Washington

Wie folterte die CIA? US-Regierung bremst Veröffentlichung

John Kerry hat kalte Füße bekommen, buchstäblich in letzter Minute. Mit der Vorsicht eines verbalen Slalomläufers meldet er Bedenken an gegen die Veröffentlichung einer Bilanz jener Folterpraktiken, mit denen die CIA in der Ära des Republikaners George W. Bush Terrorverdächtige zum Reden bringen wollte.

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Von unserem USA-Korrespondenten Frank Herrmann

Es passiere gerade sehr viel in der Welt, man müsse an Amerikas Offensive gegen den sogenannten Islamischen Staat denken, Proteste in der islamischen Welt einkalkulieren, ließ der US-Außenminister wissen. Die „hochverehrte Senatorin“ Dianne Feinstein wäre gut beraten, wenn sie dies alles berücksichtige und die Freigabe verschiebe.

Feinstein, eine 81 Jahre alte Demokratin aus Kalifornien, ist die treibende Kraft hinter dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. Sechs Jahre lang sichtete ihr Mitarbeiterstab vertrauliche Akten, um herauszufinden, welcher Methoden sich die CIA in ihren Geheimgefängnissen – zumeist in Osteuropa – bediente und was sie damit erreichte.

Verhörmethoden der CIA – und was sie erreichten

Schlafentzug, extrakleine Zellen, simuliertes Ertrinken, besser bekannt als Waterboarding: Es geht um 20 Fälle, in denen Geheimdienstler 2002 und 2003 unter der Rubrik „Verschärftes Verhör“ zu brutalen, inhumanen Mitteln griffen. In keinem Fall, sagt Feinstein, habe man Häftlingen Informationen abgerungen, die man ohne Folter nicht bekommen hätte. Auch zu dem Puzzle, das die CIA zusammensetzte, um das Versteck Osama bin Ladens im pakistanischen Abbottabad aufzuspüren, hätten die Quälereien praktisch nichts beigetragen.

Flur im Gefangenenlager Guantanamo Bay: Der Geheimdienst CIA soll jahrelang die Brutalität seines umstrittenen Verhörprogramms verschleiert haben.

Shawn Thew/Archiv

Präsident Bush gibt 2006 erstmals CIA-Gefängnisse zu: Die Veröffentlichung eines Geheimberichts dürfte erneut eine nationale Debatte über eines der dunkelsten Kapitel im «Krieg gegen den Terror» auslö

DPA

Nachgestellte Szene aus dem Amnesty International-Film «Stuff of Life»: Die CIA sprach damals offiziell von «harschen Verhörmethoden», Kritiker nannten es Folter.

Amnesty International/Archiv

US-Präsident Barack Obama will, dass der Bericht über die CIA veröffentlicht wird.

Shawn Thew

Nachgestellte Szene aus dem Amnesty International-Film «Stuff of Life»: Obama hatte die «harschen Verhörmethoden» im Anti-Terror-Kampf nach seinem Amtsantritt 2009 beendet.

Amnesty International

Rund 500 Seiten des insgesamt 6300 Seiten langen Berichts zu den Verhörmethoden sollen den Amerikanern zugänglich gemacht werden.

Dennis Brack/Archiv

Senatorin Dianne Feinstein, die sich vehement für eine Veröffentlichung eingesetzt hatte, äußerte sich entsetzt über die Foltermethoden.

Jim Lo Scalzo

Kriegsgefangener im Irak: Geheime CIA-Gefängnisse soll es unter anderem in Afghanistan, Ägypten und Polen gegeben haben.

DSK/Archiv

Fußfesseln im Gefangenenlager Guantanamo Bay: Die Verhörmethoden waren nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zumeist in geheimen CIA-Gefängnisse angewendet worden.

Brennan Linsley/Arc

Wachturm an der Guantanamo Naval Station in Kuba.

John Riley/Archiv

Es ist das erste Mal, dass ein parlamentarisches Gremium das finstere Kapitel für jedermann nachlesbar zusammenfasst. Was der von Feinstein geleitete Geheimdienstausschuss des Senats diese Woche freigeben will, ist allerdings nur die Kurzvariante, etwa 480 von 6200 detaillierten Berichtsseiten. Und auch das geschieht nur mit Einschränkungen. Auf Drängen des Weißen Hauses müssen sämtliche Textstellen, die die Identität eines CIA-Agenten preisgeben könnten, mit schwarzen Balken überdeckt werden.

Während die Kalifornierin an Stelle der Klarnamen zumindest Pseudonyme einsetzen wollte, ist Barack Obama der Meinung, dass schon ein Pseudonym zu viel verrät. So vehement er als Kandidat in der Aufbruchsstimmung des Jahres 2008 Aufklärung versprach, als Präsident stellt er sich eher hinter den CIA-Direktor John Brennan, seinen früheren Antiterrorberater, der Schaden für seinen Dienst fürchtet und während des knallharten Pokers mit Feinstein sogar seinen Rücktritt angedroht haben soll.

Routinemäßig über Legalität hinausgegangen

Dennoch, was vorab an knappen Passagen durchsickerte, ist brisant genug, um den Streit um die Exzesse der Ära Bush noch einmal anzufachen. Erstens, resümiert der Report, sei die CIA routinemäßig über das hinausgegangen, was ihr legal gestattet war. Zweitens sei das Foltern „nicht effektiv“ gewesen, um Informationen zu gewinnen. Drittens hätten die Geheimen sowohl das Kabinett als auch das Parlament systematisch belogen, indem sie die Wirkung des Programms übertrieben, nur um es fortsetzen zu können.

Dianne Feinstein
Senatorin Dianne Feinstein, die sich vehement für eine Veröffentlichung eingesetzt hatte, äußerte sich entsetzt über die Foltermethoden.
Foto: Jim Lo Scalzo

„Jeder, der den Bericht liest, wird so etwas nie wieder zulassen“, hofft Feinstein und spricht von einer hässlichen Phase, in der sich Amerika mit seinen Grundwerten nicht wiedererkannte. Ganz anders Bush, der sich eigentlich kaum noch zu Wort meldet, seit er das Oval Office gegen ein ruhiges Rentnerleben in Dallas eintauschte, aber in diesem Fall beschlossen hat, sein Schweigen zu brechen. „Das sind Patrioten“, sagte er in einem CNN-Interview über die beteiligten Schlapphüte, „das sind wirklich gute Leute, und wir als Nation sollten uns glücklich schätzen, dass wir sie haben.“

Noch polemischer formuliert es José A. Rodriguez, in der Geheimdienstzentrale in Langley einst zuständig für die „verschärften Verhöre“. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 hätten sowohl Demokraten als auch Republikaner die CIA aufgefordert, alles zu tun, um weitere Attacken zu verhindern, schreibt Rodriguez in der „Washington Post“. Nahezu einstimmig hätten sie dafür plädiert, alles zu tun, um Al-Kaida zu schwächen. „Aber je erfolgreicher wir waren, desto weniger konnten sich einige Volksvertreter daran erinnern, wie sie uns einst unterstützt hatten.“

Republikaner lassen Feinstein und die Demokraten allein bei der Aufarbeitung

Es war Rodriguez, der 2005 entschied, 92 Videos mit Folterverhören auf eigene Faust zu vernichten. Als Kongressabgeordnete Wind davon bekamen, beschlossen sie, der Sache auf den Grund zu gehen, ehe noch mehr im Schredder landete. Anfangs kooperierten führende Republikaner noch mit den Demokraten, zumal sie selbst auf Distanz zum unpopulär gewordenen George W. Bush gehen wollten. Kurz nach Obamas erstem Wahlsieg kündigten sie die Zusammenarbeit auf, sodass Feinstein mit ihren Parteifreunden allein ans Werk gehen musste.