Irene Geiger-Schaller, Josef Höglauer, Anne-Bärbel Ruf-Körver und Hannes Schott müssen es wissen – schließlich sind die vier Akteure des kirchlich-bayrischen Pfarrkabaretts „Das weißblaue Beffchen“, das jüngst im Nastätter Bürgerhaus für Lachsalven sorgte, allesamt selbst in diesem respektablen Beruf tätig. Und es sollte sogar noch schlimmer kommen: Ein paar Nummern weiter, beim „Ba… Ba… Banküberfall“, zeigten die vier noch mehr von ihrem wahren Wesen: „Wir beichten alles dem Vatikan, feuern auf die Moral und gehen hinterher zum Abendmahl“, offenbarten sie lauthals singend.
Man sieht es schon: Die Freizeitkabarettisten des 1979 gegründeten „Weißblauen Beffchens“, das nach eigenen Angaben das älteste Kabarett evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Bayern ist, sind Profis darin, ihr eigenes Dasein als Geistliche gleichermaßen amüsant wie hintergründig auf die Schippe zu nehmen. Und „wehmütig“ auf eine Zeit zurückblicken, in der sie noch nicht „Raus aus dem Pfarradies“ mussten, wie es der Titel ihres aktuellen Programms androht. Auf eine Zeit, in der man noch auf den Herrn Pfarrer gehört hat und die Rollen zwischen den Geschlechtern klar verteilt waren: „Der Platz der Pfarrfrau im Gottesdienst des Gatten war in der ersten Reihe – zusammen mit fast allen Kindern.“
Auch der FKK-Club feiert Jubiläum
Heute dagegen herrschen Sodom und Gomorrha. Und die machen noch nicht einmal vor der geplanten Jubiläumsfeier der Kirchengemeinde des beschaulichen Örtchens Offenberg Halt. Warum nur muss der örtliche FKK-Club just am selben Tag sein Jubiläum feiern? Wenn’s denn unbedingt sein muss: Kann man sich dann wenigstens auf einen gemeinsamen Flötenkreis einigen? Nein, angesichts der Tatsache, dass zur Feier des Kirchenvorstands höchstens zwei oder drei Besucher kommen würden, schlagen die pfiffigen FKKler vor: „Am besten, Sie treten alle bei uns ein, und wir beleben den alten Laden wieder.“
Für reichlich Klamauk war also gesorgt bei dieser irgendwie so gar nicht frommen Veranstaltung, deren finanzieller Überschuss, wie der stellvertretende Vorsitzende der veranstaltenden evangelischen Kirchengemeinde Nastätten, Torsten Hartmann, eingangs berichtete, zu 100 Prozent dem ambulanten Hospiz Rhein-Lahn zugutekommt. Ein zum Brüllen komischer, kabarettistisch auf ganzer Linie überzeugender Abend war es, an dessen Gelingen alle vier Akteure gleichermaßen ihren Anteil hatten.
Irene Geiger-Schaller zum Beispiel, seit 1997 dabei und somit die „Dienstälteste“ im „Blauweißen Beffchen“, schlug sich in einer Solonummer unter anderem mit Fluch und Segen der E-Mail-Kommunikation herum. Die kann nämlich, etwa wenn man bei der Vorbereitung des Gemeindefestes versehentlich auf „Alle antworten“ drückt und somit auch Gundi selbst brühwarm wissen lässt, dass sie grottenschlechte Torten backt, gewaltig danebengehen.
Oder Anne-Bärbel Ruf-Körver, für die der Auftritt in Nastätten fast zu so etwas wie einem Heimspiel geriet, war sie doch von 2017 bis 2021 Pfarrerin in der Blaufärber- und Bienenstadt: Sie begeisterte unter anderem als Pippi Langstrumpf, die frischen Schwung nach Bayern bringt (Kommentar eines männlichen Kollegen: „Das ist ja eine Feministin, so etwas haben wir hier noch nie gehabt“).
„Liebe, Gerechtigkeit und Frieden für alle müssen halt noch installiert werden – aber versuchen Sie heutzutage mal, einen Handwerker zu finden.“
Hannes Schott zu unvollendeten Projekten
Hannes Schott wiederum strapazierte das Zwerchfell außer mit einer umwerfend schrägen Howard-Carpendale-Parodie auch als unmittelbar an der Schöpfungsgeschichte beteiligter Baustellengel. Anschaulich erzählte er, wie er damals half, die Welt aus Atomen zu erbauen („Ich mit meinen Wurstfingern“) und warum bei der Erschaffung des Menschen wegen des Ruhetags leider einiges unvollendet blieb: „Liebe, Gerechtigkeit und Frieden für alle müssen halt noch installiert werden – aber versuchen Sie heutzutage mal, einen Handwerker zu finden.“
Und Josef Höglauer? Der war als Mann am Klavier ohnehin nahezu pausenlos im Einsatz, gestaltete nicht nur, von Anne-Bärbel Ruf-Körver des Öfteren an der Violine begleitet, die Übergänge zwischen den Kabarettnummern, sondern war auch bei zahlreichen gemeinsam performten Liedern für den pianistischen Part zuständig. Denn dieses Kirchenkabarett, so viel steht fest, war zugleich auch ein Musikkabarett. Das Quartett verpasste zahlreichen bekannten Melodien eigene Texte, wobei das Spektrum vom Volkslied „Auf de schwäbsche Eisenbahne“ bis zum ABBA-Hit „The winner takes it all“ reichte. Köstlich auch, wie Josef Höglauer als klimaklebender Pumuckl oder als Leiter einer komplett aus dem Ruder laufenden Kirchenchorprobe agierte.
Pfarr-Roboter braucht Passwort
Ein wahrhaft höllisches Vergnügen bot, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, auch die Kirchenvorstandsvorsitzung anno 2230, bei der man beim Pfarr-Roboter erst das richtige Passwort eingeben musste, damit er funktioniert, und ungläubig staunend auf Zeiten ohne Künstliche Intelligenz, aber mit Einnahmen aus der Kirchensteuer zurückblickte.
Viel herzerfrischender Nonsens also. Aber nicht nur: Zu den beeindruckendsten Programmnummern zählte zweifellos jene, die sich zu 100 Prozent klamaukfrei um die biblischen Sätze „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und „Der Fremdling soll unter euch wohnen“ drehte. „Jesus war schon ein bisschen radikal“, hieß es da. Und dann: „Wir müssen uns selbst radikalisieren. Radikal liebevoll, radikal offen, radikal christlich – das ist die einzige Alternative, die wir haben.“ Eindeutiger kann eine politische Botschaft wohl kaum sein.