RZ-Interview mit Bauernpräsident: Wir arbeiten nachhaltig

Bauernpräsident Joachim Rukwied kritisiert, dass künftig weniger Geld per Direktzahlung zu den Landwirten gelangen soll - ein Teil der Mittel wird in Programme zur ländlichen Entwicklung verlagert.
Bauernpräsident Joachim Rukwied kritisiert, dass künftig weniger Geld per Direktzahlung zu den Landwirten gelangen soll - ein Teil der Mittel wird in Programme zur ländlichen Entwicklung verlagert. Foto: dpa

Rheinland-Pfalz. 6,2 Milliarden Euro fließen künftig aus Brüssel an die deutschen Bauern – das sieht der Kompromiss zur EU-Agrarreform vor, der im November endgültig beschlossen wurde. Wichtig ist dabei: Die Mittel verteilen sich auf zwei Säulen. Die erste Säule umfasst Direktzahlungen an die Bauern: Sie machen für viele Betriebe bis zu 40 Prozent des Gesamteinkommens aus. Mit den Geldern der zweiten Säule werden Förderprogramme für die ländliche Entwicklung, den Öko-Landbau, die Dorferneuerung und dergleichen finanziert. Im Interview mit unserer Zeitung erläutert Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, was er von der Reform und der Verteilung der Mittel auf die beiden Säulen hält. Geführt wurde das Gespräch am Rande der Feierlichkeiten zum 65-jährigen Bestehen des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau in Koblenz:

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Die Fragen stellte Jörg Hilpert:

Sind Sie zufrieden mit der EU-Agrarreform?

Die Reform ist die Basis für die nächsten Jahre, sie bringt Verlässlichkeit für die Landwirtschaft. Schmerzlich ist, dass es Einschnitte gab, vor allem bei der sogenannten ersten Säule – da bekommen die Landwirte einen Direktausgleich dafür, dass sie höhere Umwelt- und Tierschutzstandards erfüllen, als sie im Rest der Welt üblich sind. Diese Einschnitte tun weh. Letztendlich war aber der Kompromiss, den jetzt auch die deutschen Länder-Agrarminister im November gefunden haben, längst überfällig. Denn die Bauern brauchen Planungssicherheit.

Wie stark sind die Einschnitte?

Wir haben in der ersten Säule 7,8 Prozent weniger aus Brüssel. Aufgrund des Beschlusses der Länder-Agrarminister werden aber nochmals 4,5 Prozent aus der ersten in die zweite Säule transferiert. Im Ergebnis sind deshalb gut 12 Prozent weniger in der ersten Säule – im Schnitt, bei einzelnen Betrieben können es aber auch bis zu 20 Prozent sein.

Können die Betriebe mit diesen Einbußen leben?

Die Direktzahlungen aus Brüssel sind schon seit Jahren rückläufig. Die Betriebe müssen sich jetzt einmal mehr auf die neue Situation einstellen.

Trotz der Kürzungen fließen immer noch 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts in die Agrarförderung. Ist das gerechtfertigt?

Ich möchte eines betonen: Nimmt man alle öffentlichen Haushalte zusammen, fließt weniger als 1 Prozent der Gelder in die Landwirtschaft. Nur den EU-Haushalt zu betrachten, verzerrt die Realität.

Der Kompromiss der Länder-Agrarminister sieht vor, dass die sehr großen Betriebe in Deutschland etwas weniger Geld bekommen, die kleinen dafür mehr. Ist das gut für Rheinland-Pfalz?

Der Deutsche Bauernverband hatte sich für eine stärkere Förderung der ersten Flächen-Hektare ausgesprochen. Insofern geht die Entscheidung in unsere Richtung. Bis zu einer Größe von 100 Hektar fließt künftig etwas mehr in die Betriebe, darüber etwas weniger. Dies gilt zunächst für alle Bundesländer. Man muss aber wissen, dass sich die Höhe der Direktzahlungen im Moment von Bundesland zu Bundesland unterscheidet. Rheinland-Pfalz liegt dabei deutlich unter dem Schnitt – das liegt an einer früheren Reform aus den 1990er-Jahren. In drei Schritten von 2017 bis 2019 werden die Direktzahlungen nun bei einem bundeseinheitlichen Schnitt zusammengeführt – das beschert Rheinland-Pfalz Zuwächse. Ein rheinland-pfälzischer Betrieb verliert deshalb am Ende dieses Prozesses erst ab einer Größe von etwa 250 Hektar etwas.

Grüne Länder-Agrarminister haben durchgesetzt, dass Geld von der ersten in die zweite Säule verschoben wird. Wie beurteilen Sie den Schritt?

Da haben wir eine dezidierte Meinung: Keine Umverteilung von der ersten in die zweite Säule, denn nur bei der ersten Säule kommt das Geld 1:1 bei den Landwirten an. Aus der zweiten Säule kann es zwar möglicherweise wieder Landwirten zugutekommen, aber nicht 1:1. Am Ende kommt es darauf an, mit welchen Programmen die zweite Säule hinterlegt ist.

Die Reform soll auch zum „Greening“ führen – hört sich gut an, aber wird die Landwirtschaft dadurch ökologischer?

Wir wirtschaften seit eh und je nachhaltig, wir praktizieren die Fruchtfolge, wir denken in Generationen. Und wenn wir als Bauern die „genetische Veranlagung“ zu diesem Verhalten nicht hätten, dann sähe Deutschland nicht so schön aus. Wir Landwirte sind längst „grün“ aktiv und sind auch bereit, im Rahmen eines produktionsintegrierten Greenings diese Dinge noch weiter zu entwickeln. Was aber jüngst wieder von der EU-Kommission ins Spiel gebracht wurde, nämlich eine Flächenstilllegung als Greening-Maßnahme, lehnen wir klar ab. Das ist moralisch und ethisch nicht vertretbar.

Stichwort Nachhaltigkeit: Die Bauern spüren derzeit heftigen Gegenwind von Tierschützern. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind dabei, mit Lebensmittelhandel und Schlachtwirtschaft die Initiative Tierwohl auf den Weg zu bringen: Das bedeutet noch höhere Standards auf freiwilliger Basis. Wer als Landwirt mitmacht, muss zunächst einen Grundkatalog von Maßnahmen erfüllen und kann dann darauf aufbauen. Für weitere Schritte bekommt er anschließend auch mehr Geld.

Kritiker sagen, die Standards seien derzeit noch zu niedrig angesetzt – verglichen etwa mit den Kriterien von Bioland oder Demeter.

Das sehe ich anders. Schauen Sie sich doch mal einen modernen Boxenlaufstall an: Das ist ein wahrer Wellnessstall mit Kratzbürsten und Liegezonen – da haben wir in den zurückliegenden Jahrzehnten viel Positives auf den Weg gebracht. Und vergessen wir eines nicht: Mehr als sieben Milliarden Menschen müssen ernährt werden, in Europa gut eine halbe Milliarde. Das geht nicht mit fünf Kühen oder fünf Schweinen im Stall. Sie müssen die Menschen auch satt kriegen.

Vor zwei Jahren, beim Deutschen Bauerntag in Koblenz, bekannte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Kampf gegen den „Flächenfraß“. Was hat sich getan?

Nicht viel. Das Thema steht bei uns nach wie vor ganz oben auf der Agenda. Landwirtschaftliche Fläche ist ein knappes Gut. Vom Ziel, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, was immer noch 40 Fußballfeldern entsprechen würde, sind wir noch Lichtjahre entfernt.