Brüssel

Erneut Explosionen in Brüssel – RZ-Korrespondent berichtet

Ein vermummter und bewaffneter Polizist in der belgischen Hauptstadt Brüssel. 
Ein vermummter und bewaffneter Polizist in der belgischen Hauptstadt Brüssel.  Foto: dpa

Es sind Szenen wie von einem Kriegsschauplatz: Mitten auf einem zentralen Verkehrsknotenpunkt in Brüssel liegt ein angeschossener Mann, Polizisten und Soldaten haben sich hinter ihren Fahrzeugen verschanzt. Was sich zuvor dort abgespielt hatte, fällt Augenzeugen schwer zu beschreiben. Demnach nahm der Mann zunächst eine Frau und ein Kind als Geisel.

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Von unserem Brüsseler Korrespondenten Detlef Drewes

Die Frau konnte fliehen, als die Polizei den Verdächtigen mit einem Schuss ins Bein traf. Ein Amateurvideo zeigt, wie das Kind neben dem Mann am Boden kniet. Schließlich lässt er auch das Mädchen gehen, das völlig verschüchtert zu den Beamten mit gezogenen Waffen hinter ihren Schutzschilden geht. Spezialisten untersuchen seine Tasche. Noch ist unklar, was sie enthielt. „Das alles ging rasend schnell“, erzählt ein Augenzeuge. „Da kamen zwei Polizeiwagen angerast, der Typ wurde niedergeschossen, und sofort war dieser Roboter da. Das muss eine ganz gezielte Aktion gewesen sein.“

Brüssel – am dritten Tag nach den Anschlägen. Die Razzien nach weiteren Terroristen und Hintermännern der Anschläge vom Dienstag begannen schon am späten Donnerstagabend. Längst ging es nicht mehr nur um die als Terrorhochburg verschriene Gemeinde Molenbeek. Diese Szene spielte sich gerade einmal zwei Kilometer entfernt von dem Viertel ab, in dem die europäischen Institutionen ihren Sitz haben. Bis Freitagmorgen hatte die Polizei sechs Verdächtige festgenommen. Im Laufe des Freitags kamen bei weiteren Zugriffen vier Männer dazu. Doch so friedlich, wie das klingen mag, liefen die Aktionen nicht ab: Es kam mehrfach zu längeren Schießereien. In der Gemeinde Schaerbeek gab es drei Explosionen, deren Ursache zunächst unklar blieb. Am Nachmittag drangen Sicherheitskräfte in die Metrostation Arts-Loi ein und räumten diese. Dort kreuzen sich alle Linien der U-Bahn, deren Verkehr erneut eingestellt werden musste. Brüssel befand sich im Belagerungszustand – und niemand konnte sagen, wie lange die Aktionen noch andauern würden.

Salafist Samir E. verhaftet

In der Nacht zum Freitag hatten französische Sicherheitskreise weitere Hinweise nach Brüssel geschickt. Zuvor waren die Pariser Ermittler in Argenteuil bei der Durchsuchung eines Hauses auf Sprengstoff, Waffen und Munition sowie weitere Anschlagspläne gestoßen. Diese führten auch in Deutschland zu zwei Verhaftungen in Düsseldorf und Gießen. In beiden Fällen wurden Verbindungen nach Brüssel und Paris festgestellt. Im Düsseldorfer Stadtteil Bilk wurde ein Mann festgenommen, der den Behörden in Nordrhein-Westfalen als Salafist bekannt ist. Er gehört möglicherweise zum Umfeld der Brüssel-Attentäter. Laut Medienberichten soll es sich um den Salafisten Samir E. handeln.

Er war wie der Brüsseler Flughafenattentäter Ibrahim El Bakraoui im Sommer 2015 von den türkischen Behörden im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien aufgegriffen worden. Die Türken verdächtigten beide, sich auf der Seite der Islamisten am syrischen Bürgerkrieg beteiligt zu haben oder noch beteiligen zu wollen. Beide seien daraufhin gemeinsam in einem Flugzeug nach Amsterdam abgeschoben worden, dem Ausgangspunkt ihrer Reise. Die Behörden untersuchen nun, ob sich E. und Bakraoui näher gekannt haben und gemeinsam unterwegs waren.

Bei dem in Gießen festgenommenen Mann handelt es sich um einen 28-jährigen Marokkaner. Bei einer Identitätskontrolle durch die Bundespolizei am Bahnhof der hessischen Stadt wurde festgestellt, dass er unter mehreren falschen Namen eingereist und Asyl beantragt hatte.

Brüssel traf die erneute Eskalation am Freitag völlig unvorbereitet. Die Situation wurde noch zusätzlich dadurch verschärft, dass die Behörden wegen des Besuches des amerikanischen Außenministers John Kerry Teile der Innenstadt gesperrt hatten. Als Vertreter von US-Präsident Barack Obama legte Kerry einen Kranz am Flughafen nieder und gedachte dabei der beiden amerikanischen Opfer. „Ich bin ein Brüsseler“, sagte er in einer kurzen Ansprache und sicherte Belgien den Rückhalt und die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu.

Aachenerin ist unter den Opfern

Doch die Szene wirkte gespenstisch, fielen doch zugleich in weiter entfernt liegenden Stadtteilen immer weiter Schüsse. In weiten Teilen der Stadt waren die Anwohner von der Polizei aufgefordert worden, ihre Häuser nicht zu verlassen und sich von den Fenstern fernzuhalten. Der private Autoverkehr musste in einigen Bereichen völlig eingestellt werden. Schwer gepanzerte Fahrzeuge der Polizei und der Armee riegelten alle wichtigen Einfallstraßen nach Brüssel ab.

Unterdessen wurde bekannt, dass bei den Terroranschlägen auch eine Deutsche getötet wurde. Eine bisher als vermisst geltende Aachenerin wurde nun als Todesopfer des Anschlags am Brüsseler Flughafen identifiziert. Der Ehemann der jungen Frau liegt mit schweren Verletzungen in einem Brüsseler Krankenhaus.