Hexen, Birken und Hormone
Mainz – Heute Nacht fliegen sie wieder. Bevor Sie sich jetzt mit Trillerpfeifen, Trommeln und Plakaten zum Walk-In in der Fraport-Abflughalle rüsten, lassen Sie mich wenigsten noch den nächsten Satz schreiben.
In der Walpurgisnacht treffen sich die Hexen auf dem Blocksberg. Zur Ü500-Party. Von überallher kommen sie auf ihren Besen geflogen. Das Nachtflugverbot gilt für sie nicht, sie fliegen lautlos und CO2-frei und sie hinterlassen den Blocksberg besenrein.
Auch für uns irdische Wesen hat die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai seit alters her eine besondere Bedeutung. Da werden Maibäume vom einen Dorf gestellt und vom anderen gestohlen und nur gegen flüssiges Lösegeld wieder rausgerückt. Und da gibt es den Liebesmaien. Das, um was es geht, kenne ich seit Kindertagen, aber ich musste ziemlich alt werden, um zu erfahren, dass man das „Liebesmaien“ nennt. Man stellt der Liebsten eine mit bunten Bändern geschmückte kleine Birke aufs oder hinters Haus. In Köln, dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, nahm man dabei gern mal riskante Wege, über wacklige Leitern, Dächer und Markisen. Immer wieder zur Freude von unterbeschäftigten Dachdeckern und Unfallchirurgen. In Schaltjahren, und wir leben gerade in einem, dreht sich das übrigens um: Dann bekommen die Männer einen Liebesmaien gesetzt.
Oder einen Schandmaien. Wenn Du, lieber Geschlechtsgenosse, morgen früh einen trockenen Tannenbaum oder Dornenzweige, mit bunten Bändern geschmückt, auf Deinem Dach entdeckst, solltest du schleunigst um Termine bei einem Friseur, einer Kosmetikerin und einem Herrenausstatter, sicherheitshalber auch bei einem Schönheitschirurgen nachsuchen. Mach's dringend! Es ist ein Notfall!
Warum ist die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai so was Besonderes? Ist es der Frühling, sind es die Bäume, die ausschlagen? Sind es die Hormone? Oder ist es der 1. Mai, der Kampftag der Arbeiterklasse, dem wir entgegen fiebern? Hoffen wir nur, dass es morgen auch für die Stühle der Eiscafés und die Bänke der Biergärten heißt: Heraus zum 1. Mai!
Büb Käzmann alias Markus Höffer-Mehlmer ist Kabarettist und lebt gerne in Mainz (www.bueb-kaezmann.de)
