Berlin

Zeitumstellung am Wochenende: Das Faszinosum Dunkelheit

Von Sebastian Fischer
Jagt einem dieses Bild Angst ein? „In unserem kulturellen Bewusstsein ist die Nacht geprägt als eine Zeit der Grenzüberschreitung, des Verbrechens und der gefährlichen Gestalten“, sagt Bernd Brunner, der dem Thema sogar ein ganzes Buch gewidmet hat.
Jagt einem dieses Bild Angst ein? „In unserem kulturellen Bewusstsein ist die Nacht geprägt als eine Zeit der Grenzüberschreitung, des Verbrechens und der gefährlichen Gestalten“, sagt Bernd Brunner, der dem Thema sogar ein ganzes Buch gewidmet hat. Foto: dpa

Zur Zeitumstellung am Wochenende kann man wunderbar über unser Verhältnis zur Nacht nachdenken.

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Nachtschwärmer, die dem Sonnenlicht entfliehen, gab es schon im alten Rom. Jene „Lucifugae“ eroberten damals die dunklen Stunden für sich. Seneca etwa berichtet von einem Mann, der sich um 21 Uhr seinen Abrechnungen widmete, um Mitternacht Sprechübungen veranstaltete und um 2 Uhr in der Früh zur Spazierfahrt aufbrach. Im Morgengrauen erst gab es die Hauptmahlzeit. Er habe „nichts als die Nacht zu sich genommen“, schrieb der Philosoph.
Und die war in der Antike, wenn kein Mond am Himmel stand, richtig duster. Auch heutige Genießer der Dunkelheit sehen den kommenden Monaten sehnsuchtsvoll entgegen, denn wegen der Uhrumstellung am Sonntag (31. Oktober) verabschiedet sich der helle Tag dann noch früher am Abend. Zudem werden die Nächte länger, weil die Sonne in Richtung südlicher Wendekreis „wandert“.

Atemlos durch die Nacht

Doch um sich heutzutage mit besonders ausgeprägter Dunkelheit umgeben zu können, muss man lange suchen. In den Städten, in denen die Nächte künstlich immer heller werden, ist das wegen der Lichtverschmutzung seit Jahren gar nicht mehr möglich. Nach Angaben der International Dark Sky Association lassen sich die dunkelsten Orte Deutschlands unter anderem im Nationalpark Eifel oder auf der Winklmoosalm an Bayerns Grenze zu Österreich finden. Das Dorf Gülpe in Westen Brandenburgs ist ein wahres Mekka für nächtliche Sternengucker.

In Großstädten hingegen herrscht mittlerweile im Dunkeln ähnlich viel Betriebsamkeit wie am Tag. „Die Nacht kann heute vielfach gar nicht mehr wahrgenommen werden als das, was sie einmal war“, sagt Bernd Brunner, der in seinem jüngst erschienenen „Buch der Nacht“ die Stunden zwischen Dämmerung und Morgengrauen unter die Lupe nimmt.

Gerade die Erfindung der elektrischen Beleuchtung Ende des 19. Jahrhunderts habe „alles grundlegend verändert“, so der Autor im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Der Nacht sei die Dramatik von früher abhandengekommen. „Heute ist sie verdrängt, gezähmt, durchleuchtet.“ Mit dem künstlichen Licht streckt sich die Aktivität bis spät in den Abend und verdrängt den Schlaf.

„In unserem kulturellen Bewusstsein ist die Nacht geprägt als eine Zeit der Grenzüberschreitung, des Verbrechens und der gefährlichen Gestalten“, sagt Brunner. Vor marodierenden Gruppen sei auch schon im geschäftigen Nachtleben der Antike gewarnt worden. Seit jeher ist die Dunkelheit eine verrufene Zeit. Nicht umsonst warnt die deutsche Polizei jährlich anlässlich der herbstlichen Uhrenumstellung unter anderem vor den Gefahren von Einbrechern.

Spektakuläre Aktionen wie der Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden oder der Diebstahl einer Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum wurden im Schutz der Dunkelheit begangen. Doch in Wohnungen wird in der Regel nicht nachts eingestiegen, sondern eher tagsüber, wie eine Analyse der deutschen Versicherungswirtschaft 2015 ermittelte.

Wie die Nacht wahrgenommen wird, ist individuell sehr verschieden. Bei seiner Befragung über die empfundene (Un-)Sicherheit fand das Bundeskriminalamt 2017 heraus, dass sich rund vier von fünf Menschen in Deutschland nachts in ihrer Wohngegend sehr oder eher sicher fühlen. Dennoch vermeiden vor allem Frauen, bei Dunkelheit allein draußen unterwegs zu sein.

Dann ist man ganz bei sich selbst

Für Brunner gibt es davon abgesehen noch einen psychologischen Aspekt: „Die Nacht zwingt eher dazu, sich Gedanken über sich selbst zu machen“, sagt er – angenehme wie unangenehme.

Wie man die Finsternis erfährt und nutzt, ist also von Mensch zu Mensch verschieden, von Kultur zu Kultur. Doch auch diejenigen, die den dunkleren Monaten nicht viel abgewinnen können, haben immerhin einen Lichtblick: Irgendwann wird es auch wieder heller.

Bernd Brunner: „Das Buch der Nacht“, Galiani, 192 Seiten, 28 Euro

Viele Wildtiere sind in der Dämmerung aktiv

Die Gefahr von Wildunfällen steigt jetzt wieder stark an. Besonders in der Dämmerung sind viele Wildtiere aktiv, informiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Nach der Zeitumstellung in der Nacht zum 31.

Oktober fallen die Dämmerungszeiten in die Hauptverkehrszeiten. Also heißt es speziell in den frühen Morgen- und den Abendstunden: Tempo rausnehmen, Straßenränder im Blick halten und stets bremsbereit sein. Besonders auf Routen durch den Wald oder im Verlauf von unübersichtlichen Wald- und Feldrändern ist die Wahrscheinlichkeit von Wildwechseln hoch, so der ADAC. Jedes km/h weniger kann sich also auszahlen. Wer etwa statt mit Tempo 100 nur 80 km/h fährt, reduziert den Bremsweg um fast 25 Meter. So kommt man vielleicht rechtzeitig zum Stehen oder verringert die Aufprallgeschwindigkeit. Wer Tiere am Rand ausmacht, sollte laut ADAC und Nabu kontrolliert abbremsen und abblenden. Grelle Scheinwerfer können sie erstarren und orientierungslos werden lassen. Hupen kann die Tiere verscheuchen. Aber Achtung, immer mit Nachzüglern rechnen, die auch panisch die Fahrbahn queren können.

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