Berlin

Bedrohungslage reißt alte Gräben in der Koalition auf

Ein Polizist vor dem Schloss Bellevue in Berlin. Im politischen Berlin steht das Thema Innere Sicherheit nach diversen Terrorwarnungen im Fokus.
Ein Polizist vor dem Schloss Bellevue in Berlin. Im politischen Berlin steht das Thema Innere Sicherheit nach diversen Terrorwarnungen im Fokus. Foto: dpa

Angesichts der terroristischen Bedrohung gewinnt die Debatte über schärfere Maßnahmen zur Terrorabwehr an Fahrt. Immer mehr Politiker bringen alte wie neue Ideen ins Gespräch – schon brechen in der schwarz-gelben Koalition massive Konflikte auf.

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Von unserem Berliner Korrespondenten Hagen Strauß

Berlin – Angesichts der terroristischen Bedrohung gewinnt die Debatte über schärfere Maßnahmen zur Terrorabwehr an Fahrt. Immer mehr Politiker bringen alte wie neue Ideen ins Gespräch – schon brechen in der schwarz-gelben Koalition massive Konflikte auf.

Bei der Vorratsdatenspeicherung beispielsweise. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Praxis der Vorratsdatenspeicherung im März gestoppt. Dabei werden Telefon- und Internetdaten massenweise mit dem Ziel gespeichert, Querverbindungen von Kriminellen zu untersuchen.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wehrte sich bisher gegen eine Neuregelung, wie sie die Union sowie die Innenminister von Bund und Ländern fordern. Als Entgegenkommen werten die Liberalen nun ihren Vorschlag einer „anlassbezogenen Datenspeicherung“, wonach per Anordnung die routinemäßige Löschung von Daten unterbunden werden kann, um sie den Strafverfolgungsbehörden auszuhändigen. Dazu will die Ministerin Ende des Jahres Eckpunkte vorlegen. „Alles andere ist mit der FDP nicht zu machen“, betont FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Der Union reicht das aber nicht. Außerdem fordert CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich mehr Rechte für die Bundesanwaltschaft bei der Telefonüberwachung von Verdächtigen. Wegen einer Anordnung des Bundesjustizministeriums kann die Bundesanwaltschaft anders als Landesbehörden etwa keine Telefonanrufe überwachen, die dann verschlüsselt werden, kritisierte Friedrich.

Auch der Einsatz der Bundeswehr im Innern zur Terrorabwehr ist erneut strittig. Sollen künftig Soldaten und Panzer den Reichstag sichern? FDP-General Lindner spottete über die „Exhumierung längst begrabener Themen“ von Teilen der CDU. Die Bundesländer, sagt der Liberale, haben seit 2001 rund 9000 Stellen für Polizeibeamte abgebaut, eine weitere Reduzierung im gleichen Umfang sei geplant. „Die Bundeswehr ist nicht dazu da, die Sparprogramme der Länder auszugleichen“, schimpfte Lindner.

In der Union gibt es darüber hinaus erste Überlegungen, angesichts der Terrorgefahr die Pressefreiheit in Deutschland einzuschränken. Hintergrund ist der Bericht des „Spiegel“ über einen Angriff auf den Reichstag. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), sagte unserer Zeitung: „Wenn die Presse darüber berichtet, welche Orte besonders gefährdet sind, dann kann das unter Umständen ein Anreiz für Terroristen sein.“ Solche meist geheimdienstlichen Erkenntnisse seien aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. „Die Presse muss dazu verpflichtet werden, sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch ist“, sagt Kauder weiter. Vorstellbar seien gesetzliche Regelungen oder aber die Einführung einer Selbstverpflichtung der Medien. „Wir müssen da sensible Lösungen finden“, betonte der CDU-Politiker.

Außerdem debattiert die Koalition jetzt stärker als bisher über die Umstrukturierung der Sicherheitsdienste: Innenminister Thomas de Maizière hatte schon im Frühjahr eine Expertenkommission eingesetzt, die Vorschläge dazu machen soll, wie Doppelarbeit vermieden und Kernkompetenzen von Bundespolizei, Zoll und Bundeskriminalamt gestärkt werden können. Jetzt wurde zudem bekannt, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) offenbar aufgelöst und seine 1300 Mitarbeiter vom Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Verfassungsschutz übernommen werden sollen. Nicht jeder in der Koalition unterstützt die Strukturreformen aus Sorge vor Defiziten bei der Sicherheit.