Eine Wahl, zwei Gewinner: Republikaner und Demokraten teilen sich den Sieg

Von Thomas Spang
Fahrzeuge fahren während der Kongresswahl am US-Kapitol vorbei. Bei den Zwischenwahlen, den sogenannten Midterms, werden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat vergeben. Foto: dpa
Fahrzeuge fahren während der Kongresswahl am US-Kapitol vorbei. Bei den Zwischenwahlen, den sogenannten Midterms, werden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat vergeben. Foto: dpa

Eine Wahl, zwei Gewinner. Die Demokraten holen eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, die Republikaner bauen ihren Vorsprung im Senat aus. Für Donald Trump liefern die „Midterms“ ein gemischtes Ergebnis.

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US-Korrespondent Thomas Spang zu den Kongresswahlen

Nancy Pelosi weiß, wie es sich anfühlt, die Macht zu verlieren. Das musste sie bei den Zwischenwahlen vor vier Jahren erleben als die Wähler die Partei des Präsidenten mit einem, wie Barack Obama damals sagte, „Schellacking“ (Dt. Abreibung„) bestraften. Die Demokraten verloren die Mehrheit im Repräsentantenhaus und Pelosi das Amt der “Speakerin„ im Kongress.

Sie erinnert daran, als sie triumphierend vor einem Meer an Sternenbanner vor ihre Parteifreunde tritt. Zu Siegen sei ein schönes Gefühl, das stark mache, sagt sie in ihrer Rede kurz vor Mitternacht. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle großen Fernsehsender in den USA die Demokraten als Sieger der Wahlen zum Repräsentantenhaus ausgerufen.

“Morgen wird ein neuer Tag in Amerika sein„, verspricht Pelosi mit Pathos. Es ginge nicht um Republikaner und Demokraten, sondern darum “endlich wieder die Kontrollen und Gegengewichte unserer Verfassung wiederherzustellen„. Nicht weniger als das hat sich Pelosi vorgenommen, die bei einer Bestätigung als “Speakerin„ durch ihre Fraktion Geschichte schreibt. Nie zuvor kehrte eine Frau in das Amt zurück.

Mehr als 30 Kundgebungen

Donald Trump verfolgte die Rede im Fernsehen aus dem Weißen Haus. Dort hatten er und First Lady Melania den Wahlabend mit Freunden verbracht. Auch er fühlt sich als Gewinnern. In den Wochen vor den Midterms mobilisierte er seine Anhänger auf mehr als 30 Kundgebungen überall in den USA.

Statt nach dem Terror gegen die Juden von Pittsburg und die Führer des liberalen Amerika seinen Ton zu mäßigen, drehte Trump richtig auf. Er hetzte gegen die “Karawane„ von Flüchtlingen, denunzierte seine Kritiker und verbreitete im Schnitt 30 Unwahrheiten am Tag.

In dieser Wahlnacht darf auch er sich bestätigt sehen. Von Florida über Missouri, Indiana und Tennessee bis Texas und North Dakota setzten sich seine Senatskandidaten durch. In den durchweg knappen Rennen könnten es Trumps Anhänger mit den roten “Make America Great Again„-Kappen gewesen sein, die Rick Scott, Marsha Blackburn, Josh Hawley, Kevin Cramer, Mike Braun und sogar Ted Cruz über die Ziellinie verhalfen.

“Unglaublicher Erfolg heute Nacht. Danke an alle„, jubelte Trump auf Twitter. Anders als so viele andere Behauptungen und Aussagen des Präsidenten entbehrt diese nicht die Grundlage. Denn obwohl er nirgendwo auf dem Wahlzettel stand, waren die “Midterms„ auch eine Abstimmung über ihn. “Das war das erste Mal, dass die Amerikaner die Möglichkeit hatten, sich zu dieser sehr ungewöhnlichen Figur in unserer Geschichte zu äußern„, sagt die Kolumnistin Peggy Noonan.

Haus wird demokratischer

Und sie haben ein geteiltes Urteil ausgesprochen. Der Senat bewegte sich mit mindestens plus vier Sitzen deutlich auf den Präsidenten zu, während sich das Repräsentantenhaus mit mindestens minus 35 Sitzen so deutlich von ihm entfernte. Die überall spürbare Polarisierung bildet sich in dem neugewählten Kongress ab. Das Haus wird demokratischer, der Senat republikanischer.

Die Demokraten stützen sich laut Nachwahl-Umfragen auf eine Koalition aus Frauen, Wählern im urbanen und suburbanen Amerika, Akademikern, Minderheiten und jungen Menschen. Ihre künftige Fraktion spiegelt in ihrer Buntheit diese demographischen Realitäten wieder. Vor allem findet sich die Rekordzahl von über 100 Frauen im Kongress wieder, von denen die meisten für die Demokraten angetreten sind.

Das der erste Sitz zur Rückeroberung der Mehrheit im Repräsentantenhaus von der Demokratin Jennifer Wexton im zehnten Wahlbezirk von Virginia geholt wurde, wird von vielen Beobachtern als Symbol für die Wahlnacht gesehen. Im Repräsentantenhaus verdanken die Demokraten ihre Mehrheit dem Enthusiasmus der Frauen, die vor allem in den Vororten in Scharen von den Republikanern abgewandert waren.

Die Republikaner können sich weiterhin verlässlich auf weiße Männer, die Landbevölkerung, religiöse und ältere Wähler stützen. Es sind dieselben demographischen Gruppen, die Trump ins Weiße Haus verhalfen. Hier räsoniert das Schüren von Fremden-Angst, Nationalismus und Handelsschranken ganz besonders.

Das erklärt das geteilte Verdikt der Midterms. Da die Senatswahlen auf Ebene der Bundesstaaten abgehalten werden und in diesem Jahr die Mehrzahl der zur Wahl stehenden 35 Sitze in Staaten zur Wahl standen, die Trump gewonnen hatte, waren diese Rennen ein Test für seine Wählerkoalition. Der Präsident zeigte, dass er dieselben Staaten gewinnen kann, die ihm ins Weiße Haus verhalfen.

Im Repräsentantenhaus wird in 435 Wahlbezirken gewählt. Dadurch können die Demokraten auch in republikanischen Staaten städtische und suburbane Sitze gewinnen. Das hilft ihnen allerdings wenig bei Präsidentschaftswahlen, die im Prinzip 50 Mehrheitsentscheidungen in den Bundesstaaten sind.

Analysten weisen darauf hin, wie wichtig das für das Verständnis der Strategie der neuen demokratischen Mehrheit im Haus sein wird. Pelosi kündigte bereits an, sie strebe kein Amtsenthebungsverfahren an. Dafür bräuchte sie am Ende Zweidrittel der Stimmen im Senat. Eine Hürde, die angesichts der gewachsenen Mehrheit der Republikaner niemals zu nehmen sein wird.

Ein Balanceakt

Auf die Demokraten wartet im Repräsentantenhaus ein Balanceakt. “Wir werden den Präsidenten zur Rechenschaft ziehen„, kündigt Jerrold Nadler an, der künftig dem mächtigen Justizausschuss vorstehen wird. Während Progressive, wie die frisch-gewählte Alexandra Ocasio-Cortez aus New York, auf ein Impeachment drängen, plädieren Moderate wie Jamie Raskin für Umsicht. “Wir müssen uns unsere Schlachten aussuchen„.

Zumal Trump von diesem Antagonismus lebt. Der Präsident plant ohnehin schon, in dauernden Wahlkampfmodus umzuschalten. “Die können machen, was sie wollen„, reagierte er kürzlich schnippen auf eine Reporterfrage, was eine neue Mehrheit im Haus für ihn verändern werde.

Bei den Gouverneurswahlen legten die Demokraten ebenfalls deutlich zu und eroberten mindestens fünf Gouverneursämter. Sie schafften es allerdings nicht ihre beiden schwarzen Kandidaten in Florida und Georgia, Andrew Gillum und Stacy Abrams über die Ziellinie zu bringen. Beide langen knapp hinter den von Trump unterstützten Republikanern Ron DeSantis und Brian Kemp.

Dafür machen Kalifornien und Colorado Geschichte, die mit Gavin Newsome und Jared Polis offen Schwule Kandidaten ins Gouverneursamt wählten.

In den Senat wird der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner Mitt Romney für den Bundesstaat Utah einziehen. Das mit großer Spannung verfolgte Rennen in Texas zwischen dem demokratischen Shootingstar Beto O'Rourke und Ted Cruz konnte der Republikaner denkbar knapp für sich gewinnen.

Der Kolumnist der Washington Post Dana Milbank bringt das gemischte Ergebnis der Wahlnacht auf den Punkt. “Es war vielleicht nicht die überwältigende Zurückweisung von Präsident Trumps vulgärer, spalterischer, rassistischer und zuweilen gesetzloser Amtsführung, die sich die Demokraten erhofft hatten. Aber es war mindestens eine Korrektur, und ein Rüffel für die Trump Präsidentschaft."