Berlin

CDU-Chefin sieht keine Fehler im Wahlkampf: Merkel will nichts anders machen

Von Rena Lehmann
Sie will sich nicht feiern lassen, sieht aber auch nicht, dass sie Fehler im Wahlkampf gemacht haben könnte: CDU-Chefin Angela Merkel steht vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Foto:  dpa
Sie will sich nicht feiern lassen, sieht aber auch nicht, dass sie Fehler im Wahlkampf gemacht haben könnte: CDU-Chefin Angela Merkel steht vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Foto: dpa

Schon am Wahlabend hat Parteichefin Angela Merkel die Feierlaune im Konrad-Adenauer-Haus gebremst. Die „Angie, Angie“-Rufe der „voll muttivierten“ Jungen Union waren ihr sichtlich unangenehm nach diesem Wahlergebnis. Dass sie ihnen nicht die Musik abdrehte, war alles. Sie ahnte wohl, dass sie jetzt viele unangenehme Fragen klären muss. Die nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft zum Beispiel. Sie beantwortet sie vorläufig mit einem klaren „Weiter so“.

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Nach zwölf Jahren als Regierungschefin hat Angela Merkel mit 33 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1949 zu verbuchen. Mehr als 8 Prozentpunkte Verlust schlagen heftig ins Kontor. Offene Kritik an Merkels Kurs der vergangenen Jahre übt zwar niemand aus der Führung. Die Union hat jetzt den Auftrag, eine stabile Regierung zu bilden, hört man von dort. Aber es gibt Redebedarf. Nach der Landtagswahl in Niedersachsen will man zusammen mit der Schwesterpartei CSU in Klausur gehen, das Ergebnis analysieren, den künftigen Kurs bestimmen. „Eine nüchterne Analyse“ habe es am Montagmorgen bereits in den Vorstandsgremien gegeben, sagt Merkel. Sie selbst zieht am Montag vor Hunderten Journalisten, darunter viele Reporter ausländischer Medien, gewohnt sachlich eine erste Bilanz. Natürlich hätte sie insgesamt auf ein besseres Ergebnis gehofft. Dass eine Million Wähler statt bei der Union lieber bei der AfD ihr Kreuz gemacht haben, nimmt sie zur Kenntnis. „Wir müssen versuchen, sie durch gute Politik und das Lösen von Problemen zurückzugewinnen“, sagt Merkel. Mehrfach wird sie gefragt, ob sie Fehler gemacht hat. Im Wahlkampf? In der Flüchtlingskrise? Merkel verneint. Sie wolle „den Menschen, die zuhören wollen, ein Angebot machen“. Einige wollten aber gar nicht zuhören. „Das muss man nehmen, wie es ist.“ Sie habe vorher gewusst, dass es „ein besonderer Wahlkampf wird“. Über die Frage, ob sie Regierungschefin bleiben kann und will, hätte sie im Herbst vergangenen Jahres nachgedacht. Jetzt nicht mehr. „Ich kann nicht erkennen, was wir anders machen müssten. Ich habe diesen Wahlkampf gut durchdacht.“ Sie wisse auch, dass die Probleme der Integration und Migration „nicht alle gelöst sind“. Ob sie mit diesem Wahlergebnis noch als Stabilitätsanker in Europa gelten kann, wird sie von einem ausländischen Journalisten gefragt. „Das müssen doch andere entscheiden, was ich bin.“

Sie wird in den nächsten Tagen viele Gespräche führen müssen, viele davon werden nicht einfach. Das zum Beispiel, das als erstes ansteht, mit CSU-Chef Horst Seehofer. Die Schwesterpartei hat in Bayern mehr als 10 Prozentpunkte verloren. Sie stürzte von fast 50 auf unter 40 Prozent ab – ein Schock. Nächstes Jahr stehen in Bayern Landtagswahlen ins Haus. Seehofer wird Merkel drängen, die beklagte „offene Flanke nach rechts“ zu schließen, um der AfD das Wasser abzugraben. Kurzzeitig löste am Montagmorgen die Meldung aus Bayern Unruhe aus, Seehofer stelle gar die Fraktionsgemeinschaft seiner Partei mit der CDU infrage. Das Dementi Seehofers folgte kurze Zeit später. Als Warnsignal war das kleine Missverständnis möglicherweise schon gemeint. Merkel steht vor der wohl schwierigsten Regierungsbildung ihrer Kanzlerschaft. Die CSU macht Druck, nach rechts zu schwenken, die möglichen Koalitionspartner FDP und Grüne stehen in der Flüchtlingsfrage teils konträr zueinander. Zumindest ein Einwanderungsgesetz wollen beide. Merkel hielt sich allerdings noch mit Koalitionsaussagen zurück. Man werde mit FDP und Grünen, aber auch mit der SPD sprechen. In der Union sind viele sauer, dass die SPD sich bereits auf ihre neue Rolle als Oppositionsführerin festgelegt hat. Es heißt, die Sozialdemokraten hätten sich „einfach vom Acker gemacht“. Unverantwortlich findet man das bei der Union. Die frühe Absage der SPD an eine Fortsetzung der Großen Koalition treibt für die anstehenden Verhandlungen mit FDP und Grünen natürlich die Preise in die Höhe. Wenn niemand sonst als Partner infrage kommt, können FDP-Chef Christian Lindner und die Grünen umso mehr Zugeständnisse für ein Dreier-Bündnis verlangen. Als Merkel gefragt wird, ob sie auch Neuwahlen für möglich hält, fällt ihre Antwort allerdings ungewohnt scharf aus: „Ich rate jedem, das Wählervotum zu akzeptieren. Wenn der Wähler uns einen Auftrag gibt, müssen wir ihn umsetzen.“

Über eine Zeit nach Merkel in der Union zu spekulieren, kommt für viele in der Union noch immer zu früh. Sie selbst hat vor Wochen bekannt gegeben, auch den Parteivorsitz behalten zu wollen. Von ihren Plänen, für eine weitere volle Amtszeit die Regierungsgeschäfte führen zu wollen, will sie nicht abrücken. „Ich stehe zur Verfügung für volle vier Jahre. Ich habe diese Frage nie von Prozentzahlen abhängig gemacht.“ Merkel wirkt durchaus nachdenklich an diesem Morgen danach. Natürlich weiß sie, dass auch ihre Partei ihr schon bald Fragen stellen wird. Mit einem bloßen „Weiter so“ wird sie dann nicht antworten können.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann