Fluterschen: Chaos in Akten des Jugendamtes

Koblenz/Fluterschen – Seit gut einer Woche läuft der Prozess um das Missbrauchsdrama in Fluterschen (Westerwald) – jetzt gerät das Jugendamt des Kreises Altenkirchen immer stärker unter Druck: Im Prozess am Landgericht Koblenz schimpfte Richter Frank Schmitz: „In den Akten des Jugendamtes herrscht gelinde gesagt ein heilloses Chaos!“

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Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

Koblenz/Fluterschen – Seit gut einer Woche läuft der Prozess um das Missbrauchsdrama in Fluterschen (Westerwald) – jetzt gerät das Jugendamt des Kreises Altenkirchen immer stärker unter Druck: Im Prozess am Landgericht Koblenz schimpfte Richter Frank Schmitz: „In den Akten des Jugendamtes herrscht gelinde gesagt ein heilloses Chaos!“

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen alle Jugendamtsmitarbeiter eingeleitet. Grund: Die Wiener Organisation „Resistance for Peace“ und mindestens eine Privatperson haben Anzeige erstattet wegen unterlassener Hilfeleistung. Doch derzeit ist es unwahrscheinlich, dass sich Jugendamtsmitarbeiter strafbar gemacht haben, so die Staatsanwaltschaft.

Am vierten Prozesstag sagten Jugendamtsmitarbeiter aus – darunter Hermann-Josef Greb, der das Amt seit 2009 leitet. Staatsanwalt, Richter und Anwälte übten deutliche Kritik am Führungsstil der Jugendamtsakten. Die 150 Aktenseiten sind oft ungeordnet und haben mehrere verschiedene Seitenzahlen. Manchmal ist unklar, wer ein Gespräch führte, wann er es führte und mit wem. Die Akten umfassen die Jahre 1998 bis 2010. Aber 2000 und 2001 sowie von 2004 bis 2007 gibt es keinen einzigen Eintrag.

Jahrelang kein Kontakt zur Familie?

Es besteht der Verdacht, dass das Jugendamt in dieser Zeit keinen Kontakt zur Großfamilie von Detlef S. hatte. Obwohl es seit 1998 mehrere Anzeigen gegen Detlef S. wegen Kindesmisshandlung gab. Obwohl Familienmitglieder und Nachbarn immer wieder sagten, dass Detlef S. seine Kinder verprügelt. Obwohl die Adoptivsöhne von Detlef S. dem Jugendamt mitteilten, dass er seine Tochter missbraucht und mit seiner Adoptivtochter wohl mehrere Kinder gezeugt hat.

Jugendamtschef Greb: „Ich kann dazu nichts sagen. Es ist vorgesehen, dass Sachbearbeiter in solchen Fällen mit der Familie in Kontakt bleiben.“ Ob dies im Fall Detlef S. erfolgt ist, konnte er nicht sagen. Vielleicht habe es in den beiden Zeiträumen auch keine Hinweise aus der Bevölkerung gegeben.

2002 behaupteten die Adoptivsöhne von Detlef S. auf dem Jugendamt, Detlef S. würde seine Tochter missbrauchen. Dieser sagte daraufhin zu, er wolle die Tochter noch mal von einer Ärztin untersuchen lassen. Aber: Die zuständige Sachbearbeiterin prüfte nie, ob er das auch tat. Warum? „Wir haben uns einfach darauf verlassen.“