Berlin

BND-Affäre: Was wusste die Politik?

Überwachungskameras an der neuen BND-Zentrale in Berlin werden ihre Schatten.
Überwachungskameras an der neuen BND-Zentrale in Berlin werden ihre Schatten. Foto: dpa

Die Aufklärung der jüngsten BND-Affäre um die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst kommt in dieser Woche in eine entscheidende Phase. Gleich in drei Gremien geht es um die Frage, ob und wie umfangreich der deutsche Bundesnachrichtendienst der amerikanischen Nationalen Sicherheits-Agentur (NSA) beim Ausspionieren von Deutschlands Freunden in Europa geholfen hat.

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Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz

Innenminister Thomas de Maizière soll dem Parlamentarischen Kontrollgremium erklären, warum er nicht von Wirtschaftsspionage spricht, obwohl Konzerne wie EADS und Eurocopter auf der Zielliste standen. Generalbundesanwalt Harald Range will mit dem Rechtsausschuss erörtern, ob strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden müssen. Und Technikspezialisten des BND könnten dem Untersuchungsausschuss erläutern. wie Hunderttausende von Suchkriterien („Selektoren“) von den Amerikanern übermittelt, von den Deutschen eingepflegt, ausgesondert oder erst nachträglich gelöscht wurden. Damit kommt die Politik auch den Fragen nach der politischen Verantwortung näher. Es geht um:

Gerhard Schindler (FDP), BND-Präsident seit 2012: Der eigentliche Akt lief vor seiner Zeit. Neueste Erkenntnisse hat er offenbar sofort Mitte März ans Kanzleramt gemeldet. Doch für Hinweise auf NSA-Suchanfragen zu Rüstungsfirmen, EU-Beamten und europäischen Diplomaten scheint er sich auch nicht interessiert zu haben. Wesentliche Feststellungen behielten untere Ebenen für sich. Schindler ist gemeint, wenn das Kanzleramt von „technische und organisatorische Defiziten“ kritisiert.

Thomas De Maizière (CDU), Bundesinnenminister und von 2005 bis 2009 Kanzleramtschef, erhielt seit 2008 die Hinweise, dass dem BND schon 2005 die fragwürdige Auskunftbegehren des NSA aufgefallen waren. Er versicherte gleichwohl selbst im letzten Monat noch einmal, dass keine Hinweise auf „angebliche Wirtschaftsspionage“ vorlägen.

Ronald Pofalla (CDU), Bahn-Generalbevollmächtigter und von 2009 bis 2013 Kanzleramtschef, war in der Verantwortung für die Geheimdienste, als 2010 weitere Hinweise eintrafen und 2013 Edward Snowden die ungeahnte Datensammelwut des NSA auch in Deutschland enthüllte und auch das Wirken in Deutschland Wellen schlug. SPD-Vize Ralf Stegner findet es „befremdlich, dass sich die Aufmerksamkeit auf de Maizière konzentriert, wo es doch ganz offensichtlich Pofalla war, der 2013 die Unwahrheit sagte, als er behauptete die deutschen Datenschutzregeln würden eingehalten“.

Peter Altmaier (CDU), seit 2013 Kanzleramtsminister, steht in der Verantwortung für die Information des Parlamentes. Er hat zwar oberhalb des Abteilungsleiters für die Geheimdienstkontrolle im Kanzleramt noch einen Geheimdienstkoordinator und darüber neuerdings auch noch einen Geheimdienstbeauftragten installiert und somit mindestens eine zusätzliche „Brandmauer“ errichtet, doch letztlich leitet er jeden Dienstag die Nachrichtendienstlagen im Kanzleramt.

Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin, ist die einzige, die in der gesamten Zeit verantwortlich war. Die SPD weist ihr jetzt auch die Schlüsselrolle bei der Aufklärung zu. „Die Bundeskanzlerin muss persönlich dafür sorgen, dass die Liste mit den NSA-Suchkriterien dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wird“, fordert Parteivize Stegner. Es sei in diesem Fall auch „egal“, was der US-Geheimdienst darüber denkt, denn der BND und seine Arbeit seien an die deutsche Verfassung und die deutschen Gesetze gebunden – „und dafür trägt natürlich die Bundeskanzlerin die politische Verantwortung.“ Sie müsse deshalb auch sicherstellen, dass Altmaier, Pofalla und de Maizière vor dem Kontrollgremium für Aufklärung sorgten.

Aus diesem Grund hält es die SPD-Spitze zudem für „zu kurz gesprungen, bei personellen Konsequenzen nur an den BND-Präsidenten zu denken. “Entweder, das Kanzleramt wusste nichts und hat als politische Aufsicht versagt, oder es unternahm wider besseres Wissen nichts und hat die Öffentlichkeit getäuscht, was noch schlimmer wäre", sagt Stegner.