Bsirske: Deutschland drohen „griechische Verhältnisse“

Frankfurt/Main. Der Sparzwang bei den chronisch klammen Kommunen wird die Lebensqualität der Bürger aus Sicht des Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske vielerorts erheblich schmälern. Es sei sogar mit ähnlichen Konsequenzen wie im dramatisch verschuldeten Griechenland zu rechnen.

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Frankfurt/Main – Der Sparzwang bei den chronisch klammen Kommunen wird die Lebensqualität der Bürger aus Sicht des Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske vielerorts erheblich schmälern. Es sei sogar mit ähnlichen Konsequenzen wie im dramatisch verschuldeten Griechenland zu rechnen.

„Was da auf uns zukommt, wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert, sind – ich darf das mal so sagen – griechische Verhältnisse“, sagte der Chef der mehr als zwei Millionen Mitglieder starken Gewerkschaft in Frankfurt am Main.

Dort informierte Bsirske mit dem Vorsitzenden des Bundes der SPD-Kommunalpolitiker (SGK), Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil, über die Befürchtungen der Kommunen. Einrichtungen wie Theater, Jugendzentren, Freizeitheime und Schwimmbäder drohten, dem Sparzwang zum Opfer fallen. „Wir reden im Grunde genommen über den Gutteil der kommunalen kulturellen sozialen Infrastruktur“, sagte Bsirske.

Den Kommunen drohen nach Plänen der schwarz-gelben Bundesregierung neue Einschnitte, weil auch sie beim Sparen helfen sollen. Aktuell überlegt die Koalition, die Gewerbesteuer abzuschaffen – sie ist eine Haupteinnahmequelle der Kommunen.

Nach dem Konzept der FDP soll die mit der Konjunktur stetig schwankende Steuer durch eine konstantere Kommunalsteuer ersetzt werden. Für Weil ist das aber ein schlechtes Geschäft. Er fordert eine Ausweitung der Gewerbesteuer auf die freien Berufe wie Ärzte, Anwälte und Steuerberater. Ihre Gewerbe sind von Gewerbesteuer befreit.

Die Ausdehnung auf Freiberufler hatten Anfang der Woche auch schon der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte-und Gemeindebund gefordert – die zwei kommunalen Spitzenverbände. Die FDP hatte dieser Idee jedoch umgehend eine Absage erteilt.

Nach Angaben Weils haben die Schulden der Städte, Gemeinden und Kreise mit 35 Milliarden Euro einen historischen Höchststand erreicht. „In diesem Staat, in dieser Gesellschaft läuft gerade etwas richtig schief – nicht ein bisschen schief, sondern richtig schief“, sagte Weil. „Wir werden von der Bundespolitik in einer Art und Weise im Stich gelassen, die man nur noch als abenteuerlich bezeichnen kann.“

Weil und Bsirske forderten Kreditbürgschaften für die Kommunen, ein kommunales Konjunkturprogramm und Entlastungen bei den sozialen Leistungen, die die Kommunen tragen. So könne ein flächendeckender Mindestlohn die Kosten für Hilfe zum Lebensunterhalt reduzieren. Für die Finanzierung dieser Pläne sollen Besserverdienende zur Kasse gebeten werden – mit höheren Steuern für Vermögen, Spitzeneinkommen und große Erbschaften. „Es ist nicht gottgegeben, dass wir bei der Besteuerung von großen Erbschaften und Vermögen eine Steueroase sind in der Bundesrepublik“, sagte Weil.

Würde Deutschland diese Abgaben nur auf den Durchschnitt der Eurozone anheben, hätte der Fiskus pro Jahr 33 Milliarden Euro mehr, sagte Weil – das entspräche etwa dem aktuellen Schuldenstand der Kommunen von rund 35 Milliarden Euro.