Peking

Lebend eingeschweißte Tiere in China: Protest-Petition ist Nepp

Mini-Schildkröten lebend gefangen in Schlüsselanhängern – da macht sich Empörung breit. Doch mit einer Petition gehen viele Nutzer gleich mit in die Falle. Avaaz prüft Schritte, der Fall dürfte für die Kampagnenseite noch knifflig werden.

Lesezeit: 2 Minuten
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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Ein altes Thema bekommt plötzlich Riesenaufmerksamkeit. Als der britische Telegraph zu den Olympischen Spielen in Peking 2008 über einen neuen Trend in China berichtete, zog das noch nicht so große Kreise. Dort gibt es Schlüsselanhänger mit eingeschweißten lebenden Tieren zu kaufen. Reiseblogger Dewey Hammond lieferte 2011 diese Bilder:

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Sicher ein Grund, sich aufzuregen. Und das tun im Oktober 2013 auch Hunderttausende. Auf der Kampagnenseite Avaaz.org knackte eine Petition im Laufe des Montags die Marke von 600.000 Unterzeichnern, die Kampagne wurde rege geteilt und getwittert. Ausgelöst haben könnte das ein mutmaßlicher Geschäftemacher: Mit der Betroffenheit lässt sich prima Reichweite machen.

Nährlösung, die Schildkröte oder Goldfische in eingeschweißten Minibehältern zwei Monate am Schüsselbund baumelnd überleben lässt? Das Versprechen chinesischer Händler ist zur Tierquälerei hinaus schon Nepp, Tierschützer berichten, dass die Schmucktiere oft nach Stunden schon tot sind. Trotzdem findet sich die Lebensdauer von zwei Monaten auch in der Petition, die fordert, dass das irgendwie aufhören soll. Eine ähnliche Petition gab es schon einmal. Viel Mühe hat sich der Ersteller der Neuauflage nicht gegeben, Informationen gibt es kaum.

Die würden vielleicht auch nur Ablenken vom Aufruf, zu einer Facebookseite zu gehen: „10 Millionen Likes für eine bessere Welt“. Und hier wird die Sache dann richtig verdächtig. Da finden sich zwar auch die Aufrufe zu Petitionen, die wechseln sich aber ab mit Promo-Aktionen einer Gratislotterie. Die ganze Kampagne nur als Vehikel, um mit der Arbeit von wenigen Minuten Fans zur Verkaufsförderung zu bekommen? Und Zigtausende Nutzer helfen fleißig mit, in dem sie für die vermeintlich gute Sache den Link verbreiten?

Bei Avaaz verweist man zunächst darauf, dass die Petition nur von einem Mitglied erstellt wurden, also keine eigene Avaaz-Petition ist. Das Mitglied – es nennt sich „Antoine V. DJ V. France“ – hat es aber nicht nur mit den eingepferchten Tieren. Auch seine Petition, die die Schließung von Monsanto fordert und 180.000 Unterzeichner gefunden hat, verlinkt von Avaaz auf den Weltverbesserungs-Werbe-Misch-Masch.

Und Avaaz-Sprecher Christoph Schott räumt ein, dass der Fall mit den Nutzungsbedingungen kollidieren dürfte. An weitere Informationen darf verwiesen werden, zu Presseberichten oder zu Kampagnenseiten – aber zu trojanischen Werbepferden? Der Glaubwürdigkeit der Seite helfen Kampagnen sicher nicht, deren Urheber eventuell ganz andere Ziele verfolgen. Avaaz werde den Fall genau ansehen, kündigt Schott an. Jeder darf dort eine Petition starten, eine Prüfung vorab findet nicht statt. WWF-Experte Stefan Ziegler beklagt: „Andere Organisationen, die zu den entsprechenden Themen mehr Substanz bieten, werden eventuell nicht mehr so stark wahrgenommen und unterstützt, da sie mit diesem online-Schmalspur-Quatsch konkurrieren müssen…Das ist vielleicht das Tragische.“

Aber eine Petiton stoppen, deren inhaltliche Forderung so viele Menschen teilen? Und etwas erreicht hat die Seite ja auch bereits. Das uralte Thema kommt in die Öffentlichkeit, die „Zeit“ berichtet, eine Petition solle die Missstände ändern, die Rheinische Post gibt Experten von PETA und WWF die Möglichkeit, diese Tierquälerei anzuprangern. Sie meldet auch, dass die Petition bei einer Million Unterzeichner den Vereinten Nationen übergeben werde. Wenn das mal nicht ein Lotteriespiel ist...

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)