Rom

Klare Akzente: Wie der Papst im Vatikan seine Inhalte durchsetzt

Wie der Papst im Vatikan seine Inhalte durchsetzt Foto: picture alliance

Der Umbau der römischen Kurie ist in vollem Gange – und erneut setzt Papst Franziskus klare Akzente. Gleichzeitig krempelt er die katholischen Machtverhältnisse in Spanien um.

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Von Michael Defrancesco

Papst Franziskus: Vor vielen Jahren war Jorge Mario Bergolglio als „Goethe“-Student in Boppard, um Deutsch zu lernen.

DPA

Bergoglio wohnte 1985 im Haus von Familie Schmidt in Boppard.

Thomas Frey

In diesem Haus hat Papst Franziskus vorübergehend bei einer Bopparder Familie gewohnt.

Regelmäßig schrieb ihnen der heutige Papst aus Buenos Aires zu Weihnachten und zu Ostern.

Helma und Josef Schmidt aus Boppard haben die Briefe von Jorge Mario Bergolglio sorgfältig aufbewahrt.

Über 20 Briefe dürften es schon sein, die Helma und Josef Schmidt zwischen 1986 und 2007 vom jetzigen Papst erhalten haben

Suzanne Breitbac

Die Briefe des einstigen Bopparder „Goethe“-Studenten Jorge Mario Bergoglio zeugen von einer großen Verehrung für seine Bopparder Gastfamilie, Dankbarkeit und von tiefer Religiosität.

Suzanne Breitbac

Eine saubere, schnörkellose und sehr leserliche Handschrift zeichnen die Briefe aus, die Jorge Mario Bergoglio in einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren an seine Bopparder Gastfamilie geschickt hat. Fast in jedem Schreiben tut er kund, wie gut es ihm während der zwei Monate in Boppard gefallen hat. Und regelmäßig taucht das Versprechen auf, für die Familie Schmidt zu beten, und die Bitte, Gleiches auch für ihn zu tun.

Suzanne Breitbac

Der Erzbischof der wichtigsten Diözese – Madrid -, Kardinal Antonio Maria Rouco Varela (78), hatte die katholische Kirche in Spanien oft mit polarisierenden Aussagen dominiert. Papst Franziskus schickt ihn nun in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird der Erzbischof von Valencia, Carlos Osoro Sierra (69) – ein Mann, der als offener und kommunikativer Seelsorger beschrieben wird.

Spannend wird es nun bei der Frage, wer der neue Erzbischof von Valencia wird – und das ist kein Geringerer als Kardinal Antonio Cañizares Llovera (68). Cañizares leitet bislang innerhalb der Kurie die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentendisziplin. 2008 hatte Papst Benedikt XVI. ihn an die Spitze dieser Vatikanbehörde berufen, und vor wenigen Wochen hatte Cañizares noch für ziemlichen Unmut bei vielen Katholiken gesorgt: In einem neuen verbindlichen Dokument hatte Cañizares angeordnet, dass der Friedensgruß während des Gottesdienstes künftig weniger emotional und weniger störend in den Gottesdienst eingebunden werden sollte.

Papst Benedikt XVI. selbst hatte angeregt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. In seinem Schreiben „Sacramentum caritatis“ aus dem Jahr 2007 hatte der emeritierte Papst gefordert: „Es ist zweckmäßig, diese Geste, die übertrieben Formen annehmen und ausgerechnet unmittelbar vor der Kommunion Verwirrung stiften kann, in Grenzen zu halten.“ Unterstützt wurde und wird Benedikt von zahlreichen Dogmatikern, die sich am Friedensgruß kurz vor der Kommunion stören. Beispielsweise sagte Helmut Hoping, Dogmatikprofessor in Freiburg, in einem Interview: „Ich habe mit einem Priester zusammengearbeitet, der in die Bank reinging und noch während des Agnus-Dei-Gesangs den Friedensgruß entbat. Das geht nun gar nicht.“

Nüchterner Friedensgruß

Mehrere Optionen hatte es gegeben, die in den vergangenen sieben Jahren geprüft worden waren, zum Beispiel eine Verlegung des Friedensgrußes innerhalb des Gottesdienstes. Cañizares hatte Papst Franziskus nun nach Abschluss der Arbeiten ein Dokument vorgelegt, dass der Friedensgruß an seinem bisherigen Platz bleiben soll, aber nüchtern ausgeübt werden sollte. Sprich: Der Priester möge bitte am Altar bleiben, und die Gläubigen jeweils nur dem linken und rechten Nachbar die Hand zum Frieden reichen. Franziskus stimmte dem Dokument zu – und entband kurze Zeit später Cañizares, den Leiter der zuständigen Kongregation, seines Amtes und schickte ihn nach Valencia, ohne einen Namen für eine Neubesetzung zu nennen.

Entsprechend gibt es nun Gerüchte, dass Franziskus die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentendisziplin auflösen und mit der Kongregation für die Heiligsprechungen zusammenlegen könnte. Liturgische Fragen, die unter Papst Benedikt XVI. eine entscheidende Rolle spielten, stehen denn auch unter dem heutigen Papst nicht mehr so im Vordergrund. „Papst Benedikt XVI. hatte als Theologe den Akzent seines Pontifikats auf das Magisterium, also das Lehramt, gelegt“, schreibt Kardinal Walter Kasper in seiner Betrachtung „Ein Jahr Pontifikat Papst Franziskus“. Franziskus hingegen hatte schon vor seiner Wahl zum Papst eine Kirche kritisiert, die nur mit sich selbst beschäftigt ist und an ihren eigenen Strukturen herumbastelt. Schon als Kardinal hatte Franziskus eine missionarische Kirche gefordert, eine arme Kirche für die Armen.

„Benedikt geht als Theologe von der kirchlichen Lehre aus und sucht sie im Heute anzuwenden. Franziskus betrachtet als Jesuit die konkrete Situation und kommt auf dem Weg einer geistlichen Unterscheidung zu Entscheidungen“, schreibt Kasper. Und weiter: „Papst Johannes Paul II. war ein Missionar, der rastlos um die Welt reiste, Papst Benedikt XVI. war als Papst Lehrer und Katechet, Papst Franziskus ist gewissermaßen Pfarrer für die Welt.“

Erneuerung bedeutet für Franziskus nicht Anpassung an die Welt, sondern Rückkehr zum Evangelium, zurück zur apostolischen Einfachheit und Schlichtheit – „die Rückbesinnung auf das Evangelium macht auch institutionelle Reformen notwendig“, so Kaspar.

Geht dem Papst die Puste aus?

Wie es in Rom weitergeht? Weitere Umstrukturierungen und Vereinfachungen der Kurie werden erwartet. Manche befürchten, dass dem Papst die Puste ausgehen oder dass der Gegenwind doch zu stark werden könnte. „Wer so denkt, unterschätzt Franziskus und überschätzt die restaurativen Kräfte in der Kurie“, schreibt Kaspar. „Es gibt sie, aber es gibt nicht nur sie. Es gibt dort auch viele, die für Papst Franziskus dankbar sind. Die große Mehrheit der Mitarbeiter will der Kirche und dem Papst aufrichtig dienen, manche andere warten erst einmal ab oder – wie überall – passen sich schnell an.“ Die Kurienreform sei eine Großbaustelle, betont Kaspar. Er rechnet mit einer Dauer von gut drei Jahren.

Aus Rom berichtet man, dass der Papst sich kürzlich mit den Chefs des Päpstlichen Migrantenrats und des Päpstlichen Rats zur Neuevangelisierung getroffen hat. Auch diese beiden Kurienkardinäle sind – wie zuvor Cañizares – vom Papst noch nicht endgültig in ihren Ämtern bestätigt worden.