AfD: Triumph eines Rechtsauslegers
Es ist der späte Triumph des 76-jährigen Gauland, der nach 40 Jahren CDU-Mitgliedschaft den Wandel der Partei nicht mehr ertragen hatte. Dabei war er selbst 1973 in eine CDU eingetreten, die sich gerade modernisierte. Als Vertrauter des hessischen CDU-Politikers Walter Wallmann lernte er an den Schaltstellen der Unionsfraktion, der Frankfurter Stadtverwaltung, des Bundesumweltministeriums und der hessischen Staatskanzlei, bundesdeutsche Politik aus der Macherperspektive kennen.
Gleichwohl blieb bei ihm Enttäuschung über die Kohl-Ära zurück. Er vermisste die „geistig-moralische Wende“, mit der Helmut Kohl ein neues konservatives Wertefundament bauen wollte. In dieser Enttäuschung findet sich eine Parallele zum bei der AfD verbreiteten Schimpfen auf das „links-rot-grün-versiffte 68er-Deutschland“. Gauland ist das Gesicht des wohligen Damals-Deutschland-Gefühls. Somit ist er für die CDU das, was Oskar Lafontaine für die SPD war: Anführer derer, die mit den Positionswandlungen ihrer Partei nicht klarkommen.
Aber er steht auch für die Irritationen in der CDU, die nach jedem Fraktions- und Parteiausschluss entstanden waren, wenn sich mal wieder ein Nationalkonservativer bei Holocaust-Vergleichen ins Abseits gestellt hatte. Es war ein Austesten dessen, was mit zunehmendem Abstand zur Katastrophe der Naziherrschaft schon wieder sagbar geworden schien.
Gauland überschreitet Grenzen. Er wendet sich gegen Parteiausschlüsse, wenn Mitglieder von „Schuldkult“ oder „Denkmal der Schande“ sprechen. Und er liefert selbst neue Stichworte, mit dem „Entsorgen“ von politischen Gegnern oder dem „Stolz“ auf deutsche Soldaten in Weltkriegen. Wo die Union nach der Devise lebt, dass es rechts neben ihr keine demokratische Kraft geben dürfe, geht Gauland weiter: im Ergebnis dahin, (fast) alles rechts neben ihm demokratisch zu legitimieren. Damit leistet er seinen Beitrag zum absehbaren Auseinanderbrechen der AfD. Das dürfte schon in der Stunde des Triumphes beginnen.