Neuwied

„MonAppétit“: So schmeckt die Steinzeit

Von Nicole Mieding
Fürstliches Ambiente: Guten Geschmack beweisen die Betreiber des Museumsrestaurants nicht nur auf dem Teller, sondern auch bei der Einrichtung.
Fürstliches Ambiente: Guten Geschmack beweisen die Betreiber des Museumsrestaurants nicht nur auf dem Teller, sondern auch bei der Einrichtung. Foto: Nicole Mieding

Im Schloss Monrepos bekommen Museumsbesucher die Forschung mit dem Teller serviert: als „Paleodiät“. Die kulinarischen Trends aus der Altsteinzeit sind neuerdings wieder schwer angesagt. Wer am eigenen Leib erfahren will, wie die Jäger und Sammler aßen, muss hin.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Wie wir wurden, was wir sind, und warum wir ticken, wie wir heute ticken – die Antwort darauf kennen Neuwieder Archäologen. Im Schloss Monrepos hat das Forschungszentrum für menschliche Verhaltensevolution seinen Sitz, in dem sich ein internationales Wissenschaftsteam mit genau solchen Fragen beschäftigt. Im angegliederten Museum bringt es Besuchern seine Erkenntnisse auf äußerst lebendige, unterhaltsame Weise näher. Das pädagogische Konzept macht selbst vor dem neu eröffneten Museumsrestaurant nicht halt.

Keine Angst vor Fett und Kohlehydraten: Paleo-Wildschweinburger mit  einer Frikadelle als Jagdtrophäe nebst Tomaten, Käse, Schinken und einem Alibi-Salatblatt zwischen zwei reichlich gebutterten Brötchenhälften.
Keine Angst vor Fett und Kohlehydraten: Paleo-Wildschweinburger mit einer Frikadelle als Jagdtrophäe nebst Tomaten, Käse, Schinken und einem Alibi-Salatblatt zwischen zwei reichlich gebutterten Brötchenhälften.
Foto: Nicole Mieding

Ambiente

Klassische Bolognese vom Hirsch, statt Pasta gibt
Klassische Bolognese vom Hirsch, statt Pasta gibt's „Nudeln“ aus Gemüsestreifen.
Foto: Nicole Mieding

Das ehemalige Wohnpalais der Prinzessinnen zu Wied empfängt einen hochherrschaftlich: Hohe Räume, offenes Deckengebälk, das Echtholzparkett ist im Fischgratmuster verlegt. Steif oder gar muffig ist hier aber nichts: Bei der umfangreichen Sanierung vor drei Jahren samt modernem Erweiterungsbau ging man sehr stilsicher vor. Nun trifft in äußerst bereichernder Weise Historie auf Neuzeit. Die enormen Wände sind in mutigem Fuchsia gestrichen, die Sessel tragen Schottenkaro, verbreiten Salonatmosphäre und sind zudem bequem. Das antike Mobiliar wurde mit Bedacht so eingestreut, dass es dem gemeinen Neuzeitmenschen ausreichend Luft zum Atmen lässt. Und wird hier nicht bloß bestaunt, sondern genutzt: Auf Tischen, Anrichten und Regalen verteilt, reizen ausgesucht witzige und kluge Waren des Museumsshops zum Stöbern und Staunen. Die Gäste lassen sich auf diese Einladung zum Neugierigsein sichtlich gern ein.

Liebe zum Detail: Als Dreingabe zum Kaffee gibt
Liebe zum Detail: Als Dreingabe zum Kaffee gibt's einen frisch gebackenen Bonsai-Guglhupf unter der Glasglocke – statt Industriekeks.
Foto: Nicole Mieding

Essen

Derzeit noch handgeschrieben: die Rechnung im neu eröffneten
Derzeit noch handgeschrieben: die Rechnung im neu eröffneten „MonAppétit“.
Foto: Nicole Mieding

Das große Paleomenü findet jeden ersten Freitag im Monat nach Anmeldung statt, im laufenden Betrieb gibt's laut Karte nur kleine Gerichte. Wir haben Bärenhunger und schlagen zu: mit einer Hirschbolognese auf Gemüsenudeln und Wildschweinburger mit Tomaten, Käse und Schinken nebst getrocknetem Gemüse. Vorneweg genehmigen wir uns einen der raren vegetarischen Gänge: jungen Grünkohl und Grillgemüse als Flammkuchen. Der hat einen wunderbar hauchdünnen, kross gebackenen Boden, auf dem Wintergemüse in Form von Möhren, Lauch, Kartoffeln liegt – frisch und mit Biss. Der Burger zeigt: Steinzeitmenschen fürchten sich nicht vor Fett und Kohlehydraten. Eine Wildschweinfrikadelle, Schinken, Käse, Zwiebeln, Tomate und ein Blatt Salat drängeln sich zwischen zwei ordentlich gebutterte, rustikale Brötchenhälften. Der dazu gereichte Blattsalat verdient das Wort bunt, genau wie die handgesalzenen Chips aus getrocknetem Gemüse nimmt er die Konkurrenz mit dem Herbstwald vor der Tür farblich locker auf. Die Hirschbolognese hält sich konsequenter ans Steinzeitkonzept: Weil die wandernden Jäger und Sammler weder Getreide noch Milchvieh kannten, bestehen die „Nudeln“ dazu aus al dente gegarten Zucchini-, Kohlrabi-, und Möhrenspiralen. Zu deren doch recht süßem Geschmack schafft das herbe, kräftig gewürzte Hirschhack mit der Säure aus Tomaten eine gute Balance. Die Portionsgrößen sind offenbar am Appetit von Mammutjägern bemessen. Das hätten wir aber vorher erledigen müssen. Jetzt schaffen wir's nicht mal mehr bis zum Dessert.

Service

Freundliches Lächeln, ein netter Empfang – der Gastronomin merkt man an, dass sie Gäste gut leiden kann. In der gehobenen Wohnzimmeratmosphäre des Salons fühlt man sich angenehm willkommen. Bekommt anstelle eines Industriekekses zum Kaffee einen frisch gebackenen Bonsaiguglhupf serviert, der mit einer Paranuss und drei, vier Rosinen unter einer schleifchengeschmückten Miniaturglasglocke liegt und den Speichelfluss anregt. Sonderwünsche wie einen Hauptgang als gemeinsame Vorspeise quittiert die neue Gastgeberin mit einem verständnisvollen Nicken statt mit fragenden Blicken. Das Interesse am kulinarischen Konzept und dem Haus als Ganzes lässt ihr Herz einen Schritt höher hüpfen.

Preis-Leistung

Von 7,90 Euro für verschiedene Sorten Pesto mit getrocknetem Gemüse und Baguette bis zum Wildschweinburger für 15,90 Euro reichen die als „klein“ bezeichneten Hauptgerichte. An Ausmaß, Qualität und Einfallsreichtum übersteigen sie weit, was man üblicherweise in einem Bistro oder Museumscafé geboten kriegt. Die Auswahl ist mit neun Gerichten überschaubar. Die kommen dafür durchweg frisch und sorgsam zubereitet auf den Tisch.

Fazit

Kein überflüssiges Chichi: Das gilt für die Teller genauso wie fürs Ambiente. Hier kennt und schätzt man den Wert der Dinge und setzt auf gelassenes Understatement. Der gehobene Anspruch an Qualität reicht bis ins Detail und ist den Produkten auf dem Teller anzumerken. Dass die Speisekarte ihren Teil dazutut, Besuchern die didaktischen Inhalte des Museums zu vermitteln, macht den Besuch im „MonAppétit“ zu einer runden, sehr erlebnisreichen Angelegenheit.

Adresse

Café-Restaurant „MonAppétit“

Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution/Schloss Monrepos

56567 Neuwied-Segendorf

Geöffnet Mi bis Fr 12–7 Uhr, Sa/So/Feiertag 12–18 Uhr

Tel. 02631/977 20

http://www.monrepos-rgzm.de/museum-miterleben/besucher-tipps.html#caferestaurant-monappetit