Die CO2-Rechnung: Vulkanausbruch gut fürs Klima?

Gigantische Gas- und Aschewolken einerseits, dafür kaum noch Flugzeuge am Himmel, die Kohlendioxid in der Atmosphäre freisetzen? Was bedeutet Vulkan Eyjafjallajökull nun fürs Klima?

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Gigantische Gas- und Aschewolken einerseits, dafür kaum noch Flugzeuge am Himmel, die Kohlendioxid in der Atmosphäre freisetzen? Was bedeutet Vulkan Eyjafjallajökull nun fürs Klima?

Ist der isländische Vulkan ein ungeliebter Klimaschützer, wie Twitterer@RamirezTerrix vermutete, der uns die Illustration zu diesem Text frei nach einer Kampagne der Atomwirtschaft geschickt hat? Tatsächlich ist es wohl so, dass unterm Strich in den vergangenen Tagen weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt ist. Allzu große Hoffnungen in die Effekte sollte man aber nicht setzen.

Fachleute der gemeinnützigen Bonner GmbH Atmosfair, deren Geschäft es ist, dass Flugreisen durch Spenden für die Umwelt ausgeglichen werden können, hatten berechnet, dass jeder Tag ohne Flugverkehr in Europa rund eine Million Tonnen CO2 einspart. Das lässt zwar außen vor, dass dadurch mehr Züge und Kraftfahrzeuge fahren. Deren zusätzlicher Ausstoß dürfte aber nach Ansicht der Fachleute bei Weitem nicht so hoch sein, zudem hat CO2 in der Atmosphäre mehr Auswirkungen als bodennah. Der Blog Wir-Klimaretter.de, der die Zahlen bei Atmosfair erfragt hatte, rechnete flugs hoch: Der Vulkan hat an zwei flugzeugfreien Tagen in Europa so viel Ersparnis gebracht wie zehn Millionen Sparbirnen.

Nur: Selbst wenn die Rechnung stimmen würde – sie lässt außen vor, dass der Vulkan ja auch Kohlendioxid in die Luft stößt. Aber auch da sahen erste Rechnungen in verschiedenen Medien sehr vorteilhaft für den isländischen Riesen aus: 15.000 Tonnen Kohlendioxid stoße der am Tag aus – hochgerechnet aus der Menge Schwefel. Doch da ist das Verhältnis offenbar nicht wie zunächst von isländischen Forschern angegeben 5:1, sondern 50:1. So schätzten dann ein Geowissenschaftler von der University of Durham und ein Vulkanologe des Paris Institute for Global Physics den CO2-Ausstoß gegenüber der Agentur AFP auf 150.000 bis 300.000 Tonnen täglich. Damit würde der Vulkan – hochgerechnet aufs Jahr – in einer Liste des World Ressources Institute zum CO2-Ausstoß der Staaten weltweit zwischen Platz 47 und Platz 75 auftauchen.

Nach Angaben des gleichen Instituts ist der Flugverkehr in der EU für 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes durch Flugzeuge verantwortlich. Doch wie hoch ist der? Auch da gehen die Zahlenangaben auseinander: 440.000 Tonnen am Tag, wie AFP unter Berufung auf die Europäische Umweltagentur gemeldet hat? 350.000 Tonnen, wie andere Quellen angeben? Die britische Seite informationisbeatiful.net, die offenbar Quelle der zu niedrigen Zahlen beim CO2-Ausstoß des Vulkans war, sich aber korrigiert hat, gibt die Zahl sogar mit 344.109 Tonnen an. Mehr als erstaunlich genau, wenn man bedenkt, dass in Teilen Europas die Flieger gar nicht am Boden bleiben mussten.

Bei jedem der fehlerbehafteten Rechenspiele geht der Vulkan aber als Gewinner hervor, der Kohlendioxidausstoß ist demnach in den vergangenen Tagen tatsächlich niedriger gewesen.

Aber selbst diese vermeintlich positive Seite des Vulkanausbruchs machen die Experten madig. Zum Klimaschützer taugt er aus zwei Gründen nicht: „Unter der Nachweisgrenze“ sei die eingesparte Menge, sagt zum einen der Klimaforscher Hartmut Graßl vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Der weltweite Ausstoß liegt bei annähernd 50 Milliarden Tonnen. Am gleichen Institut machen die Fachleute auf einen zweiten Aspekt aufmerksam: Das bei Vulkanausbrüchen ebenfalls ausgestoßene Schwefeldioxid hat noch größere Effekte aufs Klima. Immerhin spuckt der Eyjafjallajökull davon aber nach Erkenntnissen aus Satellitendaten nicht so viel. Die Wissenschaftler gehen von einer 5000-fach größeren Menge beim Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo aus. Da ist es dann fast schon beruhigend, dass der vermeintliche Klimaschützer gar „keine Auswirkungen auf das globale Klima haben“ wird, wie Physikerin Claudia Timmreck der Deutschen Welle sagte. Lars Wienand

Leser helfen Lesern aus der Vulkanpatsche – unsere Zeitung will Gebote und Gesuche von Fahrgelegenheiten in Europa zusammebringen: die Mitfahrerbörse.