Distanz

Trügerisches Glück: Jana (Franziska Weisz) weiß nichts vom düsteren Geheimnis ihres Kollegen Daniel (Ken Duken).
Trügerisches Glück: Jana (Franziska Weisz) weiß nichts vom düsteren Geheimnis ihres Kollegen Daniel (Ken Duken). Foto: Verleih

Ken Duken brilliert in diesem höchst irritierenden, mit kühlen Bildern eingefangenen Psychogramm eines Serien-Mörders. Unterstützung erfährt er dabei von der talentierten Österreicherin Franziska Weisz.

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Es ist das Jahr der famosen Männerfiguren im jungen deutschen Kino: Filme wie „Parkour“, „Der Räuber“, „Vincent will meer“ oder zuletzt „Renn, wenn du kannst“ haben das eindrucksvoll unterstrichen. Nun gesellt sich ein nicht minder faszinierender Charakter dazu: Protagonist Daniel (Ken Duken) – Fünftagebart, blasser Teint, ein leicht irrer, teilnahmsloser Blick – führt ein einsames, in sich gekehrtes Leben. In der Freizeit schaut er Fernseh- Dokus, sein Zuhause ist von steriler Ordnung. Nur die Arbeit im Botanischen Garten bereitet ihm Freude, er liebt die Ruhe dort. Nachts aber lässt Daniel Steine von Autobahnbrücken fallen, immer größere – bis er einen schrecklichen Unfall auslöst. Regisseur Thomas Sieben zeichnet in seinem ersten Langfilm das beunruhigende Porträt eines Soziopathen.

In Jana (Franziska Weisz) findet Daniel eine Partnerin, die ihm zunächst zu gleichen scheint in ihrer scheuen Art. Weisz, die zuletzt in Benjamin Heisenbergs großartigem „Der Räuber“ mit einem ähnlich rätselhaften Typen zu tun hatte, beeindruckt auch in dieser Rolle. Als Daniel schließlich an ein Jagdgewehr gerät, geht er einen fatalen Schritt zu weit: Mit gezielten Schüssen tötet er nun Passanten in einem Park. Und scheint sich selbst ein ähnlich großes Rätsel aufzugeben wie dem verdatterten Kinozuschauer.

Regisseur Sieben (Jahrgang 1976), von dem auch das Skript stammt, ist stets darauf bedacht, Distanz zu wahren: Wiederholt zeigt er Daniel von hinten – Rückenansichten, die ihn als gesichtsloses Etwas ausweisen. Dialoge werden ausgeblendet. Im Zusammenspiel mit langen, prosaischen Kameraeinstellungen entsteht eine gleichsam wissenschaftliche Bildsprache, die an die sogenannte Berliner Schule mit Regisseuren wie Christian Petzold oder Benjamin Heisenberg erinnert.

Duken indes stellt nach Auftritten in „Max Manus“ oder „Inglourious Basterds“ ein weiteres Mal unter Beweis, dass er zu den talentiertesten, wenn auch leider immer noch weniger bekannten, jüngeren deutschen Darstellern zählt. Dukens so ernsthaftes wie zurückgenommenes Spiel überzeugt auch hier auf ganzer Linie. Gleiches gilt für Franziska Weisz' natürliche Art; gerade ist die Wienerin übrigens in „Renn, wenn du kannst“ im Kino zu sehen.

„Distanz“, Eröffnungsfilm der „Perspektive Deutsches Kino“ der Berlinale 2009, ist mit seinen 82 Minuten allerdings ein wenig zu kurz geraten. Denn hier und da wünscht man sich den einen oder anderen Erklärungsansatz: Woher rührt Daniels Gemütskrankheit? Warum steht Jana so rückhaltlos zu ihm? Dazu gesellt sich ein recht vorhersehbares Finale. Dass es sich bei „Distanz“ dennoch um einen sehenswerten Film handelt, liegt vor allem an den großartigen Mimen Franziska Weisz und Ken Duken.