„Kostenneutrale dreimonatig Arbeitserprobung“: Netto distanziert sich von Angebot an abgelehnten Minijobber

Netto hat mehr als 60.000 Mitarbeiter. 
Netto hat mehr als 60.000 Mitarbeiter.  Foto: dpa

Hodenhagen/Maxdorf – Kostenneutral drei Monate probeweise bei Netto einkaufen? Auf die absurde Idee stößt man derzeit in sozialen Netzwerken. Es ist die Retourkutsche auf ein ebenso irres „Angebot“ an einen abgelehnten Bewerber. Netto distanziert sich und prüft die Echtheit.

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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Die Absage trudelte Mitte Mai ein: Es wurde nichts mit dem 325-Euro-Job bei Discounter Netto für den Mann, der dort als Minijobber im Laden arbeiten wollte. Der nächste dort zu lesende Satz ist ein Hammer und hat dafür gesorgt, dass der Brief sich in dieser Woche rasend im Netz verbreitet.

Eine Dame aus der „Allgemeinen Verwaltung“ lud den verschmähten Mini-Jobber „gerne“ zur „kostenneutrale Arbeitserprobung in Form eines dreimonatigen Praktikums“ ein. Nicht gut genug für den 325-Euro-Job, aber willkommen, um drei Monate umsonst arbeiten? „Außerordentlich brutal und menschenverachtend“ nennt das Christoph Schmitz, Sprecher des Verdi-Bundesvorstands. „Ich will aber nicht ausschließen, dass es Menschen gibt, die verzweifelt genug sind, sich auf so eine Unverschämtheit einzulassen.“

Der Verdi-Sprecher hat keine Hinweise, dass dieses Vorgehen beim drittgrößten Discounter oder bei anderen Firmen System hat. „Ein äußerst spektakulärer Einzelfall.“ Probearbeiten zur Aussicht auf einen Job ist zwar im Dienstleistungsbereich und Handel vielerorts fast schon Alltag. „Aber hier haben wir eine Kombination, die wirklich außergewöhnlich krass ist. Es gibt meist noch eine leichte Hemmschwelle der eigenen Unverschämtheit gegenüber“, so Schmitz. „Da kommt eine Absage erst, nachdem jemand zum Probearbeiten eingeladen wurde.“ Wobei Verdi sich ausdrücklich gegen jedes Probearbeiten ohne Entlohnung wendet: „Es wird ja eine Arbeitsleistung erbracht.“

Die Netto-Unternehmenszentrale erklärt, man möchte sich „ausdrücklich vom Inhalt des Anschreibens distanzieren“. Die Niederlassung gibt es zwar, eine entsprechende Bewerbung auch – das Absageschreibe entspreche weder inhaltlich noch der Form nach den Vorgaben. So sei eine seit längerem nicht mehr verwendete Briefvorlage genutzt worden.

Das schließt allerdings zunächst nicht aus, dass in der für die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und angrenzende Teilen von Nordrhein-Westfalen zuständigen Niederlassung doch noch altes Briefpapier genutzt wurde. Netto verweist allerdings darauf, dass Bewerber für eine Tätigkeit in den Filialen eine Absage basierend auf standardisierten Textpassagen erhalten sollen.

Aus dem Unternehmen im bayerischen Maxhütte-Haidhof kommt auch die Aussage, dass „mehrmonatige Praktika – wie z.B. im Rahmen eines Studiums – selbstverständlich von uns grundsätzlich vergütet werden“. Aus der Praxis gibt es allerdings auch immer wieder Berichte von unbezahltem Probearbeiten.

Netto dürfte hohes Interesse an der Aufklärung des Falles haben: Nicht nur, dass in den Sozialen Netzwerken Boykottaufrufe die Runde machen, auch als Arbeitgeber, der ständig Personal braucht, kann Netto Schaden nehmen. Erst vor kurzem stimmte das SWR-Magazin „Report Mainz“ in Berichte ein, dass bei Netto unbezahlte Mehrarbeit in größerem Umfang System habe. Netto hatte geantwortet, die Arbeitszeiten seien im Einklang mit den Gesetzen klar geregelt.

„Netto ist sicher nicht als Unternehmen bekannt, dass als besonders mitarbeiterfreundlich gilt“, sagt Verdi-Sprecher Schmitz. Wegen des aktuellen Falles sieht die Gewerkschaft aber keine Notwendigkeit, selbst etwas tun zu müssen. „Die Reaktionen in den Netzwerken sind wirksamer als jede gewerkschaftliche Mahnung.“

Autor:
Lars Wienand
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