Fachtag mit 80 Teilnehmern macht Mut für mehr Miteinander
Fachtag mit 80 Teilnehmern: Diakonie und Dekanat wollen sich vernetzen
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Rund 80 Mitarbeitende von Diakonie und Dekanat haben sich überlegt, wie sie künftig noch enger zusammenarbeiten können. In Westerburg haben sie sich symbolisch mit einem Wollfaden vernetzt. Fotos: Peter Bongard
rw-system. Peter Bongard

Manchmal ist die Zusammenarbeit zweier Institutionen eine harte Nuss. Die Regionale Diakonie Westerwald und das Evangelische Dekanat Westerwald haben während ihres gemeinsamen Fachtags nun einige Nüsse geknackt. Und das, obwohl die beiden Einrichtungen schon auf vielen Gebieten gut und eng zusammenarbeiten. Aber da geht noch mehr, glauben die 80 Gäste im Westerburger Ratssaal.

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Rund 80 Mitarbeitende von Diakonie und Dekanat haben sich überlegt, wie sie künftig noch enger zusammenarbeiten können. In Westerburg haben sie sich symbolisch mit einem Wollfaden vernetzt. Fotos: Peter Bongard
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Deshalb: Nüsse knacken. Und zwar im wörtlichen Sinne. Dekan Axel Wengenroth und Diakonieleiter Wilfried Kehr nehmen sich die kleinen Früchte vor, und unter den Schalen verbergen sich zusammengerollte Zettel. Darauf stehen Sätze, die das aktuelle Miteinander von Kirche und Diakonie beschreiben. Manchmal ist der Wurm drin; dann, wenn Mittel gekürzt werden, wenn Mitarbeitende überlastet sind oder die Kirche Menschen in schwierigen Lebenslagen scheinbar nicht mehr erreicht.

Andere Dinge machen Mut: Gemeinsame Projekte wie „Weihnachten für alle“, die Kooperation zwischen der Kirchengemeinde und der Westerburger Tagesstätte für psychisch Kranke, die gemeinsame Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit, die Hilfe für Flüchtlinge zum Beispiel. „Heute geht es um die Frage: Was können und müssen wir für ein noch besseres Miteinander tun? Und was liegt in Gottes Hand?“, sagt Dekan Axel Wengenroth zu Beginn und hofft auf Weisheit, die richtige Balance zwischen nötiger Eigeninitiative und Gottvertrauen zu finden.

„Solch eine Veranstaltung gab es meines Wissens noch nie.“

Wilfried Kehr

Wilfried Kehr nennt den gemeinsamen Fachtag gar „historisch“: „Solch eine Veranstaltung gab es meines Wissens noch nie.“ Beide Seiten gehen also mit großen Erwartungen in den Tag – und haben eine hochkarätige Referentin eingeladen: Oberkirchenrätin a. D. Cornelia Coenen-Marx war unter anderem Leiterin des Referats Sozial- und Gesellschaftspolitik der EKD, Pfarrerin und Vorstand der Kaiserswerther Diakonie.

Eine Frau, die beide Seiten kennt und die viel zu sagen hat – gerade in Zeiten wie diesen, die von vielen „Krisengipfeln“ geprägt sind, wie sie es formuliert: Von Flüchtlingsgipfeln, Wohnungsgipfeln, Energiegipfeln. Gipfel überwinden kann man nur mit einer stabilen Seilschaft, sagt sie und spricht etwa über Florence Nightingale und Johann Hinrich Wichern als diakonische und kirchliche Vordenker. Menschen, die sich vernetzt haben, um Gutes zu bewirken.

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Die Referentin des Tages, Cornelia Coenen-Marx (links), ermutigt die Teilnehmenden, Dinge einfach anzupacken, statt allzu langwierig zu planen.
rw-system. Peter Bongard

Auch Diakonie und Kirche brauchten diesen Zusammenhalt – gerade im Blick auf die Mitgliederentwicklung, die sich laut der Freiburger Studie bis 2060 halbieren könnte. Und mit Blick auf diejenigen, die allein sind: „40 Prozent der über 75-Jährigen fühlen sich einsam“, ist nur eine der vielen Statistiken, die Cornelia Coenen-Marx anführt und die eine deutliche Sprache sprechen. „Der Weg aus dieser Einsamkeit führt über die wechselseitige Unterstützung. Menschen wollen sich nicht nur umsorgt fühlen, sondern auch die Gelegenheit haben, für andere zu sorgen.“ Kirche und Diakonie können dafür Räume schaffen und Prozesse begleiten – etwa in Mittagstischen, Schmökerstuben, Projektchören oder Reparaturcafés.

Begegnungen planen ohne ausufernde Planungen

Es geht also darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem Begegnungen möglich sind. Manchmal auch ohne allzu ausufernde Planungen im Vorfeld, sagt die Referentin: „Einfach mal machen ist die Devise! Und haben Sie keine Angst vor Profilverlust – zum Beispiel, was die Grenzen der eigenen Konfession angeht. Geben Sie denjenigen ruhig Raum, die sich engagieren möchten und Ideen haben.“

Räume schaffen meint die Referentin sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne. Denn viele, die sich Kontakt wünschen und sich engagieren möchten, gehören nicht zur Kirche und spüren vielleicht eine Scheu vor klassischen kirchlichen Räumen. „Vernetzen Sie sich deshalb mit Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und Nachbarschaftsinitiativen, um Räume zu schaffen, zu denen alle Zugang finden.“

Aushängeschilder der Kirche

Solche Orte gibt es schon – auch im Westerwald: Dort sind zum Beispiel das Diakonie-Café „Marktplatz 8“ in Westerburg und der Kleiderladen „Mittendrin und mehr“ in Bad Marienberg Aushängeschilder von Kirche. Auch ohne Altar und Glockenturm. Solche Begegnungsräume sind wichtig, sagt Coenen-Marx. „Es geht nicht darum, andere zu bekehren, sondern die aktuellen Herausforderungen der Menschen zu bewältigen. Denn alle Probleme unserer Zeit finden sich auch in unserer Nachbarschaft“, glaubt sie. Deshalb sollten Kirche und Diakonie vor allem: zuhören. Hören, was die Menschen brauchen. Die Referentin fasst das in einem Zitat Ralf Kötters zusammen: „Christen, die nur unter sich leben, haben keine Ahnung, wie das Christentum auf Menschen wirkt, die nicht glauben.“

Hinhören und Ermöglichen statt Bekehren mit der Brechstange. So kann die gemeinsame Zukunft von Kirche und Diakonie nach Meinung Cornelia Coenen-Marx‘ gelingen. Und: Es ist wichtig, die Menschen in ihrem Leben zu begleiten, sagt sie. Das kann die Tafelarbeit sein, die Flüchtlingshilfe, das Zeitnehmen für Alte und Kranke. So gesehen ist Diakonie uralt. Und sehr biblisch. Denn auch im Buch der Bücher werden Nackte bekleidet, Fremde aufgenommen, wird Kranken geholfen. Das liegt auch den Gästen des Fachtags am Herzen, wie sie sich während der Kleingruppenphasen und in Diskussionsrunden versichern.

Die Voraussetzungen dafür sind da: „In unseren Gemeinden ist alles vorhanden. Lassen Sie es uns nutzen“, sagt Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer zum Schluss. Ein Fachtag, von dem die Gäste nicht nur inspirierende Begegnungen mitnehmen, sondern der Lust auf noch mehr Vernetzung zwischen Diakonie und Dekanat macht. Auch wenn noch Nüsse zu knacken sind.

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Westerwälder Zeitung