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Hohes Ross – Test: Victoria Utilyon 3

Wer gerne ein wenig über den Dingen schwebt, könnte an dem für viele Nutzerprofile geeignetem Utilyon 3 von Victoria Gefallen finden. Pedelec-Fahrern mit gehobenen Ansprüchen kann es in mehrfacher Hinsicht viel Freude bereiten.

SP-X/Köln. Die Pedelecs der ersten Stunde waren noch klassische Fahrräder mit einem meist wenig elegant integrierten Hilfsantrieb. Inzwischen sind E-Bikes zu einer eigenen Gattung gereift, die mit eigenständiger, formschlüssiger Ästhetik und üppigen Dimensionen dem klassischen Fahrrad entwachsen sind. Ein solcher XL-Drahtesel ist auch das Utilyon 3 von Victoria, an dessen modernes Pedelec-Dasein wir uns stellenweise erst gewöhnen mussten.

Das Utilyon ist ein vielseitiges Zweirad, das im urbanen Alltag, als Pendlerrad, für ausgedehnte Tagestouren oder auch als Reiserad eingesetzt werden kann. Mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 180 Kilogramm ist auf jeden Fall ein gewisser Spielraum für die Mitnahme größeren Gepäcks gegeben. Für längere Touren bietet der rahmenintegrierte Akku mit 750 Wh ein üppiges Format, was dem spritzigen E-Antrieb einen recht langen Atem verleiht. Der mächtige Riegel versteckt sich optisch gut kaschiert im Unterrohr des sauber verarbeiteten und schick aquamarinblau lackierten Aluminiumrahmens. Der fällt durch die vollständige Integration des Akkus recht groß aus. Dazu passen die 29-Zoll-Räder mit den voluminösen Reifen aus der Urban-Contact-Reihe von Continental, die mit ihrem optisch ansprechenden Semislick-Profil und gutem Grip gefallen.

Der erste Aufstieg gestaltete sich zunächst etwas schwieriger als erwartet, da wir beim Beinschwung nach hinten schauen mussten, damit wir mit dem rechten Bein nicht am Sattel hängen bleiben. Hat man diese Hürde bei der Version mit Wave-Rahmen genommen, nimmt man eine auffallend aufrechte und leicht über dem gewohnten Fahrrad-Niveau erhöhte Position ein. Nachteilig ist das eigentlich nicht. Als angenehm empfindet man die großflächigen Handauflagen der Lenkergriffe, die durch die starke Kröpfung des Lenkers dem Fahrer entgegenkommen. In dieser Position wird es auch nach längeren Fahrten nicht anstrengend. Eine sportliche Figur kann man damit allerdings nicht machen. Dafür ist der Abstand der Pedale zum Boden groß, so dass man auch in Kurven treten kann, ohne Gefahr zu laufen, mit einem Pedal über den Asphalt zu schrammen.

Für spritzigen Vortrieb sorgt der stämmige Bosch CX-Mittelmotor, für den sich dank stufenloser Enviolo Nabenschaltung in jeder Fahrsituation eine passende Trittfrequenz mit ordentlich Schub einstellen lässt. Die Verbindung zwischen Pedalen und Hinterrad stellt ein Gates-Riemen her, der für saubere Verhältnisse sorgt. Auch wenn der breite Sattel und der entgegenkommende Lenker das Gefühl vermitteln, auf einem Seniorenrad zu sitzen, kommt Fahrspaß nicht zu kurz. Dieser wird allerdings durch Unebenheiten im Untergrund getrübt, denn angesichts straff aufgepumpter Reifen und fehlender Federelemente bleiben gelegentliche Nackenschläge nicht aus. Der Verzicht auf Federgabel und einer Hinterradfederung hat einen Vorteil: Bei einem starren Rahmen mit starrer Gabel entfällt der Wartungsaufwand und der irgendwann notwendige Austausch verschlissener Federelemente.

Ansonsten gefällt das mit über 30 Kilogramm leider nicht ganz leichte Utilyon mit einer rundum guten Komponentenauswahl. Die Dreifinger-Bremshebel der Tektro-Stopper liegen gut zur Hand, Dosierbarkeit und Bremskraft geben keinen Anlass zur Kritik. Hinzu kommen ein bequemer Sattel, breite Schutzbleche und ein Scheinwerfer, der selbst in finsterer Nacht für gute Sichtverhältnisse sorgt. Die Verbindungen, Schrauben, der Seitenständer sowie die Gepäckträger hinterlassen einen ebenfalls soliden Eindruck. Da klappert nichts. Unter hoher Last macht sich lediglich der Mittelmotor durch dezentes Surren akustisch bemerkbar. In den Frontträger lassen sich übrigens kleinere Gegenstände einfach mitnehmen, da sie dank der Umrandung nicht unbedingt befestigt werden müssen. Das Utilyon bietet ein Speichenschloss, ein gleichschließendes Akkuschloss und die vielseitige Welt der Bosch-Konnektivität in Kombination mit Kiox-300-Display, die sogar die Aktivierung einer Motorwegfahrsperre erlaubt.

Gibt es nichts zu meckern? Doch, den Preis. Wer, wie in diesem Fall, in den gehobenen Qualitätsbereich einsteigen will, muss leider auch bereit sein, stattliche Summen zu investieren. Im Fall des Utilyon 3 sind das mindestens 5.500 Euro.

Mario Hommen/SP-X

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