Mannheim/ (dpa/tmn) – Bei Klimaangst handelt sich um eine Form von psychologischem Stress, der durch Zukunftssorgen ausgelöst wird – und zwar sowohl um die eigene Zukunft als auch die der gesamten Menschheit und Natur. Angesichts der derzeitigen globalen Situation sei Klimaangst eine rationale Reaktion, erklärt Dr. Sebastian Karl, Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim: «Man könnte auch sagen, wenn solche Gefühle nicht hochkommen, dann ist vielleicht das Ausmaß und die Bedeutung dieser Umweltkrisen einfach bisher nicht so klar geworden.»
Wie sich Klimaangst anfühlt
Dem Gefühl der Angst folgen oft andere Emotionen. Jeden Tag bekommen wir Nachrichten über Kriege, Krankheiten und Umweltzerstörung. Die Masse an eher negativen Informationen löst Unsicherheit aus, oft auch Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht, und führt zu vermehrt negativem Denken. Man fragt sich: Was heißt das für meine Zukunft, für die Zukunft meiner Kinder und für die Zukunft meiner Enkel?
Laut Dr. Sebastian Karl schwingt auch eine gewisse Trauer mit: «Trauer über Orte, die nicht mehr so sind wie vorher. Dinge, die ich früher tun konnte und jetzt nicht mehr tun kann. Oder eine antizipierte Trauer über Dinge, die in der Zukunft anders sein werden.» Auch soziale und politische Konflikte haben einen großen Einfluss auf die Gemütslage.
Hat man dann auch noch den Eindruck, dass Lösungen für eine Bekämpfung der Klimakrise fehlen und sich die Politik uneinig ist, kann das auch Wut und Verzweiflung hervorrufen. Wie findet man einen sinnvollen Umgang mit den negativen Gefühlen?
Was man gegen Klimaangst im Alltag tun kann
- Informiere dich: Beschäftigt man sich mit dem Klimawandel und den Auslösern, ergeben sich durchaus Lösungsansätze. Daraus kann man für sich selbst ableiten, wie man einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten kann. Sei es das Einsparen von Plastik, das Fahrrad gegen das Auto einzutauschen oder saisonal einzukaufen.
- Akzeptiere deine Gefühle: Sich gleichzeitig vor Augen zu führen, dass das man selbst nur einen gewissen Handlungsspielraum hat und zu akzeptieren, dass die eigenen Möglichkeiten beschränkt sind, kann im Umgang mit Klimaangst helfen. Selfcare, also sich selbst etwas Gutes tun und dafür zu sorgen, dass man positive Momente im Alltag schafft, können als Ausgleich wirken.
- Teile deine Sorgen: Sich mit anderen auszutauschen kann einem etwas Last abnehmen – egal ob mit Familie, Freunden oder Mitschülern. «Es kann helfen, es auf der Gefühlsebene etwas zu verdauen und auch eine andere Einstellung zu den Problemen zu entwickeln. Auch das, was wir nicht ändern können, akzeptieren zu lernen, kann hilfreich sein», sagt Katharina van Bronswijk, psychologische Psychotherapeutin und Sprecherin bei Psychologists und Psychotherapists for Future.
- Zusammen ist man stärker: Sich mit seinen eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und diese mit anderen zu teilen, kann bei der Bewältigung von Angst hilfreich sein. In einer Gruppe fühlt man sich weniger allein, kann sich gegenseitig unterstützen und nach Lösungen suchen. Van Bronswijk: «Einer der wichtigsten Aspekte ist das Gefühl, kollektive Wirksamkeit zu erleben, also mit anderen gemeinsam die großen Stellschrauben bewegen zu können.»
So kann man sich in einer Umweltgruppe engagieren, in einer Studentenorganisation oder einem anderen Verein – hier kann man gemeinsam etwas für die Umwelt tun und auch politisch aktiv werden. Das Engagement in Gemeinschaften oder Initiativen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, kann ebenfalls so ein Gefühl der Handlungsfähigkeit und Kontrolle zurückgeben und so zur Linderung der Klimaangst beitragen.
Warum vor allem junge Menschen Klimaangst haben
Zwar sind heute besonders viele, vor allem junge Menschen von der Sorge um die Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Doch Klimaangst ist nichts Neues. Sie gibt es, seit Menschen klar wurde, was der Klimawandel für sie und den Rest der Welt bedeutet. Aber: «Die Ursache der Gefühle war vor mehreren Jahrzehnten noch nicht so unmittelbar erlebbar und so präsent, wie das jetzt der Fall ist», sagt Dr. Sebastian Karl.
Dass vor allem Jüngere unter Klimaangst leiden, hat zwei Gründe: Zum einen werden sie im Alter die negativen Auswirkungen des Klimawandels miterleben und mit ihnen umgehen müssen. «Bei ihnen ist tatsächlich die Belastung, die durch diese Gefühle entsteht, höher, weil es eben konkret um ihre Zukunft geht», so Katharina van Bronswijk. Dazu kommt, dass Kinder und Jugendliche in einer vulnerablen Phase ihres Lebens nicht so souverän mit Emotionen umgehen können wie Erwachsene.
Wenn die Angst zu stark wird
Bei Klimaangst handelt es sich nicht um eine Erkrankung, sondern um eine natürliche Reaktion, sie ist daher erst mal nicht behandlungsbedürftig. Jedoch können die Sorgen ums Klima psychische Erkrankungen auslösen oder zumindest mitbedingen. Wenn man sich von der Angst so weit im Alltag beeinträchtigt fühlt, dass man diesen nicht mehr so bewältigen kann wie vorher, kann man mit professioneller Hilfe therapeutische Gegenmaßnahmen ergreifen und die Angst lindern.
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