Kairo

Bitte mehr Infos: Blogger Gutjahr flog nach Ägypten

Die Touristen sind längst alle fort. „Hier im Hotel sind nur noch Journalisten“, berichtet Richard Gutjahr (37), freier Journalist und Blog-Autor, am Telefon aus seinem Hotelzimmer am Tahrir-Platz in Kairo. Er hatte den „Beginn der Revolution“ via Internet verfolgt, war gerade in Israel und beschloss spontan, sich in Kairo selbst ein Bild zu machen.

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Kairo. Die Touristen sind längst alle fort. „Hier im Hotel sind nur noch Journalisten“, berichtet Richard Gutjahr (37), freier Journalist und Blogger, am Telefon aus Kairo. Er hatte den „Beginn der Revolution“ via Internet verfolgt, war gerade in Israel und beschloss spontan, sich in Kairo selbst ein Bild zu machen.

„Mir haben die Informationen, die mich bis dahin ereicht hatten, nicht gereicht“, sagt Gutjahr, der zunächst ohne Auftraggeber auf eigene Rechnung losgeflogen ist. Sein Satz könnte auch die diplomatische Umschreibung dessen sein, was sonst über die großen deutschen Medien im Netz geäußert wird – das ist nicht sehr freundlich. Da kommt der Wunsch nach einem deutschen Al Dschasira auf, da ist mit viel Häme der Tweet „Mit Rücksicht auf Deutsche Medien wie N24, N-TV, ARD, ZDF, RTL Sat1, ProSieben bitten wir, künftige Revolutionen ein Jahr vorher anzumelden“ rasend weiterverbreitet worden.

Das Blog Basic Thinking rief ihn umgehend zum Vorbild aus, im bekannten lawblog forderte Udo Vetter, „unseren Mann in Kairo“ zu flattern, also über ein Spendenbezahlsystem im Netz zu fördern. Viele Sympatien begleiten ihn, zumal er über Twitter – wie auch etliche Journalisten von Al Dschasira – auf dem Laufenden hält. Allerdings schlägt ihm auch Kritik entgegen: „Richard will die Story 'Todesmutiger Blogger und Reporter fliegt nach Ägypten, um live und ungefiltert zu berichten' schreiben und von der Aufmerksamkeit profitieren“, hält ihm Nico Lumma, Director Social Media bei der Agentur Scholz & Friends in seinem Blog vor. Wer Aufmerksamkeit erregt, wird auch hinterfragt.

Gutjahrs Tweets werden aber begierig aufgesaugt: „Entgegen mancher Pressemeldung: Die Stimmung ist nicht aggressiv. Die Leute lachen, lassen sich mit Soldaten fotografieren“, schrieb er. Wenig später fand sich das auf der Twitterstartseite unter den Toptweets. Unserer Zeitung schilderte er die Stimmung ausführlicher: „Alle demonstrieren. Es sind viele junge Menschen, aber am Nachmittag kommen auch Frauen, Kinder, ältere Menschen. Das sind keine Indoktrinierten, das ist ein bunter Mix.“ Die Stimmung sei friedlich und mitreißend. Gut ausgebildete junge Leute, die keine adäquaten Jobs finden, kämpften mit den Ärmsten der Armen Seite an Seite, das gemeinsame Ziel: Mubarak muss weg.

Die Frage, was passiert, ginge der verhasste Präsident tatsächlich, stellten sich viele im Augenblick noch gar nicht. „Daran denkt im Moment noch niemand“, meint Gutjahr. „Es ist einfach eine wahnsinnige Energie da, aber das hat nichts feindseliges.“ Keine brennenden Flaggen und keine Aggressivität habe er bisher beobachtet. Auf dem Platz herrschte am Montagabend wieder dichtes Gedränge. „Ruhig und optimistisch“, beschreibt Gutjahr die Atmosphäre. Zeuge blutiger Auseinandersetzungen wurde er bis zum Montagabend nicht.

Das wichtigste Kommunikationsmittel sei inzwischen das Handy. Die Demonstranten fotografieren sich gegenseitig, halten diese Momente fest, „weil sie stolz darauf sind, dabei zu sein. Von meinem Zimmer aus sieht es aus wie ein großes Rockkonzert.“ Noch seien die Läden in der Stadt gefüllt, auch die Sicherheitslage für ihn und seine Kollegen sei nicht bedenklich. „In den Vororten ist das anders. Hier sind wir nur angehalten, nicht allein und nicht mehr nachts rauszugehen. Daran halten wir uns“, sagt er. (rl/law)

Richard Gutjahr berichtet über Twitter live und auf seinem Blog.