Berlin

Ministerinnen uneinig: Belastet Hartz IV-Reform Alleinerziehende?

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) befürchtet negative Auswirkungen auf Alleinerziehende und ihre Trennungskinder durch den Gesetzentwurf ihrer Parteifreundin und Arbeitsministerin Andrea Nahles.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) befürchtet negative Auswirkungen auf Alleinerziehende und ihre Trennungskinder durch den Gesetzentwurf ihrer Parteifreundin und Arbeitsministerin Andrea Nahles. Foto: dpa

Ein Gesetzentwurf zur Vereinfachung von Hartz-IV-Regeln löst wachsende Empörung in Berlin aus. Experten fürchten, dass die geplante Reform aus dem Hause von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ausgerechnet alleinerziehende Hartz-IV-Bezieher und ihre Kinder zusätzlich finanziell belasten könnte. Der Grund: Sie sollen künftig für jeden Tag, den das Kind beim anderen Elternteil verbringt, eine Kürzung ihrer monatlichen Bezüge hinnehmen.

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Von unserer Berliner Korrespondentin Eva Quadbeck

Das sind 9 Euro für Sechs- bis 14-Jährige und 10,20 Euro für 14- bis 18-Jährige. Diese Regel soll selbst dann gelten, wenn der andere Elternteil überhaupt nicht auf Hartz IV angewiesen ist.

Experten empören sich

Die Fachwelt reagiert empört. So sieht der Juristinnenbund die Gefahr, dass die ohnehin oftmals schwierigen Absprachen zwischen Eltern, wann Kinder wie viel Zeit bei Mutter oder Vater verbringen, durch „mögliche finanzielle Härten“ noch schwieriger werden könnten. „Dies würde einen gesetzlich begründbaren Anreiz darstellen, möglichst wenig Umgang zuzulassen“, befürchten die Juristinnen.

Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) warnt davor, alleinerziehende Hartz-IV-Empfänger durch das neue Regelwerk schlechterzustellen. „Wichtig bei einer neuen Regelung im Sozialgesetzbuch II ist, dass diese nicht zulasten jener geht, die alleinerziehend sind“, kommentierte Schwesig im Gespräch mit unserer Zeitung den Gesetzentwurf ihrer Parteifreundin Nahles. „Es ist gut, wenn sich beide Elternteile gemeinsam um die Kinder kümmern. Auch, wenn sie getrennt leben“, betonte die Familienministerin.

Die Vorsitzende des Arbeitsausschusses im Bundestag, Kerstin Griese (SPD), hingegen widerspricht den Kritikern, die durch die geplante Neuregelung eine Verschlechterung für Alleinerziehende fürchten. Sie verweist darauf, dass der Abzug des Sozialgeldes bei der Mutter schon heute geltendes Recht sei, wenn das Kind den Tag beim Vater verbringt. „Das Gesetz enthält nur eine Vereinfachung“, betonte Griese. Bislang seien Bescheide von bis zu 60 Seiten geschrieben worden. Nun müssten die Eltern nur noch übereinstimmende Erklärungen abgeben, wie viele Tage sich das Kind bei wem aufhalte. Auch Unionsfraktionsvize Sabine Weiss beteuert, es gebe keine Kürzung, sondern nur eine einfachere Aufteilung der Regelsätze zwischen den Eltern.

Verband fordert Erhöhung des Regelsatzes

Der Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter hält hingegen grundsätzlich einen erhöhten Regelsatz für notwendig, wenn Trennungskinder mal beim Vater und mal bei der Mutter sind. Das sieht auch die grüne Fraktionsvize Katja Dörner so: „Faktisch bringt das Gesetz eine Verschlechterung für Alleinerziehende.“ Zwar könnten die Ämter den Alleinerziehenden auch heute schon den Regelsatz fürs Kind kürzen, wenn es den Tag nicht zu Hause verbracht habe. „Dies ist aber nicht überall geschehen. Wird dies nun Bundesgesetz, wird ein Teil der Alleinerziehenden schlechtergestellt“, sagte Dörner. Zudem glaubt die Grüne, dass kein geringerer, sondern ein höherer Bedarf entsteht, wenn ein Kind, das bei der Mutter lebt, das Wochenende beim Vater verbringt.

Auch Ministerin Schwesig befürchtet Einbußen für Alleinerziehende: „Wir müssen uns genau anschauen, ob hier Mehrbedarfe bestehen“, erklärte sie. Dies werde vor dem Hintergrund der Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze passieren. Diese müssen jährlich an Preis- und Nettolohnentwicklung angeglichen werden. Die Bundesregierung hätte im September die Chance, einen Mehrbedarf für Alleinerziehende festzustellen.