge. All dieses legt den Schluss nahe, dass es sich nicht um Bürgermilizen handelt, sondern um professionell ausgebildete, vermutlich russische Soldaten.

Einen Kontrast dazu bildeten die Ansammlungen wütender Bürger, die in Slawjansk ein Kamerateam des polnischen Fernsehens und einen Kleinbus mit OSZE-Beobachtern umzingelten. Hysterische Rentnerinnen und ärmlich gekleidete Wendeverlierer brüllten in tumultartigen Szenen durcheinander. „Wir brauchen die EU nicht, wir wollen in Frieden und Freiheit leben!“, schrie eine ältere Frau. „Referendum! Referendum!“ skandierte die Gruppe. Vergeblich versuchte ein slowakischer OSZE-Beobachter in holprigem Russisch, die Menge zu beruhigen. Es gelang ihm kaum, für seine Erklärung der Mission Gehör zu finden.

Auch in anderen Städten in der Region um Donezk gab es Kämpfe. In Mariupole besetzten prorussische Aktivisten das Rathaus und hissten die Flagge der „Donezker Republik“. In Jenakiewo, dem Geburtsort des geflohenen Präsidenten Viktor Janukowitsch, wurden das Rathaus, die Polizeistation und das Gebäude der Staatsanwaltschaft eingenommen. In Kramatorsk und Krasnyj Lyman gab es nach Attacken bewaffneter Kämpfer auf Verwaltungsgebäude Schusswechsel mit Sicherheitskräften. In der Großstadt Charkow kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen prorussischen und proeuropäischen Demonstranten. Mindestens zehn Personen wurden verletzt.

Die US-Regierung sieht deutliche Anzeichen dafür, dass Russland hinter den Unruhen steckt. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, drohte dem Kreml mit weiteren Sanktionen, sollte er seine Aktivitäten fortsetzen. „Das hatte alle Zeichen von dem, was wir auf der Krim gesehen haben“, sagte Power, „es ist professionell, es ist koordiniert.“ Auch der Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen äußerte die Überzeugung, dass russische Militärs an den Aktionen beteiligt seien. Das erneute Auftauchen von Menschen mit russischer Spezialbewaffnung, in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen, wie sie auch die russischen Soldaten bei der illegalen Annexion der Krim getragen hätten, sei „ein starker Beweis“ dafür, so Rasmussen.