Paris

#JeSuisAhmed: Tribut an getöteten Polizisten

Profilbilder mit dem Motto „JeSusisCharlie“ und Nachrichten mit dem Hashtag gibt es auf Twitter weiter reichlich. Doch seit dem Freitag ist ein anderer Name ebenfalls stark in den Focus gerückt: Menschen drücken ihre Verbundenheit aus mit Ahmed Merabet. Und ein weiterer Moslem wird als Held gefeiert, weil er im koscheren Supermarkt Leben gerettet hat.

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Von Alexei Makartsev und Lars Wienand

Die Händler und Restaurantbesitzer in der Rue de Lappe können es nicht fassen. Ein freundlicher Kunde, ein hilfsbereiter Polizist, der jahrelang in ihrem Bezirk gearbeitet hatte, ist abgeschlachtet von Islamisten, während er seiner Dienstpflicht nachging.

Wie die ermordeten Karikaturisten des „Charlie Hebdo“ wurde der 42-jährige Ahmed Merabet nach der Pariser Terrorattacke im Internet zum Helden und Märtyrer für freiheitliche Werte. Merabet war ein Muslim. Unzählige Menschen in der ganzen Welt twittern Worte von Beileid und Bewunderung unter dem Hashtag „#JeSuisAhmed“ („Ich bin Ahmed“).

Merabet hatte bei dem Attentat am Mittwoch versucht, die in einem Kleinwagen fliehenden Attentäter zu stoppen, nachdem er einen Notruf empfangen hatte. Er wurde zunächst von einem der Terroristen angeschossen, anschließend tötete der Täter den Ordnungshüter kaltblütig mit einem Kopfschuss. Ein Augenzeugenvideo mit der schrecklichen Szene ging um die Welt.

Und die Szene nehmen auch Menschen zum Anlass, die Idiotie der Terroristen herauszustellen. Im Namen des Islam richten die Täter einen wehrlos am Boden liegenden Moslem hin:

„Jeder mochte ihn hier. Ahmed war sehr offen und super nett. Es ist ein barbarischer Mord“, sagte nach der Tragödie der Ladenbesitzer Aziz Mezine der britischen Zeitung „Daily Telegraph“. „Diese Männer sind Wilde, Barbaren. Es ist furchtbar. Er wollte im Frühling heiraten und eine Familie gründen“, erzählte ein anderer Händler, Mehenni Mezine.

Sonst ist bislang nicht viel bekannt über den mutigen Polizisten Merabet. Er stammte aus einer tunesischen Einwandererfamilie und lebte im Norden der Hauptstadt, heißt es. Bei der Polizei im 11. Bezirk war er seit acht Jahren, erst kürzlich war Merabet befördert worden. Als „diskret“ und „sehr gewissenhaft“ beschreibt ihn der Kollege Rocco Contento und fügt hinzu: „Er hat seine Pflicht erfüllt“.

Die Tatsache, dass der muslimische Polizist Merabet mit seinem Leben das Recht verteidigt hat, welches den Satirikern erlaubt, die Schattenseiten seiner Religion auszulachen, verleiht der Tragödie in der Rue de Lappe eine besondere Bedeutung.

Das war auch der Gedanken eines in Brüssel lebenden libanesischen Aktivisten, der 2006 die Arab European League gegündet hatte. Mit senem Tweet brachte Dyab Abou Jahjah die Welle der Solidarisierung so richtig ins Rollen: Er sei nicht Charlie, schrieb er. Und fuhr in Anlehnung an ein fälschlich Voltaire zugeschriebenes Zitat fort: „Ich bin Ahmed, der getötete Polizist. Charlie hat meinen Glauben und meine Kultur lächerlich gemacht – und ich bin gestorben, um das zu verteidigen.“

Rund 40.000 Mal war der Tweet am Sonntag bereits weiterverbreitet. In einem Interview erklärte er, dass alle Menschen Solidarität mit Charlie Hebdo haben sollten. „Ich bin nicht gegen Charlie. Mich hat es gestört, dass in der Debatte die Religion der Täter zählte, aber die des Opfers nicht. Es ist keine Frage von Religion, sondern von Demokratie.“

Ahmed Merabets Bruder Malek brachte es auf eine kurze Formel: „Ahmed war Moslem und wurde getötet von Menschen, die vorgaben, Moslems zu sein. Sie sind Terroristen, mehr nicht. Verrückte Menschen haben keine Farbe und keine Religion. Scheren Sie nicht alle über einen Kamm!“

In den Fokus rückt auch der aus Mail stammende Lassana Bathily. Er, ebenfalls ein Moslem, hatte zu Beginn der Geiselnahme etwa 15 Menschen in den Kühlraum geschmuggelt, Licht und Kühlung abgeschaltet und allen gesagt, sie sollen ruhig bleiben. Das schilderte er dem Sender RTL.

Einer der Kunden bestätigte der Agentur AFP, mit seinem dreijährigen Sohn auf Anweisung von Bathily in den Kühlraum geflüchtet zu sein. Fünf Stunden wartete er in der eisigen Kälte das Ende der Geiselnahme ab, das Kind in seine Jacke gewickelt. Vier Geiseln waren in dem koscheren Supermarkt ums Leben gekommen, alle jüdischen Glaubens.