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Modernismus zwischen Mauerbau und Mondlandung – 60 Jahre Opel Kapitän, Admiral und Diplomat (KAD A)

Revolution aus Rüsselsheim in der Luxusklasse: Vor 60 Jahren lancierte Opel das Trio Kapitän, Admiral und Diplomat (KAD) in amerikanischer Design-Avantgarde als frische Flaggschiffe für Deutschlands Wirtschaftskapitäne. In „Mid-Century-Modern“-Formen gelang es den Modellen mit Blitz sogar, den Stuttgarter Stern zu schlagen

SP-X/Köln. Mit seiner Interpretation von „Fly me to the moon“ begeisterte US-Superstar Frank Sinatra 1964 ein Millionenpublikum, verkörperte dieser Song doch die Aufbruchsstimmung der Swinging Sixties. Ganz so wie drei Senkrechtstarter aus Rüsselsheim: Das neue Opel-Oberklasse-Trio aus Kapitän, Admiral und Diplomat („KAD“-Modelle genannt) machte stilvollen Luxus für breitere Bevölkerungskreise bezahlbar. Besonders der Diplomat mit 169 kW/230 PS freisetzendem V8 wurde seinem Werbeslogan als „Star der starken Wagen“ gerecht, überholte er in den Verkaufszahlen doch sogar den Mercedes 300 SE. Während Generaldirektoren und Vizekanzler Hans-Christoph Seebohm auf den Diplomat abfuhren, präferierten Geschäftsleute die billigeren, aber ebenfalls fast fünf Meter langen Sechszylinder Kapitän und Admiral, die sich sich nur durch Details differenzierten. Zwar verkörperten alle KAD-Modelle amerikanischen Lifestyle – schließlich war Opel eine Tochter des General-Motors-Konzerns. Andererseits gelang es der hessischen GM-Dependenz, die Limousinen in den Linien des bis heute gefeierten „Mid Century Modern“ zu designen. Also im Mix aus klaren Konturen, geometrischen Formen und organischen Kurven, wie ihn das auf den Höhepunkt zu rasende Wirtschaftswunder in jenen Jahren zwischen Beatlemania und Miniröcken sowie Mauerbau und Mondlandung liebte. Plötzlich war Design eine Kraft, die Klassengrenzen sprengte, und so standen KAD-Typen auch am Taxistand oder im Polizeidienst.

Es ist wie früher und doch ganz anders: Mit beleuchtetem Blitz und in den klaren Konturen des spektakulären Concept Cars „Experimental“ soll heute das vergleichsweise günstig eingepreiste neue Opel-Flaggschiff Grandland die deutsche Tochter des Stellantis-Konzerns zu frischen Erfolgen führen – und so den anhaltenden Höhenflug der Hessen im Kleinwagensegment auf größere Klassen übertragen. Anfang der 1960er Jahre beherrschte Opel bereits fast ein Viertel des deutschen Neuwagenmarktes, konnte es damals überhaupt noch eine Steigerung geben? Das Dreigestirn Kapitän, Admiral und Diplomat zeigte, was mit staatstragend großen Karossen zu kleinen Preisen im automobilen Oberhaus möglich war.

„BMW beendet die Produktion seiner barocken Flaggschiffe, luxuriöse Engländer und Italiener sind wenig beliebt, aber Mercedes verkauft mit großem Erfolg vier Sechszylinder-Versionen mit einer Karosserie“, resümierte ein deutsches Fachmedium 1964 die Situation auf dem deutschen Premiummarkt. Gute Chancen also für ein repräsentatives Opel-Trio, das Besserverdienenden amerikanische Wohlstandsattribute bot. Ob geräumiger Bungalow, Swimmingpool, Geschirrspüler, Tiefkühlkost, Nerzmantel, Air-Conditioner oder der Trend zum Zweitauto: Die Europäer folgten in den 1960ern dem US-Vorbild und zeigten, was sie sich leisten konnten. Deshalb streckte Opel das seit 1938 in der oberen Mittelklasse erfolgreiche Modell Kapitän vor 60 Jahren auf Oberklasse-taugliche 4,95 Meter Länge, spendierte ihm optionale V8-Power aus 4,6 Litern Hubraum und positionierte den unter Chefdesigner Clare MacKichan gezeichneten Viertürer als Einstiegsmodell in seine neue, sogenannte Prominentenklasse. Aber auch mit populärem 2,6-Liter-Sechszylindermotor mit 74 kW/100 PS (1965 ergänzte ein 91 kW/125 PS leistendes 2,8-Liter-Triebwerk das Angebot) galt der Kapitän als schnellster Sechszylinder mit sechs Sitzplätzen in zwei Reihen. Ein zuverlässiges Auto, wie es auch Familienväter und Taxifahrer liebten, die nicht auf den Verbrauchsvorteil der Mercedes-Diesel achten mussten. Mit einem Radstand von 2,85 Metern setzte der Kapitän Maßstäbe – nicht einmal der doppelt so teure Mercedes 300 SE „lang“ bot fürstlichere Raumverhältnisse.

Die großzügig verchromte Front mit Breitbandleuchten und vollintegrierten Nebelleuchten verschaffte dem Kapitän freie Bahn auf der linken Spur – damals noch ein Prestigekriterium, und mit 140 kW/190 PS kräftigem V8 taugte er sogar zum Porsche-911-Jäger. Diesen V8-Luxus gönnten sich allerdings nur 113 Kapitän-Kunden, das Kraftwerk passte besser zum luxuriöser ausgestatteten und seit 1937 vertrauten Admiral – und vor allem zum Diplomat, der mit Schlagzeilen wie „Blitz schlägt Benz“ für weitere Überraschungen gut war. Während 1964 der erste Meister der neuen Fußball-Bundesliga 1. FC Köln hieß, und die Kölner Ford-Werke mit englischen Ford Zodiac hilflos auf den Kapitän antworteten, landete Opel mit dem Diplomat seinen größten Hit. Deutschlands führende Luxuslimousine gab es zum Jahreswechsel auch als elitäres Coupé mit feudalem 5,4-Liter-V8. Stolze 169 kW/230 PS hielt das von Chevrolet gelieferte Triebwerk bereit, fast ebenso viel Power wie der drei Mal so teure Mercedes-Benz 600. Anders als diese protzige Staatskutsche präsentierte sich der beim Karossier Karmann in Osnabrück gebaute zweitürige Opel jedoch als vielbewunderte sportive Stil-Ikone.

„Ein Diplomat V8 Coupé befindet sich meistens in Gesellschaft, jedenfalls solange es parkt. Ständig ist es von Bewunderern umringt. Nehmen Sie’s gelassen schmunzelnd hin“, erklärte die Opel-Werbung. Wenn sich dieses Szenario heute beim Opel-Flaggschiff Grandland wiederholen würde, wären die Opel-Verkaufsstrategen glücklich. Andererseits: Das Diplomat Coupé blieb trotz faszinierender Formensprache und formidabler Fahrleistungen – die Vmax von 206 km/h konnte kein Konkurrent toppen – eine in nur 304 Einheiten gebaute Rarität. Ein ebenfalls vom Karossier Karmann realisiertes Diplomat V8 Cabriolet ging deshalb gar nicht erst in Serienfertigung. Im Duell mit Highend-Coupés wie BMW 3200 CS oder Mercedes 300 SE strahlte der Opel zu viel Bodenständigkeit aus. Eine Erfahrung, die damals auch der bayerische Autobauer Glas machen musste – und mit dem 2600 V8 an den finanziellen Abgrund kam.

Dagegen ging es Opel bis Ende der 1960er richtig gut – nicht zuletzt dank des viertürigen KAD-Trios, das von der breiten Bevölkerung als fast vollendeter Mix aus modernem Design, bezahlbarem Luxus und amerikanisch-anmutenden Glamour wahrgenommen wurde. Entsprechend groß waren die Erwartungen an die zweite KAD-Generation, die Anfang 1969 startete. Damals, als die Astronauten des Raumschiffs Apollo 10 während ihres Flugs in die Mondumlaufbahn Sinatras „Fly me to the moon“ abspielten. Aber das ist eine andere Geschichte, nur so viel sei verraten: Höher als Opels erste sogenannte „Großwagenklasse“ konnte kein Rüsselsheimer Flaggschiff fliegen.

Wie begehrenswert es für die Oldtimerszene ist, einen Kapitän, Admiral oder Diplomat zu erwerben, erklärt Nicolas Ziegler von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Nach Ansicht vieler Autotester fehlte den großen Opel-Modellen zum Erfolg vor allem eins: Ein Stern auf der Haube. Aufgrund ihrer Qualitäten, ihres amerikanisch angehauchten Designs aber auch ihres günstigen Einstiegspreises bildete sich um sie schon früh ein großer Fankreis. Zu den traditionell beliebtesten Modellen gehört der Diplomat A V8, der heute im guten Zustand selten unter 37.000 Euro zu finden ist.“

Kurzcharakteristik:

Chronik:

1937: Der Opel Admiral startet als Flaggschiffmodell der Marke

1938: Im Herbst debütiert der Opel Kapitän als zweitürige Limousine, viertürige Limousine und als Cabriolet, dies u.a. von Gläser in Dresden und Hebmüller in Wülfrath. Der Kapitän ersetzt den Opel Super 6 und ist der erste Oberklasse-Opel mit selbsttragender Karosserie. Zugleich ist der Kapitän die letzte Neukonstruktion von Opel vor dem Zweiten Weltkrieg

1939: Internationales Debüt für den Opel Kapitän auf dem Genfer Automobilsalon. Auch auf Exportmärkten ist der Kapitän beliebt

1940: Im Oktober kriegsbedingte Produktionseinstellung. Insgesamt wurden 25.371 Kapitän hergestellt, jedoch folgten 1943 noch drei Einzelfahrzeuge

1948: Der erste deutsche Sechszylinder im Nachkriegsdeutschland ist der Kapitän, dies allerdings als Fortführung des Vorkriegsmodells und zunächst ausschließlich als viertürige Limousine

1950: Im April erfährt der Kapitän eine sanfte Modellpflege mit neuer Lenkradschaltung, geändertem Interieur und modifizierter Fahrwerkstechnik zugunsten besserer Kurvenfahreigenschaften, die Vermarktung erfolgt als Kapitän '50

1951: Großes Facelift für das Opel-Flaggschiff. Als Kapitän '51 startet der Opel im März optisch und technisch modifiziert in die deutschen Wirtschaftswunderjahre

1953: Der Kapitän erobert erstmals den dritten Platz der deutschen Zulassungsstatistik hinter dem Volkswagen Käfer und dem Opel Rekord. Im Juli erfolgt das Produktionsende des Kapitän '51, von dem jedes zweite Auto exportiert wurde. Im November wird eine neue Generation des Kapitän vorgestellt, nun in modischer Pontonform, die interne Bezeichnung lautet Kapitän '54

1955: Im Juli kommt es beim Kapitän zum Modellwechsel nach 61.543 gebauten Einheiten, davon wurden 40.413 Autos exportiert. Im August startet der neue, optisch und technisch modifizierte Opel Kapitän '56 mit angedeuteten Heckflossen und großem Chromkühler statt sogenanntem Haifischmaul

1956: Im August erfolgt die Einführung des Opel Kapitän '57 mit zahlreichen Änderungen wie neu abgestuftem, jetzt vollsynchronisiertem Dreiganggetriebe. Am 9. November läuft ein Kapitän als zweimillionster Opel seit Beginn des Automobilbaus in Rüsselsheim im Jahr 1899 vom Band

1958: Im Februar endet die Fertigung des Opel Kapitän '58. Der Nachfolger kommt erst im Juni in den Handel, dies als Kapitän P 2,5 als fünf- bis sechssitzige Limousine mit Panoramascheiben, aber zu schmalen Einstiegsöffnungen und hinten stark abfallender Dachlinie

1959: Im Juni erneuter Modellwechsel beim Opel Kapitän nach heftiger Kunden-Kritik am von GM vorgegebenen Design. Der neue Kapitän P 2,6 startet im August nach nur wenige Monate währender Entwicklungszeit in frischem Design und mit hubraumstärkerem Motor. Mit dem Kapitän 2,6 gelingt Opel der Aufstieg zum größten deutschen Sechszylinderhersteller

1963: Im November läuft der Kapitän P 2,6 nach 145.618 Einheiten aus

1964: Die neue Opel-Oberklasse startet mit der internen Bezeichnung Kapitän A, Admiral A und Diplomat A (kurz KAD). Die schon 1937 verwendete Modellbezeichnung Admiral wird wiederbelebt, der Opel Diplomat als luxuriösester KAD-Typ ist neu. Die Presse-Präsentation der KAD-Typen erfolgt im Februar. Im selben Monat startet auch die Produktion des Kapitän. Produktionsstart für den Admiral ist im Mai und für den Diplomat V8 mit 4,6-Liter-Benziner von Chevrolet im August. Im Dezember wird das Diplomat V8 Coupé mit 5,4-Liter-Maschine von Chevrolet vorgestellt, die Produktion der Coupé-Karosserie erfolgt bei Karmann. Insgesamt werden in diesem Jahr 30.571 Einheiten der großen Opel produziert. Die Oberklasse-Konkurrenz von BMW („Barockengel“ 2600 und V8) wird im März ersatzlos eingestellt. Dafür gibt es weiterhin die Mercedes-Benz-Modelle 220 S bis 300 SE (W 111/112) als Wettbewerber. Der Diplomat übertrifft den Mercedes 300 SE bald in den Verkaufszahlen

1965: Ab März sind auch die Opel-Modelle Kapitän und Admiral mit der 4,6-Liter-V8-Motorisierung bestellbar. Im September debütiert ein neuer 2,8-Liter-Sechszylinder-Motor. Insgesamt werden in diesem Jahr 29.262 Einheiten der großen Opel-Baureihe gefertigt. Seit August gibt es die neuen Mercedes-Benz 250 S bis 300 SEL als Konkurrenten, allerdings nur mit Sechszylinder-Motoren. Dennoch wird der Diplomat V8 noch einmal meistverkaufte deutsche Oberklasselimousine vor dem Mercedes 300 SE

1966: Ab September ist die Diplomat V8 Limousine auch mit der 5,4-Liter-Motorisierung lieferbar, die bis dahin dem Coupé vorbehalten war. Opel spendiert allen Sechszylinder-KAD-Typen eine breitere Spur. Noch 18.473 Einheiten werden in diesem Jahr von den großen Opel produziert, das bundesdeutsche Wirtschaftswunder wird von der ersten Rezession abgelöst

1967: Im September erhält die gesamte Baureihe der „Großen Drei“ eine umfassende Modellpflege mit neuer Lenkung und neuer Sicherheitslenksäule. Äußeres Kennzeichen der Aktualisierung ist eine seitliche Zierleiste. Kapitän und Admiral sind jetzt optional mit leistungsgesteigertem Sechszylinder lieferbar

1968: Im Dezember Produktionsauslauf der KAD-Reihe nach 89.277 Einheiten, davon 24.249 Kapitän, 55.876 Admiral und 9.152 Diplomat. 4.880 Einheiten der Opel-KAD-Flaggschiffe entstanden im Jahr 1968, dem letzten Produktionsjahr

1969: Im März werden die Nachfolgemodelle Opel Kapitän B, Admiral B und Diplomat B eingeführt

1970: Im Mai entfällt der Kapitän zugunsten einer einfach ausgestatteten Version des Opel Admiral

1977: Im Juli erfolgt das Produktionsende der letzten KAD-Reihe nach insgesamt 61.569 Einheiten, davon nur 4.976 Kapitän. Auf der Frankfurter IAA debütiert der Opel Senator als neues Opel Flaggschiff mit Sechszylindermotorisierung

2024: Die Opel-Community feiert das Jubiläum 60 Jahre Opel KAD (A) bei verschiedenen Events. Als erstes vollelektrisches Opel-Flaggschiffmodell feiert der Opel Grandland Premiere, dies in neuer Designsprache, die ihm frische Erfolge garantieren soll

Produktionszahlen Opel Kapitän, Admiral, Diplomat (1964-1968):

Insgesamt 89.277 Einheiten;

davon 24.249 Opel Kapitän A (15.030 Kapitän 2,6; 203 Kapitän 2,5 für den österreichischen Markt, 8.903 Kapitän 2,8, 113 Kapitän 4,6 V8)

und 55.876 Opel Admiral A (31.318 Admiral 2,6, 377 Admiral 2,5 für den österreichischen Markt, 23.558 Admiral 2,8, 623 Admiral 4,6 V8)

sowie 9.152 Opel Diplomat A (8.518 Diplomat 4,6 V8, 330 Diplomat 5,4 V8), 304 Diplomat 5,4 V8 Coupé, 1 Diplomat 5,4 V8 Cabriolet

Wichtige Motorisierungen Opel Kapitän, Admiral, Diplomat (1964-1968):

Opel Kapitän A im Export mit 2,5-Liter-Sechszylinder (66 kW/90 PS bzw. mit 82 kW/112 PS)

Opel Kapitän A mit 2,6-Liter-Sechszylinder (74 kW/100 PS)

Opel Kapitän A mit 2,8-Liter-Sechszylinder (92 kW/125 PS)

Opel Kapitän A V8 mit 4,6-Liter-V8 (140 kW/190 PS)

Opel Admiral A mit 2,6-Liter-Sechszylinder (74 kW/100 PS)

Opel Admiral A mit 2,8-Liter-Sechszylinder (92 kW/125 PS)

Opel Admiral A V8 mit 4,6-Liter-V8 (140 kW/190 PS)

Opel Diplomat A V8 mit 4,6-Liter-V8 (140 kW/190 PS)

Opel Diplomat A V8 mit 5,4-Liter-V8 (169 kW/230 PS).

Wolfram Nickel/SP-X

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