Berlin/Erfurt

Gauck-Schelte: Linke sieht rot

Kurz vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls hat Bundespräsident Joachim Gauck offene Bedenken gegen einen möglichen ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei angemeldet.

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Mit Blick auf die in Thüringen angestrebte rot-rot-grüne Koalition unter Führung des Linke-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow sagte Gauck: „Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“ Gauck warf die Frage auf, wie weit sich die Linke inzwischen von Vorstellungen ihrer Vorgängerpartei SED entfernt habe.

Gauck sagte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“, die in der Berliner Gethsemanekirche aufgezeichnet wurde, dass die Wahlentscheidung der Menschen zu respektieren ist. Gleichzeitig sei zu fragen: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“ Es gebe „Teile in dieser Partei, wo ich – wie viele andere auch – Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln“.

Linke-Chefin Katja Kipping widersprach Gauck scharf. „Seine Zweifel an der demokratischen Gesinnung unserer Mitglieder und Wähler weise ich in aller Form zurück. So etwas gehört sich für einen Präsidenten nicht.“ Ramelow sagte: Als Christ sei er „seltsam irritiert“, dass ein Pastor solche Aussagen über einen anderen Christen mache. Von Politikern der Grünen und der CDU bekam Gauck Unterstützung für seine öffentliche Kritik. Die Thüringer SPD-Mitglieder können noch bis heute über eine Empfehlung des Vorstandes für eine rot-rot-grüne Koalition abstimmen. Die Linke hatte bei der Landtagswahl mit rund 28 Prozent 10 Punkte stärker abgeschnitten als SPD und Grüne zusammen.

Der Chef der Stasiunterlagenbehörde, Roland Jahn, argumentierte ähnlich wie Gauck. Menschen, die unter der SED-Diktatur gelitten hätten, empfänden einen Ministerpräsidenten der Linken in Thüringen „als eine Verletzung“. Sie hätten „die SED, PDS, Linkspartei nicht als eine Partei erlebt, die sich wirklich ihrer geschichtlichen Verantwortung gestellt hat“.

Kritische Stimmen kamen hingegen aus der SPD: Der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner sagte, dass Gaucks entschiedene Äußerungen auch bei schwierigen Themen seine Stärke ausmachten. Aber: „In strittigen Fragen der aktuellen Parteipolitik ist allerdings Zurückhaltung klug und geboten, zumal die Amtsautorität des Staatsoberhauptes auf seiner besonderen Überparteilichkeit beruht“, sagte der SPD-Politiker. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte: „Ich fürchte, dass es dem Amt des Bundespräsidenten schadet, wenn sich dieser in die Debatte um die Regierungsbildung in einem Bundesland einschaltet.“