Experte: Ein guter Auftritt kann auch Wahlen beeinflussen

Herr Wagschal, welche Bedeutung haben TV-Duelle für den Wahlausgang?

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TV-Duelle sind ein Element in einem oft wochenlangen und intensiven Wahlkampf. Es gibt viele Mythen, die sich um den Einfluss von TV-Duellen auf den Wahlausgang ranken. Am prominentesten ist sicher das TV-Duell zur Präsidentschaftswahl in den USA 1960, als ein jugendlich und frisch wirkender Kennedy den kränkelnden und ungepflegt aussehenden Kandidaten der Republikaner Nixon im TV-Duell zu übertrumpfen schien und dann auch die Wahl für sich entscheiden konnte. Bei einem unserer letzten Einsätze im Frühjahr in Schleswig-Holstein hat der Herausforderer Günther von der CDU das TV-Duell klar gegen den Ministerpräsidenten Albig gewonnen und später eben auch die Wahl. In England hat im Frühsommer Theresa May durch schlechte Debatten ihren vermeintlich sicheren Sieg wieder fast verloren. Ein Sieg im TV-Duell kann also eine Rolle spielen. Oft ist es auch die wohl größte Chance für den Herausforderer zu punkten, weil der Amtsinhaber einen Amtsbonus besitzt.

Wer profitiert am meisten von einem Duell? Der Amtsinhaber oder der Herausforderer?

In der Regel der Herausforderer. Der Amtsinhaber kann, weil er einen Amtsbonus hat, fast nur verlieren – es sei denn, er liegt stark zurück. Man sieht dies etwa bei der kommenden Bundestagswahl. Kanzlerin Merkel liegt deutlich vorne und will nur ein TV-Duell gegen Schulz, der zwei Debatten wollte. Im Frühjahr in Schleswig-Holstein war es ähnlich: Ministerpräsident Albig von der SPD wollte auch nur eine Debatte. Der Herausforderer muss sich bekannter machen. Gerade für die kleinen Parteien ist dies übrigens auch eine wichtige Gelegenheit, ihre Spitzenkandidaten und ihr Programm bekannter zu machen. Zudem gilt auch: Je näher das TV-Duell am Wahltermin liegt, desto größer wird der Einfluss sein. Da die Debatte zwischen Merkel und Schulz drei Wochen vor der Wahl stattfindet, kann auch danach noch einiges passieren.

Sind Persönlichkeiten wichtiger als Inhalte?

Es gibt verschiedene Faktoren für den Wahlentscheid. Erstens gibt es eine langfristige Parteineigung: Mancher hat sie und mancher nicht. In den zurückliegenden Jahren wurde diese Parteineigung aber immer unwichtiger. Zweitens sind da Sachthemen wie zum Beispiel Bildungspolitik, Verkehr, Innere Sicherheit und Flüchtlingspolitik. Hier werden den Parteien unterschiedliche Kompetenzen zugeschrieben. Und der dritte entscheidende Faktor ist der Spitzenkandidat. Bei den vergangenen Landtagswahlen haben wir häufig gesehen, dass der Amtsinhaber gewonnen hat. Der bundesdeutsche Wähler schätzt auch Kontinuität und Stabilität hoch ein. Der Herausforderer muss deshalb umso mehr zeigen, dass er angreifen kann und dass er ebenfalls als Kanzler tauglich ist.

In den Umfragen liegt Angela Merkel zurzeit weit vor ihrem Herausforderer Martin Schulz. Kann der SPD-Kanzlerkandidat durch einen gelungenen Fernsehauftritt das Blatt noch wenden?

Wir wissen aus der Vergangenheit, dass der Kandidat immer wichtiger wird. Gerade, wenn es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinausläuft und der Abstand zwischen zwei Parteien relativ gering ist, kann eine solche Debatte den Ausschlag geben. Merkel scheint jedoch in den aktuellen Umfragen einen großen Vorsprung zu haben. Für Schulz muss es also darum gehen, den Abstand zu verkürzen. Immerhin werden wohl wieder über 15 Millionen Menschen das TV-Duell sehen.

Sie haben bereits viele Fernsehdebatten ausgewertet. Welches Politikerverhalten kommt bei den Zuschauern besonders gut an – und welches besonders schlecht?

Wir merken mit dem Debat-O-Meter, dass emotionale Argumentationen gut ankommen – jedenfalls deutlich besser, als wenn jemand nur Fakten herunterleiert. Der Zuschauer von heute will Emotionen und Engagement sehen. Das bloße Herunterbeten von Zahlen und Leistungen kommt eher schlecht an. Aggressivität wird ebenso eher negativ bewertet. Schlagfertigkeit kommt dagegen gut an – ein gutes, witziges Gegenargument bringt Punkte. Der rhetorisch Begabte hat hier klare Vorteile. Und natürlich ist Empathie wichtig, also ein überzeugendes Mitfühlen mit benachteiligten Gruppen. Aber eines sollte auch klar sein: Eine Regierung gut zu führen, ist nicht gleichzusetzen mit einer Redebegabung.

Die Teilnahme von Zuschauern am Debat-O-Meter ist freiwillig. Wie repräsentativ können dann die Ergebnisse sein?

Unser Vorteil ist, dass wir in ganz Deutschland über die Regional- und Lokalzeitungen zur Teilnahme am Debat-O-Meter werben. Wir rechnen mit etwa 20.000 Teilnehmern, und damit kann man dann auch einiges herausfinden.