Berlin

Kein Strom mehr aus Erdgas: Finanzminister Lindner fordert Habeck zum Handeln auf

Bundesfinanzminister Christian Lindner
Bundesfinanzminister Christian Lindner Foto: dpa

Finanzminister Christian Lindner fordert einen Stopp der Stromproduktion mithilfe von Gas. „Wir müssen daran arbeiten, dass zur Gaskrise nicht eine Stromkrise kommt“, sagte der FDP-Vorsitzende der „Bild am Sonntag“. „Deshalb darf mit Gas nicht länger Strom produziert werden, wie das immer noch passiert.“

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In Richtung des Bundeswirtschaftsministers sagte Lindner: „Robert Habeck hätte die gesetzliche Ermächtigung, das zu unterbinden.“ Er fügte hinzu: „Vieles spricht dafür, die sicheren und klimafreundlichen Kernkraftwerke nicht abzuschalten, sondern nötigenfalls bis 2024 zu nutzen.“

Ein Sprecher von Habeck (Grüne) reagierte kritisch auf Lindners Äußerungen: „Man darf nicht verkennen: Ein völliger Verzicht auf Gas im Stromsektor führt zur Stromkrise und Blackouts. Es gibt systemrelevante Gaskraftwerke, die mit Gas versorgt werden müssen. Bekommen sie kein Gas, kommt es zu schweren Störungen. Das ist leider die Realität der Stromsystems, die man kennen muss, um die Versorgungssicherheit herzustellen.“ Da aber, wo Gas in der Stromerzeugung ersetzt werden kann, solle es ersetzt werden.

Laut Ministerium ist eine Gaseinsparverordnung zum Abschalten von nicht systemrelevanten Gaskraftwerken in der Stromerzeugung in Arbeit. Eine erste Verordnung ermöglicht es bereits, dass Steinkohlekraftwerke aus der sogenannten Netzreserve zeitlich befristet in den Strommarkt zurückkehren. Zum 1. Oktober soll die Braunkohlereserve aktiviert werden. Bereits stillgelegte Braunkohlekraftwerke könnten dann wieder ihren Betrieb aufnehmen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch zeigte sich kritisch gegenüber Lindners Vorschlag, AKWs länger laufen zu lassen. „In Krisenzeiten sind wirkliche Lösungen gefragt und keine populistischen Schnellschüsse. Bislang haben alle seriösen Prüfungen ergeben, dass Atomkraft die teuerste und unsicherste Energieform ist, die gerade für Deutschland nicht das Gasproblem löst“, sagte Miersch. „Aber natürlich gehören alle Optionen immer wieder geprüft, was das Bundeswirtschaftsministerium gerade vor dem Hintergrund der erheblichen Probleme französischer Atomkraftwerke macht“, sagte der SPD-Politiker unserer Zeitung. „Ich erwarte von Verantwortungsträgern, dass sie diese Untersuchungen seriös abwarten“, so Miersch.

Die CSU und die Industrie erhöhen in der Debatte um längere AKW-Laufzeiten den Druck auf die Ampelregierung. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, sprach sich am Wochenende für einen Weiterbetrieb der drei in Deutschland noch laufenden Atomkraftwerke aus – und will auch über den Bau neuer Reaktoren reden. „Weltweit werden derzeit 50 neue Atomkraftwerke gebaut, die Technik hat sich weiterentwickelt“, sagte Wolf den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, hält um mehrere Jahre verlängerte Laufzeiten von Meilern für möglich. Auch andere Politiker von Union und FDP forderten längere Laufzeiten.

Vor allem die Grünen tun sich aber schwer mit dem Thema. Sie hatten im Programm zur Bundestagswahl 2021 versprochen: „Wir werden den Atomausstieg in Deutschland vollenden.“ Sollte sich eine Notsituation abzeichnen, schlossen mehrere Grünen-Politiker allerdings mittlerweile einen „Streckbetrieb“ mit den vorhandenen Brennelementen noch laufender Atomkraftwerke nicht aus.

Einem Wiedereinstieg in die Atomkraft erteilte Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang jedoch eine klare Absage. Sie sagte am Sonntag im ZDF-Sommerinterview: „Das, was Christian Lindner da will, ist nichts anderes als der Wiedereinstieg in die Atomkraft. Und das wird es mit uns auf jeden Fall nicht geben.“ jdr/dpa