Berlin

Harte Zeiten für Politiker? – ZDF macht mit dem Netz den Faktencheck

ZDF-Redakteurin Sonja Schünemann stellt den ZDF-Faktencheck vor. 
ZDF-Redakteurin Sonja Schünemann stellt den ZDF-Faktencheck vor.  Foto: Lars Wienand

Wie sehr biegen sich Politiker ihre Wahrheiten zurecht? Dazu startet ein bislang einmaliges Experiment: Jedermann soll dem ZDF beim Faktencheck helfen können. Autoren der Wikipedia sollen ein Grundgerüst bilden, der Verein Wikimedia Deutschland wirbt dazu unter den Ehrenamtlichen. Bei der Re:publica ging es darum, was ZDF und Wikipedia davon haben – und wen es erwischen kann.

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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Gut möglich, dass der ein oder andere Politiker in den vergangenen Wochen Glück hatte. Da lief noch eine nichtöffentliche Probephase. Die hat ergeben: Es gibt immer genug Behauptungen von Politikern, die es wert sind, auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft zu werden. Und das macht das ZDF ab dem kommenden Montag. Es lässt sich darauf ein, unter zdfcheck.de die Aussagen gemeinsam mit Menschen aus dem Netz zu prüfen. Mit dem Netz sieht das ZDF besser.

Der Plan sieht vor, dass die Redaktion publik macht, wessen Aussage zur welchem Thema auf den Prüfstand kommt – gerne auch mal auf Vorschlag aus dem Netz. Prominente Politiker der großen Parteien werden dabei eher gecheckt– wenn es interessant und relevant sei, könne aber auch eine Aussage aus einer Randpartei gecheckt werden. Die Idee, die Aussagen für den Check wählen zu lassen, wurde verworfen– „dann würden die Parteien ihre Jugendorganisationen in Marsch setzen“, erklärte Sonja Schünemann aus dem ZDF-Hauptstadtstudio bei der Vorstellung

Auch so rechnet das ZDF mit Reaktionen aus der Politik – gut möglich, dass sich auch Parteizentralen und Ministerbüros vor der Bundestagswahl ins Zeug legen, den Sender mit Hinweisen zu füttern. Die dürften dann allerdings weniger Interesse haben, als Hinweisgeber etwa in Sendungen eingebaut zu werden. Im ZDF und auf Phoenix könnten die Ergebnisse der Recherchen in Sendungen zu sehen sein.

Recherchiert wird in einem dafür zusammengezogenen zehnköpfigen Team im ZDF und bei den Menschen draußen. „Wir und das Netz fangen dann gemeinsam bei Null an“, so Schünemann. Mit einem Konto aus den Sozialen Netzwerken oder dem ZDF-Forum kann sich jeder anmelden und Recherchehinweise geben, Zahlen und Fakten. „Wir wollen Recherchen von den Zuschauern, keine Kommentare oder kein Bashing“, so Schünemann. Die Recherchen sollen transparent mitzuverfolgen sein – „und wir lesen alle Hinweise“. Faktensammlungen mit Belegen aus dem Netz, Fazit durch die Journalisten – so sieht die Arbeitsteilung aus.

Und Barbara Fischer, bei Wikimedia für Kulturpartnerschaften zuständig, findet genau das auch gut: „Es werden die Arbeitsprinzipien der Wikipedia aufgegriffen: Alle sind gleichberechtigt, es ist transparent, es müssen Belege geliefert werden – das finden wir unterstützenswert und werben deshalb dafür.“ Die Wikipedia erhofft sich davon aber auch, dass Menschen, die so strukturiert arbeiten, auch den Sprung in die Wikipedia nehmen. „Wir hoffen auf neue Autoren.“ Unter den bestehenden Autoren war die Idee schon kontrovers diskutiert worden, ehe überhaupt Details klar geworden waren.

Das Nachschlagewerk im Netz wird aus dem Projekt aber noch einen anderen Nutzen ziehen; Die Inhalte, die beim ZDF entstehen – Videos, Grafiken, Texte – werden unter eine Lizenz gestellt, die jedem die Verwendung bei Nennung des ZDFs erlaubt – neue Inhalte für die Wikipedia. Und vielleicht der Vorgeschmack auf weitere Produktionen dieser Art.

Nein, das ZDF macht nicht jetzt auf modern: ZDF-Social-Media-Experte Michael Umlandt hatte Kritik aus Wikipedia-Diskussionen gesammelt, Entgegnung in diesem Punkt: Formate mit Einbindung des Wissens des Publikums gibt es schon.

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)