Interview mit Claudia Roth: „Merkel ist Geschäftsführerin der Lobbys“

Claudia Roth bei der Anti-Atom-Demo in Berlin.
Claudia Roth bei der Anti-Atom-Demo in Berlin. Foto: dpa

Die Großdemonstration in Berlin ist laut Grünen-Chefin Claudia Roth erst der Anfang des Protestes gegen die Atompolitik der Bundesregierung gewesen. Bundesweit werde der Widerstand jetzt fortgesetzt, kündigt Roth im Gespräch mit unserer Zeitung an.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von Hagen Strauß

Die Großdemonstration in Berlin ist laut Grünen-Chefin Claudia Roth erst der Anfang des Protestes gegen die Atompolitik der Bundesregierung gewesen. Bundesweit werde der Widerstand jetzt fortgesetzt, kündigt Roth im Gespräch mit unserer Zeitung an.

Frau Roth, die Großdemo in Berlin hat die Regierung nicht beeindruckt. Wie geht es jetzt mit dem Protest gegen die Laufzeitverlängerungen weiter?

Die Regierung sollte sich genau anschauen, wer da alles in Berlin unterwegs gewesen ist. Das war nicht nur der Kern der Anti-Akw-Bewegung, nicht einfach ein Revival, sondern ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen falsche Politik. So etwas habe ich selten erlebt. Wir werden den Protest auf unterschiedlichen Ebenen weiterführen. In den Parlamenten, in den Ländern, vor Gericht und auf der Straße.

Das heißt, Sie wollen den Widerstand gegen die Atompolitik der Koalition verstärken?

Ganz klar: Wir werden den Protest so hör- und sichtbar fortsetzen. Demnächst in München mit einer Menschenkette und dann im November im Wendland. Die Wiederaufnahme der Erkundung von Gorleben ist eine unverschämte Provokation der schwarz-gelben Koalition. Hinzu kommt die Ankündigung der Regierung von Enteignungen. Der Bürgerprotest wird allein schon deshalb weitergehen, und zwar bundesweit.

Die Regierung wirft ihnen im Gegenzug vor, unglaubwürdig zu sein, weil Rot-Grün damals kein taugliches Ausstiegskonzept gehabt habe – Stichwort Castortransporte, Endlager und…

…das ist Quatsch. Wir sind damals in eine andere Energiepolitik zugunsten der erneuerbaren Energien eingestiegen, was im Moment von der Bundesregierung kaputt gemacht wird. Es kommt ja noch etwas hinzu: Vielen Menschen geht es nicht nur um die Laufzeitverlängerungen, sondern auch um die Art und Weise, wie Frau Merkel Politik betreibt. Die Bundeskanzlerin ist doch inzwischen Geschäftsführerin der Lobbyverbände in diesem Land geworden. Im Kanzleramt regieren die Atomlobby, die Pharmalobby, die Banken, die Hoteliers. Sie führen der Bundesregierung die Feder.

Dass die Proteste gegen die Atomkraft den Grünen derzeit nutzen, ist allerdings Fakt. Wird ihnen angesichts der Umfragen-Rekorde schon mulmig?

Wir bleiben auf dem Teppich und schreiben uns die Werte sicherlich nicht auf die Fußsohlen. Es ist auch nicht so, dass ich mich freue, dass die Bundesregierung grottenschlechte und gefährliche Politik betreibt, damit es uns Grünen besser geht. Mir wäre es definitiv lieber gewesen, wenn es beim Ausstiegskonzept geblieben wäre. Die Grünen waren immer Teil gesellschaftlicher Bewegungen. Das merkt man jetzt wieder. Und wir sind glaubwürdig und realitätstüchtig. Anders als zum Beispiel die Linkspartei, die alle Atomkraftwerk jetzt sofort abschalten will.

Also sind die Grüne in den Umfragen derzeit keine Scheinriesen?

Umfragen sind Umfragen und Wahlergebnisse sind Wahlergebnisse. Aber ich glaube schon, dass es sich auszahlt, dass wir personell gut aufgestellt sind unsere Konzepte immer weiterentwickelt haben.