Da staunte Thassilo Falkenau nicht schlecht. Wenige Tage vor der Wahl des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde (VG) Asbach sowie des Landrats am 6. April flatterte ihm ein Brief ins Haus, dass er als Wahlhelfer im Windhagener Wahllokal abberufen worden sei. Von Ortsbürgermeister Hans-Dieter Geiger (Gemeinsam – Bürger für Windhagen, G-BfW). Der Grund: Falkenau hätte sich als Wahlhelfer bei der Bundestagswahl im Februar „despektierlich“ gegenüber dem Ortschef geäußert. Da stellt sich die Frage: Eine Privatfehde – oder wurde in Windhagen unter Geiger der Majestätsbeleidigungsparagraf wieder eingeführt?
Mobbing oder Maulkorb?
Wie der Betroffene im Gespräch mit unserer Zeitung sagt, habe er schon einige Wahlen in den vergangenen Jahren betreut. Bei der Bundestagswahl im Februar war er als Schriftführer eingesetzt. Dabei soll er laut dem Schreiben des Ortsbürgermeisters gegenüber Dritten „despektierliche Aussagen“ über den Ortschef geäußert haben. Was hat Falkenau denn genau gesagt? „Wenn ich ehrlich bin: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich despektierlich verhalten hätte“, sagt er unserer Zeitung. Dass er das Wirken des neuen Ortsbürgermeisters seit der Kommunalwahl kritisch sehe, sei nichts Neues in der Gemeinde, meint der Windhagener. „Ich fühle mich, als würde man mich mobben oder mir einen Maulkorb verpassen wollen. Ich lasse mir den Mund aber nicht verbieten“, sagt Falkenau.
Das Ganze hat eine Vorgeschichte: Falkenau, der im Ort bekannter Taxiunternehmer und für die CDU im Gemeinderat aktiv ist, äußerte sich in der Vergangenheit im Rat erstaunt über die Zuschnitte der Geschäftsbereiche für die Beigeordneten. „Ich verstehe es nicht. Es ist undurchsichtig. Ich möchte die Vorgehensweise erklärt haben“, sagt Falkenau, dass er den Ortschef mehrmals per E-Mail – mitunter kritisch – um eine Erklärung gebeten habe, welcher Beigeordnete bei welcher Thematik zuständig sei, da die Themenbereiche „Hoch- und Tiefbau“ sowie „Infrastruktur und Umwelt“ ineinandergreifen. „Daraufhin hat Herr Geiger mir das ,Du’ entzogen und ist zum distanzierten ,Sie’ zurückgekehrt“, berichtet Falkenau, der bis heute noch keine Erklärung erhalten habe.
„Es kann doch nicht sein, dass mir so ein Schreiben zukommen gelassen wird ohne die Möglichkeit zur Stellungnahme.“
Thassilo Falkenau
Daher habe sein Ansehen des Ortsbürgermeisters in den vergangenen Monaten sehr gelitten. „Ich habe auch Martin Buchholz in seiner Amtszeit gesagt, wenn ich anderer Meinung bin. Solche Reaktionen gab es da nicht“, ärgert sich Falkenau, der sich Sorgen um das Miteinander in Windhagen macht: „Wenn ich das jetzt nicht mehr darf, dann weiß ich nicht, ob ich hier in der Gemeinde noch meine Meinung sagen kann.“
Zum jüngsten Schreiben, das ihn von seiner Funktion als Wahlhelfer entbunden hat, meint Falkenau: „Es kann doch nicht sein, dass mir so ein Schreiben zukommen gelassen wird ohne die Möglichkeit zur Stellungnahme.“ Geigers Amtsvorgänger Martin Buchholz (CDU) hätten die anderen Parteien gern als „Alleinherrscher“ bezeichnet, doch was der neue Ortsbürgermeister tue, gehe eher in diese Richtung. Es seien „Methoden von vorgestern. Transparenz will Herr Geiger wohl ausschalten“, kritisiert Falkenau.
Geiger: „Solche Äußerungen gehören nicht in ein Wahllokal“
Was sagt der Ortsbürgermeister zu der Sache? Hat er überreagiert, als er Falkenau von seinen Pflichten als Wahlhelfer entbunden hat? Nein, meint Hans-Dieter Geiger gegenüber unserer Zeitung. „Solche Äußerungen gehören nicht in ein Wahllokal einer Bundestagswahl“, meint Geiger. Welche Aussagen genau, konkretisiert der Ortschef nicht weiter. Er habe am Tag nach der Bundestagswahl telefonisch von Informanten aus dem Wahllokal davon erfahren, dass Falkenau am Wahltag schlecht über ihn geredet habe, erklärt Geiger. Dann habe er für sich entschieden, „dass so etwas nicht geht“. Nach einem kurzen Kontakt zur Verwaltung habe er dann die Abberufung des Wahlhelfers angewiesen, was ihm als Ortsbürgermeister zustehe, statt den direkten Kontakt zu Falkenau zu suchen.
„Ich möchte nur nicht mehr, dass er bei der nächsten Wahl die Gelegenheit hat, Stimmung zu machen. Egal gegen wen. Nicht in einem Wahllokal. Die Abberufung hätte ich auch gemacht, wenn er über wen anders gelästert hätte.“
Ortsbürgermeister Hans-Dieter Geiger
Mutmaßlich „despektierliche“ Worte gegen den Bürgermeister von einem bekannten Kritiker aus den Reihen der „oppositionellen“ CDU, gefolgt von einer schriftlichen Abberufung als Wahlhelfer Wochen später. Es hat den Anschein, als wäre Falkenau wegen „Majestätsbeleidigung“ bestraft worden. Ohne Prozess – sprich: eine Möglichkeit der Rechtfertigung. Darauf angesprochen, meint Geiger: „Jeder kann über mich alles sagen, wenn ich die Chance habe, etwas zu erwidern, wie etwa im Gemeinderat. Aber das war im Hintergrund, ich war nicht dabei. Und Dorfpolitik hat an einem solchen Tag keine Rolle zu spielen“, sieht sich der Ortschef im Recht und verweist auf die Treuepflicht der Gemeinderatsmitglieder, zu denen auch Thassilo Falkenau zählt. Falkenau, der dem Ortsbürgermeister mit seiner ständigen Kritik „lästig“ wird, wie Geiger sagt.
Von einer „Majestätsbeleidigung“ will Geiger nicht sprechen, das sei eine übertriebene Interpretation. „Ich bin zu 99 Prozent ein gelassener Typ“, meint der Ortschef. „Ich möchte nur nicht mehr, dass er bei der nächsten Wahl die Gelegenheit hat, Stimmung zu machen. Egal gegen wen. Nicht in einem Wahllokal. Die Abberufung hätte ich auch gemacht, wenn er über wen anders gelästert hätte“, betont Geiger. Die Meinungsfreiheit in Windhagen sei mitnichten in Gefahr, bekräftigt der Ortsbürgermeister, der nach eigener Aussage seit seinem Amtsantritt unter Dauerfeuer der oppositionellen CDU stehe.
Rechtliche Zulässigkeit der Abberufung wird geprüft
Und wie geht es nun weiter? Bei der jüngsten CDU-Vorstandssitzung habe er den Parteigenossen von dem Schreiben des Ortsbürgermeisters berichtet, so Falkenau. „Es gab keinen, der positiv überrascht war. Manche meinten, die Kommunalaufsicht solle das prüfen“, sagt Falkenau. Er habe sich nun an die Verwaltung gewendet, ob die Abberufung als Wahlhelfer mit der Begründung der „despektierlichen Aussagen über den Ortsbürgermeister“ rechtlich zulässig sei. Wenn nicht, werde er „rechtswirksame Mittel“ ergreifen, kündigt Falkenau an.