Saarbrücken

Rockende Rentner bleiben jung

Heartchor
Alle Sänger des "Heartchors" sind über 60. Wenn sie von "den Ärzten" reden, denken sie trotzdem nicht an Spritzen. Sondern an einen Song der Berliner Punkband "Die Ärzte", den sie noch üben müssen. Foto: dpa

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, singt Udo Jürgens. Ungewöhnlich aber ist, wenn Oma und Opa zur E- Gitarre Rocksongs von Rammstein oder Westernhagen singen – wie im Saarbrücker Chor der rockenden Rentner. „Heartchor“ nennt er sich, in Anlehnung an den Kinofilm „Young@Heart“, der ältere Damen und Herren porträtiert, die den Rock'n'Roll für sich entdecken.

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Im Film gehen die amerikanischen Senioren auf Tournee. Das deutsche Pendant wird erst einmal mit einem bundesweiten Preis ausgezeichnet: als eine Station im „Land der Ideen“.

Alle Sänger des Chors sind über 60. Wenn sie von „den Ärzten“ reden, denken sie trotzdem nicht an Spritzen und Tabletten. Sondern an einen Song der Berliner Punkband „Die Ärzte“, den sie noch üben müssen. Es ist ein Donnerstagvormittag in der Grundschule Rastpfuhl. Ganz hinten in den langgezogenen Gängen liegt der Proberaum des Heartchors, den die Stadt ihren rockenden Senioren zur Verfügung stellt. Und die haben so ihre Mühe, die Tempowechsel der Berliner Band nachzuvollziehen. „Die Ärzte sind eine super Band. Die ziehen richtig das Tempo an. Da müsst ihr einfach mit“, erklärt der Chorleiter Rouven Bitz.

„Junge“ heißt das Lied und handelt von den Moralpredigten, die Eltern ihren Kindern gerne halten. „Und wie du wieder aussiehst und ständig dieser Lärm“, zitiert Bitz. „Da muss ich immer an meine Oma denken.“ Etwa 20 ältere Damen und Herren sind zur Probe erschienen. Alle lachen, lauschen auf die elektrischen Gitarren und warten auf ihren Einsatz.

Ganz so selbstverständlich wie die Probe aussieht, ist sie nicht. Denn zu Beginn war viel Überzeugungsarbeit nötig, um den Chor auf die Beine zu stellen. „Wir sind tatsächlich durch die Altenheime getingelt und haben gefragt, wer noch fit ist und bei dem Projekt mitmachen möchte“, erzählt Birgit Quien, die Präsidentin der Saarbrücker „denkwerk-stadt“. In dem gemeinnützigen Verein entwickeln Bürger innovative Projekte für ihre Heimatstadt. Dieses Engagement wird im Dezember von der Initiative „Deutschland Land der Ideen“ ausgezeichnet.

„Eines unserer Mitglieder hatte den Kinofilm 2008 auf dem Filmfest München gesehen. Dann haben wir beschlossen: Wir gründen die deutsche Antwort auf Young@Heart“, sagt Quien. „Der Heartchor ist ein bundesweit einzigartiges Projekt.“ Durch Mundpropaganda und gezielte Ansprache von Senioren mit Bühnenerfahrung kamen in kürzester Zeit elf Rockbegeisterte zusammen.

Nach nur fünf Proben präsentierten sie im Anschluss an die Saarbrücker Premiere des Films den überraschten Kinogängern ihren ersten Song. Heute hat der Chor 25 Mitglieder, einen professionellen Chorleiter, wird von einer Rockband begleitet und hat einen eigenen Sponsor. Der nächste größere Auftritt steht im Sommer auf dem Saarbrücker Altstadtfest an.

Die anfänglichen Probleme sind längst vergessen. „Die Senioren fanden uns zuerst zu laut“, erzählt der Kopf der Rockband, Christian Conrad. „Ich habe dann immer gesagt: Ihr seid ein Rockchor, der muss laut sein.“

Doch was sagen eigentlich die Freunde aus dem Kaffeekränzchen zu ihren rockenden Altersgenossen? „Die finden das alle prima. Manche fragen, ob sie noch mitmachen dürfen“, erzählt die 68-jährige Christa Stark. „Nur meine achtjährige Enkelin hat zu mir nach einem Auftritt gesagt: Oma, ich schäme mich für dich“. (Internet: www.denkwerk-stadt.de)